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KW 14
Montag, 04.04.2011

GabeStop - Wer tritt gegen Steam an?


Wie groß der Markt für digital vertriebene Spiele ist, lässt sich derzeit nur schwerlich sagen: Keiner der großen Anbieter lässt sich in die Karten schauen und gewährt Zugang zu konkreten Absatzzahlen. Was bleibt, sind Schätzungen einiger Marktforscher, die oft irgendwo zwischen grandioser Unter- und Übertreibung schwanken. Dass der Bereich aber eine Boomphase durchläuft und weiter durchlaufen wird, dürfte unbestritten sein. Und was erwartet uns in der näheren Zukunft?

Steam hat in den vergangenen anderhalb Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen. Damit meine ich wohlgemerkt nicht die Marktstellung - die Nummer 1 unter den Distributionsplattformen war Valves Online-Dienst seit jeher mit großem Abstand, hatte das Studio doch schon mit dem Aufbau begonnen, als andere Unternehmen digitale Distribution von 'großen' Spielen für eine völlige Utopie hielten.

Bisher hatten andere Händler das Treiben Valves eher schweigend begleitet. Mit der Einführung von SteamWorks begann jetzt die direkte Konkurrenz damit, sich erstmals laut zu beschweren. Anbieter wie Impulse boykottierten so z.B. Call of Duty: Modern Warfare 2 und dessen Nachfolger. Es sei schließlich bedenklich, Spiele zu verkaufen, mit denen die Kunden letztendlich dank eines vorausgesetzten Steam-Kontos irgendwann immer beim direkten Mitbewerber landen.

Auch dem traditionellen Handel schwant sicherlich schon seit einiger Zeit, welche Marktanteile ihm Steam schon derzeit, erst recht aber in der Zukunft abknöpfen wird. Britische Ketten - die PC-Spiele eigentlich wie US-Anbieter eher wenig umgarnen - dürften nur die ersten gewesen sein, die öffentlich über Valves Schachzüge klagen.

Marktführer neigen oft dazu, irgendwann in einen festgefahrenen Trott zu verfallen und Innovationszyklen zu verschlafen. Den Mannen um Gabe Newell ist es bisher hingegen gelungen, genau jene Falle zu vermeiden und Steam kontinuierlich auszubauen, während die Konkurrenz - mit einer noch zu erwähnenden Ausnahme - hinterherennt, meist aber nicht so recht folgen kann. Und während die unter Mitgliederschwund leidende PC Gaming Alliance noch darüber sinniert, dass man die Hersteller dazu animieren will, mit PC-Spielen auch das Wohnzimmer zu erobern, ist Valve längst dabei, Steam fernsehtauglich zu machen. Die regelmäßigen Sonderangebote und saisonalen Verkaufsaktionen, die man einst auf Steam einführte, haben andere Plattformen - PSN und Xbox Live inklusive - mittlerweile kopiert.

Und während andere noch damit beschäftigt sind, in Sachen Funktionsumfang aufzuholen, hat man bei Valve den Fuß woanders in der Tür: Mit Portal 2 wird Steam bzw. SteamWorks auch in der Konsolenwelt Tür und Tor geöffnet. Interessant dürfte vor allem sein, wie weit Valve sich mit der eigenen Plattform in das PSN vorwagen darf. Dass man PS3-Besitzern die PC-Version als kostenlose Dreingabe spendiert, ist natürlich nichts anderes als ein cleverer Trick, die eigene Reichweite zu vergrößern. Geld verliert der Hersteller damit nicht wirklich, würde doch kaum ein Spieler beide Fassungen kaufen - zumindest nicht im Vollpreisbereich. Jeder PS3-Nutzer, der sich aber aus Neugier einen Steam-Account erstellt, ist ein potenzieller Kunde, der das komplette Angebot auf der Plattform vielleicht noch nie gesehen hat, weil er primär an einer Konsole spielt; was vor allem in Nordamerika nicht ungewöhnlich ist. Statt sich darüber aufzuregen, dass Käufer der PS3-Version vermeintlich mehr für ihr Geld bekommen, sollten gestandene PC-Spieler wohl eher anerkennend nicken, lockt Valve doch so weitere Leute zu ihrer eigenen Lieblingsplattform.

Blizzard, Stardock, GfW Live

Wer aber kann Valve mittelfristig herausfordern? Aufgrund des zeitlichen Vorsprungs konnten Newell & Co. eine großen Nutzerbasis aufbauen. Und viele Spieler dürften schon aus Gründen der Bequemlichkeit darauf erpicht sein, ihre Spiele bei einem Anbieter zu bündeln, anstatt viele verschiedene Accounts zu verwalten. Die einzigen Hersteller, die es sich leisten können oder müssen, Steam zu umgehen, sind jene, deren Produktionen als Zugpferd für die eigene Plattform herhalten müssen - Blizzard und Stardock.

