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hundertprozent subjektiv

KW 39
Montag, 21.09.2020

Microsoft geht mit Bethesda "All in"


Microsoft kauft ZeniMax samt Bethesda für 7,5 Milliarden Dollar. Und das gibt man einen Tag (!) vor dem Start der Vorbestellungen für Xbox Series S und X am 22. September bekannt - wow, was für ein eindrucksvolles Manöver! Das ist nicht weniger als ein Erdbeben für die Spielebranche, das das bisherige Machtgefüge im Wettbewerb kräftig verschieben könnte.

Redmond meint es diesmal wirklich ernst: Sie wollen die Spieler zurückgewinnen, die man in den letzten Jahren fast schon fahrlässig aufgegeben hatte. Man kann zwar durchaus sagen, dass da zwei heiraten, deren Image in den letzten Jahren, wenn auch unterschiedlich stark, gelitten hat - auch Bethesda hatte sich mit Fallout 76 sowie Account-Zwängen in die Nesseln gesetzt.

Aber das ist mit dieser Superfusion alles Schnee von gestern. Man erweitert nicht nur schlagartig sein Portfolio um einige der erfolgreichsten Marken: The Elder Scrolls, Fallout und Doom, dazu Wolfenstein und Dishonored. Hinzu kommen ja über ein halbes dutzend Studios: Bethesda Game Studios, id Software, ZeniMax Online Studios, Arkane, MachineGames, Tango Gameworks, Alpha Dog und Roundhouse Studios. Die exklusiv für Microsoft arbeitende Entwicklerfamilie wächst von 18 auf 25, die Mitarbeiter um 2300!

Auch wenn man vieles natürlich weiter mit einem PC zocken kann, verliert Sony in den nächsten Jahren höchstwahrscheinlich einige der attraktivsten Multiplattformtitel. Oder warum sollte ein The Elder Scrolls VI "nur" zeitexklusiv für Xbox Series X und PC erscheinen? Man muss konkrete Ansagen abwarten, aber Microsoft hat quasi alle Joker in der Hand. Fest steht bisher nur, dass Deathloop und GhostWire: Tokyo wie von Bethesda angekündigt noch konsolenexklusiv für die PS5 sowie den PC erscheinen - allerdings nur für eine bestimmte Zeit von vermutlich einem Jahr, bevor sie auch für Xbox Series X erscheinen.

Natürlich war diese Strategie abzusehen, nachdem man u.a. DoubleFine, Ninja Theory, Obsidian und inXile kaufte. Aber sie gehen mit diesem Manöver "All in" - nicht finanziell, da hat Microsoft weitaus mehr Reserven, aber mit dem Bekenntnis zu einer nachhaltig, auf fünf bis zehn Jahre geplanten Zukunft der Spiele-Entwicklung. Sie haben nicht nur einige potenzielle neue Top-Marken wie Starfield, sondern genug etablierte Trümpfe in der Hand, um Spieler langfristig an die Xbos Series X zu binden - auch der GamePass wird nach EA Play durch Bethesdas Titel nochmal gehörig aufgewertet: Das ist eine Monster-Bibliothek.

Damit schließt man zudem eine Lücke für zwei Zielgruppen, denn Bethesda entwickelt sowohl die großen Spiele für Solisten, die in den letzten Jahren auf PlayStation 4 so faszinierten, als auch erfolgreiche Online-Titel, die langfristig Geld in die Kasse spülen. Gerade der im Gegensatz zu PlayStation-Europa stark umkämpfte amerikanische Markt dürfte damit in Zukunft von Microsoft dominiert werden.

Aber das ist keine Übernahme alleine gegen Sony oder die Marktmacht der PlayStation, sondern auch eine strategische Maßnahme im globalen Krieg der Spiele. Dazu gehören die Big Five, darunter neben Microsoft auch Facebook, Apple, Amazon und Google, zudem nicht zu vergessen Tencent. Den größten Umsatz mit Videospielen machen weder EA noch Activision Blizzard oder Sony, sondern dieser chinesische Konzern mit knapp 20 Milliarden Dollar im Jahr 2018. Und sie wollen mehr.

Wer in diesem Wettbewerb ernsthaft wachsen will, der muss weiter fressen: Wer nicht wächst, der stirbt.  Dieser ökonomischen Mahnung folgen viele Unternehmen. Das wissen alle Publisher in der zweiten und dritten Reihe wie etwa die Embracer Group, weshalb sie sich in den letzten Jahren so mit Lizenzen und Studios aufplustern. Aber sie haben - sorry - eher die Masse als die Klasse, das alles ist kein Vergleich zur Markenmacht à la  Bethesda.

