Zum Glück gibt es Version 1.5!
"Sieht aus wie der Vorgänger", sagen einige. "Keine vollwertige Fortsetzung!", schimpfen andere. Manche bescheinigen den Umfang eines DLC-Pakets, der Spitzname "[Titel des Vorgängers] 1.5" ist in aller Munde.
So machen Videospieler das, wenn ein Abenteuer dem letzten allzu ähnlich ist. Wenn Entwickler ein zweites Haus auf einem neuen Fundament kreieren. Neue Kulissen gibt es dann, die gleiche Technologie, eine erweiterte Geschichte, zusätzliche Fähigkeiten sowie Detailveränderungen bei Menü und Spielablauf.
"Brauch' ich nicht!", ärgern sich viele.
"Her damit!", halte ich die Arme auf. Denn manchmal gehört Version 1.5 zu den Höhepunkten einer Serie.
BioShock 2 war ein typisches More of the Same" – doch den Ausbau der taktischen Fähigkeiten und der emotionalen Erzählung habe ich geliebt.
Yakuza 2 nutzte zum großen Teil Kulissen und Inhalte des Vorgängers, gilt bei vielen aber als der bis heute beste Teil. Und gerade jetzt ist Legend of Grimrock 2
"hübscher, nahrhafter und vielfältiger" als die ohnehin sehr gute Premiere.
Es geht ja nicht um DLC oder Kaderupdates, hinter denen Jahr für Jahr tatsächlich das im Wesentlichen gleiche Spiel steckt.
Es geht um Spiele wie das ehrwürdige Doom 2 – auf den ersten Blick kaum mehr als ein Level-/Waffen-/Kreaturen-Upgrade, auf den zweiten eine monsterstarke Fortsetzung mit brillanten Levels. Auch Thief 2 erweiterte "nur", anstatt zu erneuern, war aber ein exzellenter Nachfolger.
So machen Fortsetzungen Spaß! Man genießt die wohlige Vertrautheit und das Vervollständigen bekannter Elemente. Das packende
Geometry Wars 2 und das liebevolle
LocoRoco 2 gewannen mächtig Schwung, als die Entwickler nicht von vorne beginnen mussten, sondern vom Zielpunkt der Vorgänger startend ihre Konzepte bis an die Grenzen ausdehnen konnten.
Nicht nur der Reiz des Neuen kann eine Stärke sein. Das Perfektionieren gehört dazu. Und es ist ja durchaus eine Kunst, denn längst nicht jeder Nachfolger kann seinem Vorgänger das Wasser reichen.
Gelungene Fortsetzungen machen gute Spiele besser. Sie offenbaren manchmal erst, was im Original schlummerte. Sie sind viel mehr als die herabwürdigende Versionsnummer preisgibt.
Bewusst geworden ist mir das mal wieder bei
Borderlands: The Pre-Sequel. Dabei hatte ich selbst die Augen verdreht, als 2K eine Fortsetzung ankündigte, die schon dem Namen nach kein echter dritter Teil sein würde. Heute ärgere ich mich darüber – das Spiel hat mich eines Besseren belehrt. Es wirkt ebenso vertraut wie frisch, verleiht der bekannten Action neuen Schwung.
Natürlich sind Publisher vor allem am schnellen Geld interessiert. Aber was interessiert mich das, so lange ihre Abenteuer fesseln? Langweilig wird es erst, wenn die kreative Entwicklung in der Mühle fortlaufender Geschäftsjahre erstickt wird: Mit dem
zweiten Assassin's Creed verbrachte ich mehr Zeit als mit jedem anderen Teil der Serie – danach verlor die immer gleiche Seifenoper ihren Charme.
Zum Glück gibt es mehr als genug Studios, die ein ehrliches Interesse am Vervollkommnen ihrer Ideen vermitteln, anstatt das Fließband anzuwerfen. Und so werde ich noch Dutzende Stunden auf dem Borderlands-Mond verbringen, bevor ich mich auf
Bayonetta 2 stürze.
Schön, dass es Version 1.5 gibt!
Benjamin SchmädigRedakteur