Wenn man den bisherigen Gerüchten und Andeutungen glauben darf, will Blizzard sein Battle.net vielleicht irgendwann auch für die Spiele anderer Hersteller öffnen. Sollte Activision dann z.B. sein komplettes Portfolio von Steam abziehen und exklusiv dort anbieten, würde der Hersteller Valve schon allein aufgrund des Fehlens kommender Call of Duty-Spiele eine kleine Umsatzdelle verpassen. Battle.net hat allerdings auch einen Makel, der die Plattform daran hindern dürfte, eine derartig große Bibliothek anbieten zu können wie Steam: Konkurrenten wie Electronic Arts dürften kein Interesse daran haben, Kotick & Co. mit jedem verkauften Spiel am eigenen Umsatz zu beteiligen. Valve hingegen veröffentlicht ein bis zwei Spiele pro Jahr und hat deswegen eher den Status eines Neutrums.

Games for Windows Live? Alle Jubeljahre kündigt Microsoft irgendeine Produktoffensive an. Man habe ja endlich verstanden, was so schlecht an der Online-Plattform war, und gelobe Besserung. Das ist mittlerweile zum Software-Äquivalent von 'Der Junge, der Wolf schrie' mutiert - irgendwann werden solche Ankündigungen nicht mehr ernst genommen. Auf jeden Aktionismus folgt irgendwann wieder die nächste Schlafphase. Das Stöhnen, das jedes Mal durch die Foren geht, wenn ein Spiel wie Bulletstorm mit GFW Live-Einbindung daherkommt, ist Zeugnis des bescheidenen Rufs, den das System bei hartgesottenen Spielernaturen hat.

OnLives erste Schritte

Anders als Impulse & Co. kann sich OnLive hingegen deutlich stärker von bisher existierenden Ansätzen abgrenzen, da hier die Software gar nicht mehr selbst vertrieben, sondern per Stream serviert wird. Entgegen der frühen (auch von mir geteilten) Skepsis hinsichtlich der Praxistauglichkeit hat das System die Vaporware-Gefilde hinter sich gelassen: Seit dem vergangenen Juni wird OnLive in den USA offiziell angeboten. Für Gelegenheitsnutzer dürfte das bisher gebotene Niveau ausreichen. Der harte Kern der Spielerschar dürfte hingegen weiterhin lieber die volle Auflösung bei voller Bildqualität genießen wollen, auch macht sich die Latenzzeit bei einigen Genres wie Shootern dann doch bemerkbar. Letzteres Problem soll allerdings angeblich mit dem nächsten großen Update behoben werden.

Auch durch einen anderen Umstand wird der potenzielle Kundenkreis für Stream-Angebote in der näheren Zukunft nicht die Reichweite von Steam erreichen: Wenn man die Geduld aufgebracht hat, ein Spiel herunterzuladen, kann man es bei herkömmlichen Download-Anbietern auch mit einer mäßigen Internet-Anbindung genießen. Für einen Stream mit einer 720p-Auflösung und 30 Bildern pro Sekunde wird bei OnLive eine Leitung mit 5 Mbit/s vorausgesetzt. Wohl dem, der die einzige surfende Person in seinem Haushalt ist. Wenn man etwas über den Tellerrand schaut, erblickt man außerdem  einige Länder, wo es selbst bei Festnetzverbindungen noch monatliche Beschränkungen hinsichtlich des Datenvolumens gibt. Die Stream-Anbieter dürften außerdem äußerst aufmerksam den derzeit in den USA und Kanada ausgefochtenen Kampf um die Netzneutralität und dessen Implikationen verfolgen.

Kurzum: Derzeit noch in den Babyschuhen steckend, bietet OnLive womöglich einen Einblick in das, was für unsere Kinder und Enkel schon völlig normal sein wird - im Guten wie im Schlechten. Es sollte auch nicht verwundern, wenn Valve schon seit einiger Zeit fleißig darüber nachdenkt, wann und wie Stream-Technologie (zuerst sicherlich: nur optional) in Steam integriert wird.

