Microsoft geht mit Bethesda "All in"
Microsoft kauft ZeniMax samt Bethesda für 7,5 Milliarden Dollar. Und das gibt man einen Tag (!) vor dem Start der Vorbestellungen für Xbox Series S und X am 22. September bekannt - wow, was für ein eindrucksvolles Manöver! Das ist nicht weniger als ein Erdbeben für die Spielebranche, das das bisherige Machtgefüge im Wettbewerb kräftig verschieben könnte.
Redmond meint es diesmal wirklich ernst: Sie wollen die Spieler zurückgewinnen, die man in den letzten Jahren fast schon fahrlässig aufgegeben hatte. Man kann zwar durchaus sagen, dass da zwei heiraten, deren Image in den letzten Jahren, wenn auch unterschiedlich stark, gelitten hat - auch Bethesda hatte sich mit Fallout 76 sowie Account-Zwängen in die Nesseln gesetzt.
Aber das ist mit dieser Superfusion alles Schnee von gestern. Man erweitert nicht nur schlagartig sein Portfolio um einige der erfolgreichsten Marken: The Elder Scrolls, Fallout und Doom, dazu Wolfenstein und Dishonored. Hinzu kommen ja über ein halbes dutzend Studios: Bethesda Game Studios, id Software, ZeniMax Online Studios, Arkane, MachineGames, Tango Gameworks, Alpha Dog und Roundhouse Studios. Die exklusiv für Microsoft arbeitende Entwicklerfamilie wächst von 18 auf 25, die Mitarbeiter um 2300!
Auch wenn man vieles natürlich weiter mit einem PC zocken kann, verliert Sony in den nächsten Jahren höchstwahrscheinlich einige der attraktivsten Multiplattformtitel. Oder warum sollte ein The Elder Scrolls VI "nur" zeitexklusiv für Xbox Series X und PC erscheinen? Man muss konkrete Ansagen abwarten, aber Microsoft hat quasi alle Joker in der Hand. Fest steht bisher nur, dass Deathloop und GhostWire: Tokyo wie von Bethesda angekündigt noch konsolenexklusiv für die PS5 sowie den PC erscheinen - allerdings nur für eine bestimmte Zeit von vermutlich einem Jahr, bevor sie auch für Xbox Series X erscheinen.
Natürlich war diese Strategie abzusehen, nachdem man u.a. DoubleFine, Ninja Theory, Obsidian und inXile kaufte. Aber sie gehen mit diesem Manöver "All in" - nicht finanziell, da hat Microsoft weitaus mehr Reserven, aber mit dem Bekenntnis zu einer nachhaltig, auf fünf bis zehn Jahre geplanten Zukunft der Spiele-Entwicklung. Sie haben nicht nur einige potenzielle neue Top-Marken wie Starfield, sondern genug etablierte Trümpfe in der Hand, um Spieler langfristig an die Xbos Series X zu binden - auch der GamePass wird nach EA Play durch Bethesdas Titel nochmal gehörig aufgewertet: Das ist eine Monster-Bibliothek.
Damit schließt man zudem eine Lücke für zwei Zielgruppen, denn Bethesda entwickelt sowohl die großen Spiele für Solisten, die in den letzten Jahren auf PlayStation 4 so faszinierten, als auch erfolgreiche Online-Titel, die langfristig Geld in die Kasse spülen. Gerade der im Gegensatz zu PlayStation-Europa stark umkämpfte amerikanische Markt dürfte damit in Zukunft von Microsoft dominiert werden.
Aber das ist keine Übernahme alleine gegen Sony oder die Marktmacht der PlayStation, sondern auch eine strategische Maßnahme im globalen
Krieg der Spiele. Dazu gehören die Big Five, darunter neben Microsoft auch Facebook, Apple, Amazon und Google, zudem nicht zu vergessen Tencent. Den größten Umsatz mit Videospielen machen weder EA noch Activision Blizzard oder Sony, sondern dieser chinesische Konzern mit knapp 20 Milliarden Dollar im Jahr 2018. Und sie wollen mehr.
Wer in diesem Wettbewerb ernsthaft wachsen will, der muss weiter fressen: Wer nicht wächst, der stirbt. Dieser ökonomischen Mahnung folgen viele Unternehmen. Das wissen alle Publisher in der zweiten und dritten Reihe wie etwa die Embracer Group, weshalb sie sich in den letzten Jahren so mit Lizenzen und Studios aufplustern. Aber sie haben - sorry - eher die Masse als die Klasse, das alles ist kein Vergleich zur Markenmacht à la Bethesda.
Dass Michel Ancel gerade seinen Abschied von Ubisoft verkündete, hat natürlich etwas mit seiner veränderten Lebensplanung und dem Tierschutz zu tun. Trotzdem nähert sich da auch den Franzosen ein Schatten; selbst EA oder Activison Blizzard könnten in diesem neuen Krieg der Spiele noch den Besitzer wechseln. Bis vor kurzem galt bekanntlich die Spielesparte von Warner als Übernahmekandidat.
Spiele sind also auch für Microsoft wieder das Gold der Zukunft, dem ja auch alle Analysten stabile Umsatzsteigerungen prophezeien. Den Verantwortlichen gebührt auch Respekt dafür, dass dieser Coup im Zeitalter der Leaks so lange unter Verschluss blieb.
Die spannende Frage ist jetzt gar nicht, ob Sony darauf reagieren kann und will. Wenn man der Logik der Branche folgt, sind sie mittelfristig dazu gezwungen. Sie haben sich mit Insomniac Games verstärkt, besitzen damit 14 Studios, haben den PC-Markt überraschend offensiv im Blick und sind weiter auf der Suche nach Verstärkungen. Und die sind wichtig.
Denn jetzt liegt "nur" das Momentum bei Microsoft, das höchstwahrscheinlich viele unentschlossene Käufer mit der Aussicht auf Bethesdas Spiele von der Xbox Series X überzeugen kann. Aber in drei bis fünf Jahren können sie Sony mit dieser Breitseite an Studios überholen. Sie wollen der führende Spiele-Publisher werden und versuchen auf dem Weg dorthin auch Streaming, Cloud-Technik & Co clever in den Service zu integrieren.
Eines ist sicher: Diese spektakuläre Übernahme wird nicht die letzte gewesen sein. Und der Spieler müsste von diesem qualitativ verschärften Wettbewerb profitieren.
Jörg LuiblChefredakteur
PS: Von diesem Kommentar gibt es auch eine Video-Variante mit einem Überblick zum Wert einiger Spiele-Publisher.