von Julian Dasgupta,

Quo Vadis 2010: Spiele & Zeithürden



Zeit - ein kostbares Gut, mit dem sich Stephan Blanck von Chromatrix in einer Präsentation auf der Quo Vadis 2010 beschäftigte. Der Vortrag zum Thema 'Die Wirkung von Zeit in Computerspielen' hatte - wie viele andere Sessions auf der Entwicklerkonferenz - einen deutlichen Bezug zu browserbasierten Spielen und versuchte einerseits das Wachstum jener Plattform zu erklären, andererseits auch Implikationen für kommende Spiele abzuleiten.





Laut statistischem Bundesamt habe der Durchschnittsbürger pro Werkttag ca. sechs Stunden für Freizeitaktivitäten zur Verfügung (15- bis 20-jährige: nur 5,2 Stunden), am Wochenende gar acht. Bei den häufigsten Freizeitaktivitäten dominierten das Konsumieren von Musik vor dem Fernsehen und dem Treffen anderer Leute. Computer- und Konsolenspielen landeten insgesamt auf Platz 9. Im Schnitt verbringe man 228 Minuten vor dem Fernseher und 182 Minuten in der Nähe des Radios.

Der große Anteil jener Aktivitäten sei allerdings auch nicht unbedingt überraschend, so Blanck, schließlich könne man sie auch problemlos nebenbei konsumieren und im Hintergrund laufen lassen.

Beim Vergleich des Zeitbudgets für Unterhaltungssoftware in Deutschland, Großbritannien, den USA und Japan fielen zwei Dinge sofort auf: In Deutschland ist der Konsolenanteil nach wie vor geringer als in den anderen Märkten. Auch ist der Online-Anteil in den USA deutlich höher. Einer der Hauptgründe: Facebook-Applikationen und Online-Portale würden dort vergleichweise schon viel mehr (vor allem weibliche) Spieler an sich binden. Laut einer Nielsen-Untersuchung würden Internet-Nutzer außerdem mittlerweile umgerechnet 10,8 Minuten pro Tag auf Facebook & Co. verbringen. Von der Nutzungszeit her hätten soziale Netzwerke das Medium Email demnach schon vor einem Jahr überholt.





Spiele hätten einen höheren Bedarf an Exklusivität in der Nutzung, führte Blanck dann weiter aus. Das oftmals beworbene Merkmal der Interaktivität sei gleichzeitig eine Hürde im Wettbewerb mit anderen Möglichkeiten, die Freizeit zu verbringen.





Wer sich mit anderen Leuten treffen wolle, sei an bestimmte Orte und Zeiten gebunden. Die Entkopplung vom Ort sei einer der Gründe für den Erfolg von MMO-Titeln wie World of Warcraft, die Menschen eine ortsunabhängige Sozialisierung ermöglichen würden. Allerdings würde hier noch eine Zeitbindung bestehen. Die meisten Browser-Titel hätten den Vorteil, asynchrones Spielen zu ermöglichen und würden somit mehr Spieler ansprechen können. Generell würde man mit synchronen Multiplayer nur etwa 20 Prozent des potenziellen Publikums erreichen.

Neben dem zeitflexiblen Konsum sei auch der kostenflexible Faktor relativ wichtig. Für klassische Retail-Titel gelte: Sie kosten 50 bis 60 Euro und würden danach im Laufe der Zeit über Preissenkungen bzw. Zeit- und Drittverwertung weitere Kunden erreichen. Bei Free-to-play-Titeln sei das anders: Dort würde man schon vom Launch an jene Erreichen, die kein oder nur wenig Geld ausgeben wollen. Gleichzeitig spreche man aber auch den kleinen Prozentsatz an Spielern an, die durchaus bereit sind, mehr als 1000 Euro pro Monat zu investieren. (Die würden den Herstellern klassischer Retail-Spiele größtenteils entgehen, da der Preis jener Titel fix ist.) 





Blanck legte dann dar, dass die Länge der Einstellungen bei Filmen in den vergangenen 30 Jahren deutlich abgenommen hat. Die Filme der "MTV-Generation" hätten deutlich mehr Schnitte. Dies sei auch Zeugnis der Tatsache, dass der Freizeitkonsum der Nutzer tendenziell immer mehr in Form kleinerer, flexibler Häppchen stattfindet.





Spiele, die vom Spieler verlangen, pro Tag mehr als eine Stunde am Stück zu investieren, würden insgesamt also weniger Leute erreichen können als solche, die auch mit 20-minütigen Portionen funktionieren. Manchmal sei eben ein Spiel attraktiver, das man nur zwei Minuten am Stück, dafür aber fünf Mal pro Tag spielen kann. Beim hauseigenen DSA-Browserspiel habe man festgestellt, dass mehr als 75 Prozent der Nutzer weniger als fünf Minuten pro Tag mit dem Titel verbringen.