Bei all dem Gerede um OnLive & Co. darf natürlich nicht vergessen werden, dass der Browser schon seit geraumer Zeit eine Spieleplattform ist und von entsprechenden Anbietern beackert wird. Deren Portale sind letztendlich Zwitter, die beide Welten kombinieren: Spiele werden heruntergeladen und lokal ausgeführt, man kann sie allerdings einfach jederzeit und überall dort konsumieren, wo ein Browser nebst Internet-Anbindung vorhanden ist. Dank entsprechender Wrapper und Plug-ins ist man keineswegs auf die Spiel- und Steuermodalitäten festgelegt, die viele bisher mit Browsern assoziierten.

Ein Konzern bläst zum Angriff

Wer sonst könnte Valve noch zu Leibe rücken? Gamestop. Die Kette hat schon vor einiger Zeit angekündigt, sich auch stärker im Online-Bereich zu engagieren. Nachdem man vor einiger Zeit mit der Übernahme des Flashspiel-Portals Kongregate kurz in den Markt reingeschnuppert hatte, schlug man in der vergangenen Woche gleich doppelt zu und schluckte Impulse und Spawn Labs.

Dass Impulse einen neuen Besitzer hat, überrascht nicht wirklich angesichts der Ambitionen Gamestops. Dort wollte man das Rad nicht neu erfinden. Der von Stardock ins Leben gerufene Download-Dienst hat bereits einen Kundenstamm und kommt laut eigener Schätzung bei den Download-Plattformen auf einen Marktanteil von zehn Prozent. Auch hat man man deutlich mehr Funktionen (Achievements, Ranglisten etc.) sowie eine ausgereiftere DRM-Lösung (Reactor) an Bord als andere Mitbewerber, deren Abstand zum SteamWorks-Aufgebot deutlich größer oder mangels eigener Entwicklungen nicht erfassbar ist.

Mit Spawn Labs versucht man gleichzeitig noch einen Fuß in die Stream-Tür zu bekommen: Im Webshop soll man so direkt und unkompliziert allerlei Spiele - auch Konsolentitel - direkt ausprobieren können. Noch interessanter: Wer sich ein Spiel mit einem handelsüblichen Datenträger kauft, soll es zukünftig über einen Abo-Dienst außerdem noch als Stream-Version nutzen können; ortsunabhängig und an jedem Gerät, für das der Stream-Client zur Verfügung steht.

Der Gamestop-Deal ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Mit dem Impulse-Verkauf investiert der Konzern erstmals Ressourcen in den bisher eher stiefmütterlich behandelten PC-Bereich: Wer in den USA nach PC-Spielen sucht und eine Gamestop-Filiale betritt, muss immer noch eine Lupe und viel Spürsinn mitbringen. Außerdem hat das Unternehmen die Ressourcen und die Marktmacht, um der digitalen Konkurrenz Anteile anzuknöpfen.

Da das in hiesigen Gefilden vielleicht unterschätzt wird, da Gamestop in Deutschland nicht die gleiche Stellung hat wie in den USA, helfen ein paar Zahlen: Im vergangenen Jahr hat Gamestop 9,47 Mrd. Dollar erwirtschaftet - mehr als Activision Blizzard und Electronic Arts zusammen. Die Kette ist außerdem noch vor Konzernen wie Wal-Mart der größte Einzelkunde der meisten Publisher. So entfielen im vergangenen Geschäftsjahr 16 Prozent der Einnahmen von EA auf Gamestop. Im Falle von Activision Blizzard waren es 'nur' zwölf Prozent - wenn man allerdings noch die Abo-Einnahmen von World of Warcraft aus dem Umsatz rausrechnet, ergibt sich auch hier ein recht eindeutiges Bild.

Da es sich kein größerer Publisher mit seinem potentesten Abnehmer verscherzen will, wird man auch dessen Digitalplattform nicht ignorieren können. Auf Impulse dürfte es ab Mai - dann nämlich ist die Übernahme abgeschlossen - deutlich mehr Spiele, Sonder- und Kombo-Angebote geben als zuvor. Sollte es Gamestop zudem tatsächlich gelingen, wie geplant und gezeigt Konsolentitel ins hauseigene Stream-Aufgebot zu hieven, wird man auch bei OnLive einen Gang hochschalten müssen. Spiele für Xbox 360 & Co. gibt es dort derzeit gar nicht. Auch sind die meisten neuen Produktionen teuerer als die jeweilige Retailfassung, obwohl man ein Spiel dort je nach Vertragslage mit dem Publisher quasi vorerst nur drei bis vier Jahre gemietet hat.

Auch wenn Gamestop nicht bei allen Spielern einen gut Ruf genießt: Die kommende Konkurrenz im Online-Bereich zwischen Steam und Gamestop, Battle.net und OnLive, aber natürlich auch Browserspiel-Anbietern kann für den Kunden am Ende nur fruchtbar sein.

