Starke Technik macht gute Spiele besser
Endlich! Ja, ich kann es nicht anders sagen: Endlich sind 60 Frames pro Sekunde auch auf der Konsole der vorläufige Standard. Ein Spiel wie Demon‘s Souls wurde mit der magischen 60 im Hinterkopf entwickelt. Assassin‘s Creed: Valhalla verfolgt eher eine stabile 16,6ms-Frametime als eine (oftmals nutzlose), native 4K-Auflösung. Freunde, wir haben es geschafft. Endlich ist mein Wohnzimmer da, wo mein Schreibtisch schon seit ein paar Jahren ist. In der Videospiel-Gegenwart.
Und dann diese Ladezeiten, Leute. Ach du meine Güte. Ihr könnt euch wirklich nicht vorstellen, wie sehr ich mich gefreut habe, als ich das erste Mal bei Spider-Man innerhalb von Sekunden im Spiel war. Nicht in irgendeinem Menü – nein, direkt in New York. Oder wie viel weniger mich ein Tod bei Demon‘s Souls frustet, weil ich nicht auch noch mit 60 oder mehr Sekunden in einem Ladebildschirm voller „toller“ Tipps bestraft werde, wie anno 2015 zum Release von Bloodborne.
Gut, auf dem PC könnten das wohl viele Spiele schon länger, immerhin gibt es hier die PCI 3.0 Schnittstelle für flotte NVMe-SSDs schon ein paar Jährchen. Nur hat sich leider bisher kaum ein Entwickler dazu herabgelassen, mühsam dafür zu optimieren. Warum auch, immerhin musste man auf der Konsole jahrelang auch noch alte 5400 RPM-HDDs durchziehen und Flash-Speicher war notorisch teuer. Das ändert sich jetzt – und könnte PC-Spieler in die ungewohnte Situation bringen, aufgrund von Konsolentiteln ihre Systeme aufrüsten zu müssen, denn auch in Desktop-Rechnern sind die jetzt notwendigen PCIe 4.0 SSDs noch lange kein Standard.
Aber ich schweife ab: Genau dieser Schritt - keine Ladezeiten und der Fokus auf 60 Frames pro Sekunde – ist für mich das Versprechen der nächsten Generation. Und so sehr ich Jörg auch zustimme, der in seiner Kolumne erklärt, dass Hardware auch ein Fetisch sein kann und noch keine Technik ein schlechtes Spiel zu einem guten gemacht hat, so sehr möchte ich unterstreichen: starke Technik macht gute Spiele in meinen Augen aber besser. Und zwar zum Teil deutlich.
Dabei geht es mir aber weniger um ein zwei TeraFLOP hier, Takt- und Datenraten dort (obwohl der Tech-Nerd in mir sich durchaus freut, wenn es an den Benchmark geht). Denn beide neue Konsolen sind schöne Gaming-Maschinen die beide sehr viel Potential bergen, was jetzt „nur noch“ von den Studios gehoben werden muss. Und es geht mir auch nicht um 2-3 Pixel hier oder eine etwas schärfere Textur da. Mir geht es eher um das große Ganze. Nämlich wie die Technik ein Spiel beeinflussen kann – und mich dabei auch schon um eigentlich richtig tolle Spielerfahrungen gebracht hat.
Denn wenn mir Framedrops und Slowdowns Sprünge verhageln, wenn mir der Input-Lag aufgrund instabiler Frametimes das Laufen erschwert und ich eher mit der Technik als mit der Herausforderung des Spiels kämpfe, ist bei mir, am PC von144hz mit G-Sync verwöhnt, Schluss. Und das ist äußerst ärgerlich – aber mit etwas Glück in naher Zukunft erst mal kein Thema mehr, denn dank Abwärtskompatibilität erhalte ich auf der PS5 selbst bei Spielen mit Framerate-Limit immerhin noch stabile 30 FPS.
Und so sehr ihr jetzt auch abwinken mögt und sagt „Ach, aber Filme laufen im Kino doch auch nur mit 24 Bildern pro Sekunde“ – ja, das stimmt. Aber Spiele sind eben keine Filme. Ihr schaut nicht nur passiv auf eine Leinwand, ihr wollt möglichst zeitnah beeinflussen, was auf dem Bildschirm passiert. Mehr Frames pro Sekunde lassen das Bild aufgrund reduzierter, ungewollter Blur-Effekte klarer und aufgeräumter wirken. Auch etwas niedrigere Auflösungen zwischen 4k und 1440p erscheinen so erheblich schärfer und knackiger, da sie in Bewegung weniger stark verwischen. Da der Steuerungsinput zudem nicht mehr nur alle 33,3 Millisekunden, sondern alle 16,6 Millisekunden Einfluss auf das dargestellte Bild nehmen kann, fühlen sich Spielfiguren und Kamera responsiver und damit schlicht besser und richtiger an. Und ja, das gilt selbst bei einfachen Erzähl-Abenteuern wie What Remains of Edith Finch, die auf der Konsole oft notorisch schlecht optimiert waren. Von den Vorteilen im kompetitiven Wettbewerb und der früheren und deutlicheren Sichtbarkeit von Zielen oder Kurven durch eine höhere Bildaktualisierung fange ich gar nicht erst an. Für mich gilt: Jedes Spiel ist besser, wenn es flüssiger läuft. Egal wie gut es vorher schon war. Und ein Zurück ist für mich im Grunde nicht mehr möglich, wenn ich einmal die 60 FPS gesehen habe.
Ähnlich verhält es sich auch mit Ladezeiten. Bei meinem Komplettierungsrun quer über Tsushima auf der PS4 habe ich mich dermaßen an die Magie gewöhnt, mit der Sucker Punch offensichtlich ihre Komprimierungs-Algorithmen gewoben haben, dass ich bei der anschließenden Rückkehr in die Welt von Horizon Zero Dawn ob der Ladepausen kurz vergewissern musste, ob die Spiele tatsächlich beide auf dem gleichen System laufen. Habe ich hier einmal vom süßen Nektar der Lebenszeitersparnis gekostet, will ich nie wieder die quälenden Minuten im Ladebildschirm von Red Dead Redemption 2 verbringen, bei dem eine Alternativbeschäftigung auf Smartphone oder Switch beinahe Pflicht ist, wenn man am Ende eines langen Arbeitstages nicht eingenickt sein will, bevor man in den Wilden Westen startet.
Selbstverständlich wird es also für meine Spielerfahrung einen Unterschied machen, ob ich Cyberpunk 2077 auf einer PS4 (ohne Pro) oder einem High-End-Rechner spiele, obwohl auf dem Bildschirm im Grunde das gleiche Rollenspiel stattfindet. Selbstverständlich hat es für mich einen gravierenden Unterschied in der Spielbarkeit gemacht, das überall schwach optimierte Kingdom Come Deliverance flüssig in maximalen Einstellungen über meinen PC zu prügeln, anstatt auf die gruselige PS4-Variante mit massiven technischen Problemen zurückzugreifen - obwohl es ja am Ende das gleiche Spiel war.
Kurz gesagt: Ich freue mich über die neuen Konsolen, denn anscheinend ist wirklich endlich Schluss mit knapp 30 FPS. Ich bin begeistert, das vielleicht endlich auch am PC für schnellen Speicher optimiert werden wird. Denn für mich hat auch die Technik viel mit meinem Spielerlebnis zu tun – und ob ich tolle Abenteuer und Geschichten vielleicht noch ein Stück mehr genießen kann.
Eike CramerRedakteur