Kommentar

hundertprozent subjektiv

KW 28
Donnerstag, 10.07.2014

Zwei Freundinnen, eine intensive Beziehung - Ellie und Riley in The Last of Us: Left Behind


Es sind denkbar schlechte Voraussetzungen für eine Freundschaft: Die junge Ellie wird in einem Camp jeden Tag darauf getrimmt, Rebellen zu töten. Ihre beste Freundin Riley schleicht sich nach ihrem plötzlichen Verschwinden ausgerechnet als frisch angeworbene Rekrutin des Feindes ins Quartier, damit die beiden vor ihrer Abreise noch einen letzten Abend gemeinsam verbringen können.

Das ist die Ausgangslage von Left Behind, der Erweiterung von The Last of Us. Und sie übertrifft für mich sogar die Kampagne des Hauptspiels in manchen Aspekten. Denn abgesehen von den gewohnt spannenden Kämpfen gegen Klicker und Jäger sowie einer inhaltlichen Vertiefung der Geschichte um Joel ist es vor allem die ruhige Inzsenierung der freundschaftlichen Beziehung, die mich hier fasziniert.

Naughty Dog gelingt es, das Verhältnis der beiden Mädchen trotz der kurzen Spielzeit emotionaler einzufangen als so manches große Epos. Warum? Weil sie viele Facetten und vor allem den Kern von Freundschaften aufzeigen – und das nicht nur in Form von großartigen Dialogen und eindringlicher Mimik in Zwischensequenzen, sondern auch über aktive Spielelemente. Angefangen beim gemeinsame Herumblödeln mit Requisiten über das herrliche Duell mit Wasserpistolen bis hin zum Posieren und Grimassenschneiden in einer Fotokabine. Es wird in jeder Minute deutlich, dass diese Freundschaft etwas ganz Besonderes ist – auch dann, wenn sie auf eine harte Probe gestellt wird.

Tatsächlich ist der Einstieg vor allem von Ellies Enttäuschung gegenüber Rileys Verhalten geprägt. Doch Konflikte und Meinungsverschiedenheiten gehören eben auch dazu – und Naughty Dog zeigt glaubhaft auf, wie wahre Freunde mit solchen Situationen umgehen. Anstatt um den heißen Brei herum zu reden oder sich wie eine beleidigte Leberwurst zurückzuziehen, wird hier Tacheles geredet, von Angesicht zu Angesicht.

Die Botschaft: Wenn die Chemie zwischen zwei Menschen stimmt, dann spielen verfeindete Fraktionen genauso wenig eine Rolle wie die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe. Die gemeinsame Zeit genießen, Spaß haben, Vertrauen, offene und ehrliche Gespräche – das macht wahre Freundschaft aus! Jeder Moment, so trivial er auf den ersten Blick auch erscheinen mag, ist etwas Besonderes, auch wenn man es meist erst rückblickend realisiert.

Andere Entwickler sollten sich ein Beispiel an Naughty Dog nehmen und den Mut haben, auch mit trivialen Situationen die emotionale Spielerfahrung zu bereichern. Klar sieht es auf dem Papier furchtbar öde aus, ziellos mit Masken durch einen Laden zu rennen. Aber genau wie die etwas andere Beat'em-Up-Sequenz in einer heruntergekommenen Spielhalle brennen sich Ereignisse wie diese mit Hilfe einer herausragenden sowie feinfühligen Regie stärker ins Gedächtnis als sie ein Fotoautomat jemals festhalten könnte.

Michael Krosta,
Redakteur

 

Kommentare

Kya schrieb am
:cry: und ich habe meine PS3 verkauft und keine PS4. :cry:
billy coen 80 schrieb am
XCrusherX hat geschrieben:... Es war mir zu sehr eine gameplaybetonte Jagd ...
Hähä! Im Thread zum Test von TLOU sind haufenweise Leute herumgestreunt, die dem Spiel in Endlosschleife genau das Gegenteil attestierten - Stichwort: interaktiver Film... :Blauesauge:
Die hätten dich, glaub ich, für diese Aussage gekreuzigt, ob deiner ketzerischen Ansichten davon, was Gameplay ist. :wink:
JolinaHawk schrieb am
Einer der berührensten DLCs, den ich je gespielt habe. Intensiv, glaubwürdig und grandios insziniert.
Ich glaube auch, dass Games, die sich menschlichen Beziehungen glaubwürdig nähern im Kommen sind. Thumbs up auch für die Themenwoche :)
johndoe1197293 schrieb am
Also mich haben sowohl das Hauptspiel als auch der DLC sehr berührt. Den DLC betrachte ich mittlerweile als essentiell für TLOU obwohl es auch ohne ihn grandios funktioniert hat.
Some Guy schrieb am
Selbst Naughty Dog sollte sich eine Scheibe davon abschneiden. Meiner Meinung nach haben sie es erst mit diesem DLC geschafft, ihr Szenario für wirklich starke emotionale Momente zu nutzen. Das war etwas, was ich über das gesamte Hauptspiel vermisst habe. Es war mir zu sehr eine gameplaybetonte Jagd durch Banditenstützpunkte, bei denen die Charaktere zu oberflächlich geblieben sind, um einem wirklich wichtig zu werden. In diesem DLC wurde dagegen gleich doppelt gepunktet: Einerseits - wie schon stark hervorgehoben wurde - die Freundschaft zwischen den beiden, die vor allem durch die spielerischen Elemente sehr greifbar wurde. Andererseits hat sich hier meiner Meinung nach aber auch am stärksten gezeigt, in was für einer traurigen und tristen Welt die Menschen dort im Spiel eigentlich leben, und wie wenig Hoffnung besteht. Das ganze Einkaufszentrum war wie ein Museumsbesuch - eine Erinnerung, wie schön die Welt einmal war. Und so viel die beiden auch daraus gemacht haben, letztendlich war es nur ein kurzer Moment im Paradies, von dem beide wussten, dass er nicht lange anhalten und niemals wiederkommen wird.
schrieb am