Auf Plattformen wie Xbox Live wird jenes Geplänkel keine unmittelbaren Auswirkungen haben. Hier handelt es sich um geschlossene Systeme, an denen die Konsolenhersteller mit Sicherheit keine dritte Partei partizipieren lassen wollen. Es stellt sich allerdings die Frage, wie der Markt in 20, 30 Jahren aussehen wird. Werden die etablierten Firmen, vielleicht auch noch Apple und Unternehmen, die bisher niemand auf dem Plan hat, selbst zu Online-Anbietern, die ihren Kampf mit Settop-Boxen und in Bildschirmen integrierten Lösungen ausfechten statt mit herkömmlichen Konsolen? Oder dreht sich das eigentliche Gefecht dann darum, wer die tauglichste und attraktivste Server-Technologie hat? Eine Plattform mit mehreren Anbietern? Denis Dyack lässt grüßen.

Was auch immer passiert - unsere Enkel werden uns sicherlich fasziniert und verwundert angucken, wenn wir ihnen erzählen, dass es Zeiten gab, in denen man Spiele noch im Laden gekauft hat.


Julian Dasgupta

Redakteur


 

Kommentare

Exedus schrieb am
Skippofiler22 hat geschrieben:Gut, das ist ein Vorteil, wenn man ein Steam-Account hat. Dann kann man auch Half Life 1 spielen, oder sehe ich da was falsch?
Oder sowas hier zb http://store.steampowered.com/sub/7095/
Oder hier http://store.steampowered.com/search/?developer=SEGA
Immer wenn ich höre das man ja in Zukunft keine Klassiker mehr spielen kann muss ich ein wenig schmunzeln.
Ich mein es ist ja nicht so das man in den nächsten Laden geht und sich ein Atari 500 oder ein Commodore 64 kaufen kann.
Es gibt ja sogar Spiele die gar nicht mal so alt sind aber dennoch nicht auf Windows Sieben laufen.
Skippofiler22 schrieb am
Gut, das ist ein Vorteil, wenn man ein Steam-Account hat. Dann kann man auch Half Life 1 spielen, oder sehe ich da was falsch?
tschief schrieb am
mr_code_red hat geschrieben:
Die kommende Konkurrenz im Online-Bereich zwischen Steam und Gamestop, Battle.net und OnLive, aber natürlich auch Browserspiel-Anbietern kann für den Kunden am Ende nur fruchtbar sein.
Nein die kommende Konkurrenz kann nur FURCHTBAR sein...
VERDAMMTES ASS ich will nicht noch einen account erstellen und noch einen weiteren unnötigen Parasiten zwischen mir und meinem Hobby haben.
Versteht mich denn niemand ?
Merkt ihr denn nicht, dass wir die Kontrolle verlieren ?
Wenn es zu C64 Zeiten soetwas gegebn hätte, wäre es heute nicht mehr möglich alte klassiker zu zocken, weil die server im laufe der Jahre irgendwann einfach aufgrund des nichtmehr rentablen Geschäftes offline gegangen wären und alle so erworbenen Spiele über nacht für immer verloren wären.
Genauso, wie jedes MMORPG irgendwann nicht mehr spielbar sein wird.
Schon mal was von Preiskampf gehört. Der wird fruchtbar sein. Dass du Accounts erstellen musst, lässt sich JETZT nicht mehr ändern, dieser Schritt ist getan, und lässt sich nicht umkehren.
Übrigens, ich nehme an, dass du mit Steam nichts zu tun hast: Auf Steam kannst du jetzt noch alte Klassiker spielen, soviel dazu :P
mr_code_red schrieb am
Die kommende Konkurrenz im Online-Bereich zwischen Steam und Gamestop, Battle.net und OnLive, aber natürlich auch Browserspiel-Anbietern kann für den Kunden am Ende nur fruchtbar sein.
Nein die kommende Konkurrenz kann nur FURCHTBAR sein...
VERDAMMTES ASS ich will nicht noch einen account erstellen und noch einen weiteren unnötigen Parasiten zwischen mir und meinem Hobby haben.
Versteht mich denn niemand ?
Merkt ihr denn nicht, dass wir die Kontrolle verlieren ?
Wenn es zu C64 Zeiten soetwas gegebn hätte, wäre es heute nicht mehr möglich alte klassiker zu zocken, weil die server im laufe der Jahre irgendwann einfach aufgrund des nichtmehr rentablen Geschäftes offline gegangen wären und alle so erworbenen Spiele über nacht für immer verloren wären.
Genauso, wie jedes MMORPG irgendwann nicht mehr spielbar sein wird.
schrieb am