Angesichts der wachsenden Zahl an Spielen mit persistenten Welten müssten sich Spieleschöpfer auch immer stärker mit einer anderen Frage auseinandersetzen: Was passiert eigentlich in der Zeit, in der der Nutzer nicht spielt? Vorfreude sei schließlich die schönste Freude, argumentiert Blanck und verweist darauf, dass Spiele wie 'Mensch ärgere dich nicht' oder 'Die Siedler von Catan' auch dann spannend sind, wenn man selbst gerade nicht die Würfel in der Hand hält. Man müsse sich also Gedanken darüber machen, wie weit die Spielzeit in der Abwesenheit eines Spielers fortschreiten darf, ohne dass dieser den Anschluss verliert.

Blancks Fazit: Spiele würden dann möglichst viele Spieler anlocken können, wenn sie sich sowohl in kurzen als auch in langen Sessions nutzen lassen, nicht an bestimmte Zeiten bzw. Zeitpunkte gebunden sind und asynchrones Spielen ermöglichen.





Kommentare

Kajetan schrieb am
Terminator10 hat geschrieben: liegt wohl daran dass ich, trotz meines jüngeren alters, kein mtv-konsument bin. :banane:
Oh, diese Jugend von heute. Nichmal mehr MTV gucken wollen. Also, bei uns damals ...
:P
abandoned schrieb am
Kajetan hat geschrieben:
Terminator10 hat geschrieben:ich hab alles gelesen und verstehe gerade deswegen dieses argument mit den schnitten nicht. wenn ich nämlich nach der logik gehe dass dem konsumenten heute weitaus weniger zeit zur verfügung steht ...
Nein, das mißverstehst Du :) Es geht nicht darum, dass er weniger Zeit zur Verfügung hat, sondern das man denkt, er wolle sich für bestimmte Dinge nur weniger Zeit nehmen. Sprich, wenn ein Film aus langen, ruhigen Einstellungen besteht, wird der MTV-Konsument unruhig, langweilt sich schnell. Also wird das Tempo des Spielfilmes durch mehr und schnelleree Schnitte erhöht, um dieser kürzeren Aufmerksamkeitspanne Rechnung zu tragen.
aha, verstanden hab ichs jetzt, wobei der artikel das etwas schlecht ausformuliert, nachvollziehen kann ichs aber immer noch nicht.
liegt wohl daran dass ich, trotz meines jüngeren alters, kein mtv-konsument bin. :banane:
Kajetan schrieb am
Terminator10 hat geschrieben:ich hab alles gelesen und verstehe gerade deswegen dieses argument mit den schnitten nicht. wenn ich nämlich nach der logik gehe dass dem konsumenten heute weitaus weniger zeit zur verfügung steht ...
Nein, das mißverstehst Du :) Es geht nicht darum, dass er weniger Zeit zur Verfügung hat, sondern das man denkt, er wolle sich für bestimmte Dinge nur weniger Zeit nehmen. Sprich, wenn ein Film aus langen, ruhigen Einstellungen besteht, wird der MTV-Konsument unruhig, langweilt sich schnell. Also wird das Tempo des Spielfilmes durch mehr und schnelleree Schnitte erhöht, um dieser kürzeren Aufmerksamkeitspanne Rechnung zu tragen.
abandoned schrieb am
Brotkruemel hat geschrieben:
Terminator10 hat geschrieben:vorallem hat sich doch die laufzeit der filme in den letzten 15 jahren kaum verändert. ca. 90-120 minuten
Du musst schon den ganzen Absatz lesen. :lol:
Blanck legte dann dar, dass die Länge der Einstellungen bei Filmen in den vergangenen 30 Jahren deutlich abgenommen hat.
Es geht hier also nicht um die Laufzeit der Filme, sondern um die Laufzeit der Einstellungen, sprich der einzelnen Szenen bei Filmen. Und diese sind ganz eindeutig kürzer geworden. Bei machen Filmen sogar so kurz, dass es sogar einem Individuum der MTV-Generation, wie auch ich eines bin, auf die...Nerven geht.
ich hab alles gelesen und verstehe gerade deswegen dieses argument mit den schnitten nicht. wenn ich nämlich nach der logik gehe dass dem konsumenten heute weitaus weniger zeit zur verfügung steht und er immer mehr in form kleinerer häppchen konsumiert, müssten sich doch auch die laufzeit der filme in den letzten 30 jahren verkürzt haben. avatar hat aber nunmal eine laufzeit von 160 minuten.
Brotkruemel schrieb am
Terminator10 hat geschrieben:vorallem hat sich doch die laufzeit der filme in den letzten 15 jahren kaum verändert. ca. 90-120 minuten
Du musst schon den ganzen Absatz lesen. :lol:
Blanck legte dann dar, dass die Länge der Einstellungen bei Filmen in den vergangenen 30 Jahren deutlich abgenommen hat.
Es geht hier also nicht um die Laufzeit der Filme, sondern um die Laufzeit der Einstellungen, sprich der einzelnen Szenen bei Filmen. Und diese sind ganz eindeutig kürzer geworden. Bei machen Filmen sogar so kurz, dass es sogar einem Individuum der MTV-Generation, wie auch ich eines bin, auf die...Nerven geht.
schrieb am