Dass Michel Ancel gerade seinen Abschied von Ubisoft verkündete, hat natürlich etwas mit seiner veränderten Lebensplanung und dem Tierschutz zu tun. Trotzdem nähert sich da auch den Franzosen ein Schatten; selbst EA oder Activison Blizzard könnten in diesem neuen Krieg der Spiele noch den Besitzer wechseln. Bis vor kurzem galt bekanntlich die Spielesparte von Warner als Übernahmekandidat.

Spiele sind also auch für Microsoft wieder das Gold der Zukunft, dem ja auch alle Analysten stabile Umsatzsteigerungen prophezeien. Den Verantwortlichen gebührt auch Respekt dafür, dass dieser Coup im Zeitalter der Leaks so lange unter Verschluss blieb.

Die spannende Frage ist jetzt gar nicht, ob Sony darauf reagieren kann und will. Wenn man der Logik der Branche folgt, sind sie mittelfristig dazu gezwungen. Sie haben sich mit Insomniac Games verstärkt, besitzen damit 14 Studios, haben den PC-Markt überraschend offensiv im Blick und sind weiter auf der Suche nach Verstärkungen. Und die sind wichtig.

Denn jetzt liegt "nur" das Momentum bei Microsoft, das höchstwahrscheinlich viele unentschlossene Käufer mit der Aussicht auf Bethesdas Spiele von der Xbox Series X überzeugen kann. Aber in drei bis fünf Jahren können sie Sony mit dieser Breitseite an Studios überholen. Sie wollen der führende Spiele-Publisher werden und versuchen auf dem Weg dorthin auch Streaming, Cloud-Technik & Co clever in den Service zu integrieren.

Eines ist sicher: Diese spektakuläre Übernahme wird nicht die letzte gewesen sein. Und der Spieler müsste von diesem qualitativ verschärften Wettbewerb profitieren.


Jörg Luibl
Chefredakteur

PS: Von diesem Kommentar gibt es auch eine Video-Variante mit einem Überblick zum Wert einiger Spiele-Publisher.


 

