Der Reiz der Durchschnittlichkeit
Was ich dieses Jahr u.a. noch nicht angefasst habe: Forza 4, Batman: Arkham City, Saints Row: The Third, Zelda: Skyward Sword, Skyrim, Uncharted 3, Dark Souls, DiRT 3.
Was ich privat durch- oder zumindest länger als zum Test unbedingt nötig gespielt habe: X-Men Destiny, Disney Universe, Air Conflicts: Secret Wars, Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2.
Die Frage ist also: Was stimmt nicht mit mir? Da liegt Portal 2, eines der nachweislich cleversten und unterhaltsamsten Spiele aller Zeiten, gelangweilt bei mir herum, und ich rege mich lieber über die unfassbar beschissene Gummiband-KI in Need for Speed: The Run auf, während ich vom West- zum Ostend der USA rase. Okay, zugegebenermaßen hat das nicht mal so lang gedauert wie das Ansehen der Blu-ray von Transformers 3, aber die seelische Qual war in etwa vergleichbar. Gears of War 3 habe ich durchgespielt, aber verteilt auf einen Zeitraum von zwei Monaten - weil ich zwischendurch einfach keine Lust auf die gepanzerten Nervbacken und ihre Kettensägenbajonette hatte und mich lieber an den Grinsefiguren von Disney Universe erfreute. Ist es Übersättigung, ist es ein Gendefekt, bin ich einfach zu alt für den Scheiß? Danny Glover, hilf!
Ich denke, dass der Grund vor allem darin liegt, dass es ab und zu einfach gut tut, nicht nur die auf Perfektion polierte Hochglanzware vor sich zu haben, sondern einfach tatsächlich, frei nach der DWS-Werbung, gelegentlich absichtlich zum zweitbesten Fisch oder Steak zu greifen. Warum geht man denn freiwillig zu McDonalds, wenn nicht weit entfernt ein Block House wartet? Das Geld mag eine Rolle spielen, aber ich denke, dass es auch damit zu tun hat, dass man nicht immer das Geilste vom Geilsten braucht. Ab und zu will man einfach nur satt werden, ohne dass man dazu nur die feinsten Zutaten verschlingen muss. Genau so ist das auch bei Spielen: Klar möchte ich nie wieder ohne God of War sein, aber zwischendurch bereitet mir auch ein halbgarer Klon wie X-Men: Destiny Freude. Die Spielewelt wäre ohne Bulletstorm eine schlechtere - und trotzdem hat GoldenEye: Reloaded eine Existenzberechtigung. Transformers 3: Dem Spiel habe ich im Test eine 60 an den Kopf genagelt, und trotzdem habe ich es durchgespielt. Weil es so kurz war? Weil es einfache Achievements regnete? Oder weil es mir schlicht nicht weh tat, dieses Spiel in seiner Gänze zu erleben?
Bin ich deswegen inkonsequent? Denn wenn ich damit nachweislich meinen Spaß hatte - wieso dann "nur" eine 60? Hätte dieses Spiel dann nicht mindestens eine 80 verdient? Und da wären wir mal wieder beim alten Thema der Wertungsdiskussion angelangt. Mein Punkt ist in diesem Fall folgender: Nein, das Spiel hat keine 80 verdient, nur weil es Spaß macht. Es ist genau andersrum: Nur weil es lediglich eine 60 kassierte, bedeutet das nicht, dass es keinen Spaß macht. Eine 50 ist kein Totalverriss, unter gewissen Umständen ist selbst ein 40er-Titel für den einen oder anderen launigen Nachmittag durchaus empfehlenswert.
Worauf ich hinaus möchte: Habt Mut zur Durchschnittlichkeit! Nicht jedes Spiel muss Quadruple-A sein, nicht jedes braucht Barack Obama und den Dalai Lama als Sprecher für die Zwischensequenzen, nicht jedes muss ein Terabyte an hoch aufgelösten Texturen haben. Manchmal reicht simples, uninspiriertes, durchschnittliches Design, um damit einfach nur primitiven Spaß zu haben. Nicht immer, oh nein! Aber ab und zu.
Paul KautzLeitender Redakteur
P.S.: Dead Island zählt nicht dazu. Das war selbst mir nach einer halben Stunde zu doof