Achievements oder: Ein Drama in fünf Akten.
Ich mag Achievements. Wirklich. Ich mag das ploppende Geräusch des Toasts, wenn ich eines verdient habe. Es gibt mir das Gefühl, tatsächlich ein klein bisschen was erreicht zu haben. Klar hätte ich das in dem Spiel so oder so, ohne dass es mir nochmal mit einer Zahl versehen ins Gesicht gedrückt wird. Aber die Erinnerung daran ist nett, die Vergleichsmöglichkeit mit den Pappnasen auf meiner Freundesliste eine prima Sache. Und natürlich nicht zu vergessen der interne montägliche Kampf zwischen den Redakteuren, der dafür sorgte, dass man in dem
»Waaah, wie nahe ist der denn rangerückt?«-Wahn selbst Scheißdreck wie Avatar: Die Erde brennt oder Stimmt's? »gespielt« hat, nur um den Abstand zum Gamerscore-Konkurrenten wieder etwas zu vergrößern. Achievements sind die mathematisch greifbare Beute für den modernen Jäger und Sammler.
Und trotzdem habe ich mittlerweile nur noch ein Ziel: Die 100.000 zu knacken (bin bei 96.606). Danach streiche ich das Sammeln der »Cheevos« offiziell von meiner ToDo-Liste beim 360-Spielen und gebe mich, wie damals zwischen zwei Luftangriffen, dem reinen Spielgenuss hin. Schon seit langer Zeit kommen mir keine Games nur noch der Achievements wegen ins Laufwerk, auch der innerredaktionelle »Gamerscore Holiday« hat schon lange seinen Schrecken verloren - nämlich seitdem ich privat kaum noch etwas anderes als Battlefield: Bad Company 2 spiele, und da für mich punktetechnisch seit Jahren quasi nichts mehr zu holen ist. Und warum? Weil ich das Gefühl habe, dass Achievements mehr und mehr als Plattform für Sklavenarbeit oder Verarschung genutzt werden.
Beispiele? Wieso wollen mich manche Entwickler zwingen, ihr Spiel komplett anders zu spielen, als es eigentlich geplant war? Warum sollte ich beispielsweise komplett auf die Zeitlupe in F.E.A.R. verzichten oder Guitar Hero 3 auf Expert mit einem Gamepad statt des Gitarren-Controller in der Hand durchspielen? Das ist doch Schwachsinn! Genauso wie dumpfe
»Mache das und das genau 10.000 Mal!«-Erfolge - die Gears of War-Spiele und ihre »Seriously«-Achievements gehören da zu den schlimmsten Übeltätern. Warum sollte ich wie ein lobotomierter Schimpanse eine Spielewelt wieder und wieder und immer wieder nach Ratten, Federn, Vögeln, Leuchtkugeln, Flaggen, Werbeplakaten, Origamifiguren, Unterhosen oder Kothaufen durchsuchen? Hat wirklich irgendjemand Freude daran, mit 99 von 100 zu sammelnden Objekten im Inventar grausam zu verschimmeln? Wie soll ich ein Achievement erhalten, das ernsthaft von mir verlangt, dass ich im Online-Modus der Weltranglisten-Erste werde (GRAW, Fight Night Round 4)! Hallo? Ich mache aus gutem Grund nicht bei den Olympischen Spielen mit! Und wer in drei Teufels Namen hat sich bitte Nuller-Achievements ausgedacht?
»Haha, zwingen wir die Leute einfach mal dazu, 100 Mal draufzugehen (Too Human), den A-Knopf 2047 Mal zu drücken (C&C 3) oder online 20 Mal hintereinander zu verlieren (DOA4) - und dann geben wir ihnen exakt null Punkte dafür. Die Idioten werden das lieben!«Das Wort »Achievement« wurde ja nicht zufällig gewählt - es bedeutet »Erfolg«, »Leistung« und »Errungenschaft«. Und nein, ich möchte sie nicht hinterher geschmissen bekommen, sondern auch gerne ein bisschen dafür arbeiten. Aber bitte alles in Maßen, schließlich geht es hier immer noch um Videospiele und nicht darum, Präsident des Universums zu werden. Die meisten Achievements sind ja auch dankbarerweise im normalen Spielgebrauch verankert: Level geschafft, plopp, Boss besiegt, plopp, bestimmten Mehrspielerrang erobert, ploppe-di-plopp. Und es gibt ja auch positive Beispiele für den kreativen Umgang mit der Spieler-Gängelei. Ich denke z.B. mit warmen Gefühlen an »The One Free Bullet« in Half-Life 2 zurück - man musste das ganze Spiel durchspielen, und dabei exakt eine Pistolenkugel abfeuern (die man brauchte, um ein Schloss aufzuschießen). Klingt eigentlich furchtbar, nach einem der Nerv-Beispiele, die ich oben genannt habe. Aber das Spiel war so clever designt, dass man auch problemlos mit Brecheisen, Granaten, Raketen und natürlich der Gravity Gun durchkam - zack, schon hat mir das Achievement clever dazu verholfen, ein eh schon fantastisches Spiel auf eine sehr interessante Art und Weise neu zu erleben. Das ist aber leider viel zu selten.
Ich wünschte mir, die Entwickler würden aufhören, wahnsinnig kreativ beim Achievement-Design sein zu wollen. Gebt den Leuten die Hälfte der Punkte für die Kampagne, ein Drittel für den Mehrspielermodus und der Rest erfreut Wiederdurchspieler. So haben alle etwas von dem Vergleich, und keiner muss sich verarscht vorkommen oder rotzöde Credits bis zum Ende durchsehen. Die sind nämlich wirklich, wirklich,
wirklich nicht so interessant, wie sich manche scheinbar wünschen.
Paul KautzP.S.: Ja, das Ganze betrifft auch Trophäen. Die sammle ich aber nicht. Ha! Immun!
Zum Video: Top Ten der absurdesten Achievements