Kommentare

Pulsedriver30 schrieb am
Usul hat geschrieben: ?07.10.2020 02:20
Pulsedriver30 hat geschrieben: ?07.10.2020 00:47Wir werden zukünftig nicht mehr selber entscheiden können.
Ich will nichts gegen deine These sagen, aber auch in Zukunft werden wir mit Sicherheit noch selbst entscheiden. Zwingen kann dich niemand, den Game Pass zu abonnieren. Es wird sicher auch Spiele geben, die man nicht nur im Game Pass spielen kann. Und selbst wenn nicht: Man kann sich dann immer noch entscheiden, auf neue Spiele zu verzichten.
Kurz: Jeder entscheidet für sich selbst. Keiner wird zu etwas gezwungen. Das schafft auch MS nicht. Zumindest nicht in der Unterhaltungsbranche.
Wie Du bereits schreibst funktioniert deine "freie Entscheidung" dann nur noch, wenn Du auf die Spiele verzichtest, sofern sie nur im Gamepass erscheinen. Wenn du nicht darauf verzichten willst, wirst du Dir früher oder später dann doch den Gamepass holen müssen, wo wir dann doch wieder bei meiner zuvor geposteten Aussage wären. Ich hoffe natürlich auch, das es nicht soweit kommt und die Spiele immer auf mehrere Weisen konsumiert werden können. Aber Microsoft arbeitet in vollen Zügen daraufhin. Diese zugekaufte Exklusivität für die Umsetzung Ihres Plans hat auf jedenfall einen faden Beigeschmack.
CrayCobra schrieb am
Leon-x hat geschrieben: ?22.09.2020 20:40
CrayCobra hat geschrieben: ?22.09.2020 19:47 Wie geht das Rennen für Steam aus? Eigene Marken quasi nicht mehr am Leben und wieso sollte Microsoft dem eigenen Windows 10 Store Konkurrenz machen?
Was soll den bei Steam sein? MS haut doch alle ihre Titel momentan auf Steam raus egal ob Gears 5, Gears Tactics, Flight Simulator, Halo MCC, Sea of Thieves usw...
Ja, zur Zeit ist es so. Bleibt auch hoffentlich erhalten!
johndoe1887640 schrieb am
Puroto hat geschrieben: ?23.09.2020 09:22
rainynight hat geschrieben: ?22.09.2020 17:42 Also erstmal: Hammer-Move von Microsoft! Respekt!
Das hätte ich mir von denen schon zu 360 Zeiten gewünscht, als ich noch begeisterter Teil der Xbox Community war.
Das sind jetzt wenigstens auch mal große Namen/Marken, die man an Land gezogen hat! :Hüpf:
Sollte jetzt wirklich viel Xbox-/PC exklusiv kommen, frage ich mich allerdings, was das für mich persönlich heißt.
(Sorry, dein Post muss mal so als repräsentativer Kommentar herhalten für ähnliche Kommentare.)
Viele der Xbox-Spieler freuen sich über den Kauf. Und ich weiß eigentlich gar nicht, warum. Denn für sowohl Xbox-Spieler als auch PC-Spieler ändert sich doch nichts. Schließlich war Bethesda doch eigentlich der Publisher der von den großen im Grunde immer wirklich sämtliche Plattformen bedient hat. Sogar die Switch hat Ports erhalten von Wolfenstein & Co.
Die einzigen, für die sich was ändert sind die PlayStation- und Nintendo-Spieler. Denn die verlieren ja nun Fortsetzungen von den großen Marken.
Also rührt die Freude nur daher, dass andere jetzt weniger haben?
Kannst mich gerne zitieren - kein Problem.
Allerdings versteh ich es nicht ganz. Ich als Sony Only Gamer, der von der 360 kam, freue mich für Xbox bzw. dessen treue Fans (nach den Jahren der leeren Versprechen), dass die jetzt auch mal wirklich was Großes an Land gezogen haben. Etwas, was ich mir damals, als ich eben noch bei MS war, immer gewünscht hatte, da Sony ihnen echt die Butter vom Brot genommen hat.
Nachdem ich MS ja oft nur kritisiert habe und deswegen ja auch zur Konkurrenz bin, denke ich ist nix dabei, wenn ich diesen Move auch mal anerkenne. Aber am Ende bin ich ja - wenn du den Rest meines Postings liest - vielleicht ja selbst Leidtragender, da ich eigentlich nur ne PS geplant habe. Wie ich das zukünftig sehe, wird sich zeigen.
Aber wie so oft kann man es schreiben wie man will - es gibt am Ende immer mindestens einen, der einem schlechte Absichten...
Usul schrieb am
Pulsedriver30 hat geschrieben: ?07.10.2020 00:47Wir werden zukünftig nicht mehr selber entscheiden können.
Ich will nichts gegen deine These sagen, aber auch in Zukunft werden wir mit Sicherheit noch selbst entscheiden. Zwingen kann dich niemand, den Game Pass zu abonnieren. Es wird sicher auch Spiele geben, die man nicht nur im Game Pass spielen kann. Und selbst wenn nicht: Man kann sich dann immer noch entscheiden, auf neue Spiele zu verzichten.
Kurz: Jeder entscheidet für sich selbst. Keiner wird zu etwas gezwungen. Das schafft auch MS nicht. Zumindest nicht in der Unterhaltungsbranche.
Pulsedriver30 schrieb am
huibuh hat geschrieben: ?21.09.2020 23:10
Eines ist sicher: Diese spektakuläre Übernahme wird nicht die letzte gewesen sein. Und der Spieler da draußen müsste von diesem qualitativ verschärften Wettbewerb profitieren.
Inwiefern soll der Spieler denn davon profitieren? Das geht eher in die Richtung, wie im Streamingmarkt und der Konsument braucht am Ende mehrere Anbieter und zahlt dadurch mehr.
Sehe ich auch so. Profitiert hätten wir nur wenn Microsoft mal seinen Ars... hoch bekommen hätte und eigene Studios mit eigenen qualitativ hochwertigen Spielen hervorgebracht hätten.
Ich sehe durch diese Maßnahme sogar eher einen größeren Negativpunkt auf uns zukommen: Wir werden zukünftig nicht mehr selber entscheiden können. Uns wird hier quasi der Pass aufgezwungen je mehr Studios gekauft werden. Und wenn dann genug Studios weg vom freien Markt sind, werden die monatlichen Preise schnell wieder steigen um die Spiele überhaupt finanzieren zu können. Und sollte der Preis wieder Erwartens doch bleiben, werden etliche Spiele qualitativ eher schlechter werden oder sogar kpl. vom Markt verschwinden, da sie ja dann als unrentabel gelten würden.
Microsoft scheint für manchen Fan jetzt der Held zu sein, aber für manch zukünftige Spiele-Entwicklung könnten und werden solche Schritte den Untergang bedeuten.
Ich für meinen Teil werde solange es geht diesen Trend nicht unterstützen. Der Vielfalt zuliebe sollte man sich diesen Schritt genau überlegen.
schrieb am