Aktualisierung vom 17. Januar 2021, 12:45 Uhr:
Adam Badowski, Studioleiter von CD Projekt Red, hat via Twitter auf den Bloomberg-Bericht reagiert und mehrere Punkte kommentiert bzw. ausgeführt. So meinte er, dass das verallgemeinerte Bild des Unternehmens auf Basis von "nur" 20 Interviews (auch mit Ex-Mitarbeitern) ziemlich einseitig sei, schließlich würden dort 500 Leute arbeiten. Außerdem verteidigte er die Firmenkultur und widersprach der Darstellung in dem Bericht, da Jason Schreier ebenfalls angesprochen hatte, dass nicht immer "Englisch" gesprochen werde und so Sprachbarrieren im Studio herrschen würden.
Der größte Teil seiner Stellungnahme bezog sich auf die Passage über die "gefälschte Demo" auf der E3 2018. Badowski schrieb, dass es sehr schwer sei, eine echte Demo von einem Spiel zwei Jahre vor Release zu machen, wenn es keine Test-Demo oder eine "Vertical-Slice-Demo" sei. Der Studiochef meinte, dass einige Dinge aus der Demo fehlen würden, aber das große Ganze schon dem präsentierten Material entsprechen würde. Die aktuelle Version würde zudem besser aussehen und sich besser als jede Demo spielen. Spiele-Entwicklung sei kein lineares Geschehen und außerdem war das Material mit dem Zusatz "Work in Progress" gekennzeichnet. Zu den "gestrichenen Features" meinte er, dass im Laufe der Entwicklung halt bestimmte Features kommen und gehen würden und die im Bloomberg-Bericht beispielhaft angesprochenen "Car Ambushes" würden im Spiel fast genauso funktionieren wie in der Demo.
Zu den Umsetzungen für die "alten Konsolen" und der allgemeinen Bewertung als "katastrophalen Verkaufsstart" schrieb er: "Was die Old-Gen-Konsolen angeht, ja, das ist ein anderer Fall, aber wir haben uns dazu bekannt und arbeiten super hart daran, Bugs zu beseitigen (auch auf dem PC - wir wissen, dass auch das keine perfekte Version ist) und wir sind stolz auf Cyberpunk 2077 (
ab 28,09€ bei kaufen) als Spiel und als künstlerische Vision. Das alles ist nicht das, was ich als katastrophal bezeichnen würde."
Andere Aspekte wurden in dem Statement von Adam Badowski nicht kommentiert.
Ursprüngliche Meldung vom 16. Januar 2021, 15:28 Uhr:
Nach der (recht späten) Entschuldigung von CD Projekt Red über den Zustand von
Cyberpunk 2077 und dem ersten Fahrplan zur Verbesserung des Rollenspiels (
wir berichteten) gibt ein Hintergrundbericht bei
Bloomberg einen Einblick in die chaotische Entwicklung. Jason Schreier hat Interviews mit mehr als 20 aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern von CD Projekt Red geführt und mit ihnen über die letzten Jahre gesprochen. Die Befragten, von denen die meisten um Anonymität baten, berichteten von hohen Ambitionen, unkontrolliertem Ehrgeiz, schlechter Planung und technischen Mängeln. Einige Mitarbeiter zeichneten das Bild einer Firma, die sich stärker auf das Marketing als auf das Spiel konzentriert hätte und einen unrealistischen Zeitplan vorgab, der einige dazu zwang, lange vor dem Endspurt viele Überstunden zu machen. CD Projekt lehnte es laut Schreier ab, den Bericht und den dokumentierten Prozess zu kommentieren.
Adrian Jakubiak (ehemaliger Audio-Programmierer bei CD Projekt) sagte, dass einer seiner Kollegen während eines Meetings fragte, wie die Führungsetage es sich ausmalen würde, ein technisch anspruchsvolleres Projekt im gleichen Zeitrahmen wie The Witcher zu schaffen. "Jemand antwortete: 'Wir werden es auf dem Weg herausfinden.'"
Problematisch war die lange Entwicklungszeit. Das Projekt wurde 2012 angekündigt, aber die Vollproduktion startete erste Ende 2016 - sehr wahrscheinlich nach einem Neustart der Entwicklung. Studiochef Adam Badowski übernahm in dem Kontext die Leitung und verlangte eine Überarbeitung des Spielablaufs und der Story. Im nächsten Jahr (2017) wurde dann vieles geändert, einschließlich grundlegender Elemente wie die Perspektive. Führende Mitarbeiter, die an The Witcher 3 gearbeitet hatten, vertraten andere Meinungen wie das Spiel gemacht werden sollte, was zu Konflikten mit Badowski und schließlich zum Abgang mehrerer Top-Entwickler führte.
Ein Großteil des Fokus von CD Projekt Red lag laut mehreren Personen, die an Cyberpunk 2077 gearbeitet haben, darauf, die "Welt da draußen" zu beeindrucken. Auf der E3 2018 wurde z.B. ein aufwändiger Ausschnitt aus dem Spiel gezeigt. Fans und Journalisten waren von den Ambitionen und dem Umfang beeindruckt, aber sie wussten nicht, dass die Demo fast komplett gefälscht war. CD Projekt Red hatte die notwendigen Spielmechaniken noch nicht fertiggestellt, weshalb einige damals gezeigte Features im Endprodukt fehlten. Mehrere Entwickler sagten, dass sie das Gefühl hatten, dass die Realisierung der Messe-Demo eine Verschwendung von Monaten war, die besser in die Entwicklung des eigentlichen Spiels hätte fließen sollen. Die Mitarbeiter arbeiteten oft lange, obwohl Marcin Iwinski (CEO) den Mitarbeitern sagte, dass Überstunden nicht obligatorisch wären. Mehr als ein Dutzend Mitarbeiter erklärten aber in den
Interviews mit Bloomberg, dass sie sich von ihren Vorgesetzten oder Kollegen unter Druck gesetzt fühlten, trotzdem Überstunden zu machen.
Im Juni 2019 gab CD Projekt Red bekannt, dass das Spiel am 16. April 2020 erscheinen soll. Intern stieß diese Ankündigung auf Skepsis und eine Person sagte, sie hielt das Datum für einen Scherz. Basierend auf dem Fortschritt des Teams erwarteten sie einen Termin im Jahr 2022. Das Streichen von Features und die Verkleinerung des Schauplatzes halfen zwar, während das Wachstum des Teams an anderer Stelle für neue Probleme sorgte. Mehr als 500 Mitarbeiter werkelten intern an Cyberpunk 2077, aber die Mitarbeiterzahl war wohl zu groß für die Organisationsstruktur des Unternehmens, heißt es weiter. Manche Teams fühlten sich isoliert und unorganisiert. Im Vergleich zu Spielen wie
Grand Theft Auto 5 und
Red Dead Redemption 2, die als Vorbilder für Cyberpunk 2077 genannt werden, war die Teamgröße viel zu klein. Die Anzahl der Mitarbeiter der Rockstar-Games-Spiele geht in die Tausenden.
Erst Ende 2019 räumte das Management ein, dass Cyberpunk 2077 verschoben werden müsse. Bis dahin wurde das Ziel verfolgt, das Spiel
vor der Ankündigung der neuen Konsolen auf den Markt zu bringen. Auf diese Weise könnte CD Projekt das Spiel auf PC und den bestehenden Konsolen veröffentlichen und danach "doppelt" durch die Next-Gen-Konsolen profitieren. Schon damals war es der Plan, dass diejenigen, die die alten Konsolenversionen gekauft haben, kostenlose Upgrades erhalten würden. Einige Entwickler erkannten, dass Cyberpunk ein zu komplexes Spiel sei, um auf den sieben Jahre alten Konsolen gut zu laufen. Sie sagten jedoch, dass das Management ihre Bedenken mit dem Hinweis auf den Erfolg von The Witcher 3 abtat. Nach der Verschiebung auf September 2020 beeinflusste die Covid-19-Pandemie die Fertigstellung (inkl. Kommunikationsproblemen). Ohne Zugang zu den Konsolen-Entwicklungskits, die in den Büros standen, spielten die meisten Entwickler das Spiel auf ihren PCs, daher war nicht allen klar, wie Cyberpunk auf PS4 und Xbox One laufen würde. Externe Tests zeigten jedoch deutliche Performance-Probleme.
"Als der Starttermin näher rückte, wusste jeder im Studio, dass das Spiel in einem schlechten Zustand war und noch mehr Zeit brauchte, so mehrere Personen, die mit der Entwicklung vertraut waren. So fehlten z.B. einige Teile der Dialoge. Auch einige Aktionen funktionierten nicht richtig. Als das Management im Oktober verkündete, dass das Spiel den Gold-Status erreicht hätte - dass es bereit war, auf Discs gepresst zu werden - wurden immer noch große Fehler entdeckt. Das Spiel verzögerte sich um weitere drei Wochen, da die erschöpften Programmierer sich bemühten, so viel wie möglich zu beheben. Als Cyberpunk 2077 schließlich am 10. Dezember auf den Markt kam, war das Echo schnell und heftig. Spieler teilten Videos (...) und stellten Listen von Features zusammen, die versprochen wurden, jedoch nicht im Endprodukt enthalten waren", steht weiter in dem
Bloomberg-Bericht.
"Die Hoffnungen" von Cyberpunk 2077 liegen jetzt auf einem großen Comeback wie bei No Man's Sky, Final Fantasy 14 (A Realm Reborn) oder Destiny.
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