von Marcel Kleffmann,

Star Wars Ragtag - Development Hell: Zu große Vision, umständliche Führung, kaum Fortschritt und viel Chaos

Star Wars (EA) (Action-Adventure) von Electronic Arts
Star Wars (EA) (Action-Adventure) von Electronic Arts - Bildquelle: Electronic Arts
Die Umstrukturierung des Star-Wars-Action-Adventures (Codename Ragtag) von Visceral Games hat weniger mit der Abkehr von Einzelspieler-Titeln zu tun, sondern vielmehr damit, dass das Projekt eine völlige Katastrophe war (Stichwort: Development Hell). Jason Schreier von Kotaku hakte bei ehemaligen Mitarbeitern von Visceral Games nach und beschreibt in seinen Bericht zahlreiche Probleme in Zusammenhang mit der Entwicklung des Spiels, das unter der Leitung von Amy Hennig (Uncharted) entstehen sollte.

Electronic Arts bestand wohl darauf, dass das Spiel auf der Frostbite-Engine basiert. Diese Engine ist aber nicht für Spiele aus der Third-Person-Perspektive (Verfolgerperspektive) ausgelegt und deswegen musste zunächst viel Arbeit in die Engine gesteckt werden. Generell sollte in "Ragtag" der Charakter "Dodger" im Mittelpunkt stehen - quasi eine düstere Version von Han Solo. Geschichten von Gangstern, Schurken und Überfällen waren geplant, damit sich das Projekt von Uncharted unterscheiden würde. Bei mehreren Studio-Besuchen wunderten sich die Mitarbeiter von EA, dass das Spiel so wenig "ikonische Bezüge" zu Star Wars hatte, da Jedi, die Macht, Chewbacca, Sith, die Skywalker-Familie und Lichtschwerter nicht enthalten waren. EA war mit der Schurkenstory laut dem Bericht nicht so zufrieden, obwohl Visceral Games den Segen von Lucasfilm hatte. Für größere Entscheidungen benötigen sie außerdem die Freigabe von Lucasfilm, was manchmal Zeit kostete.

Problematisch war außerdem, dass die grundlegende Vision für das Spiel viel zu groß für Visceral Games war - zumal EA gerne mit Ragtag eine >90-Wertung bei Metacritic erzielen wollte. Laut der Reportage war das Projekt wohl für 160 Mitarbeiter ausgelegt, aber es arbeiteten bei Visceral Games zunächst nur 30 bis 40 Personen daran - und diese Mitarbeiter hatten keine Erfahrung mit Action-Adventures à la Uncharted. Auch die personelle Unterstützung von EA Vancouver (nach einem eingestellten Plants vs. Zombies Projekt) konnte Ende 2016 nicht mehr helfen.

Zudem war die Arbeit mit Amy Hennig wohl kompliziert. Sie wird von den Mitarbeitern zwar als brillante Autorin mit einem einmaligen Sinn für Zwischensequenzen beschrieben, aber sie wollte in jede Entscheidung (Story, Gameplay, Leveldesign) einbezogen werden, was stellenweise die Entwicklungszeit in die Länge zog. Dafür gab es oft Ungereimtheiten in Sachen "Gameplay-Design". Bei Uncharted 2 teilte sich Amy Hennig zum Beispiel die Game-Director-Rolle mit Bruce Straley, der für die Gameplay-Aspekte zuständig war, während sie sich um die Story kümmerte. Diese personelle Möglichkeit gab es bei Visceral Games nicht. Es heißt, dass einige Mitarbeiter das Studio verlassen hätten, weil sie mit der Richtung/Führung von Hennig nicht zufrieden waren.

Auf der E3 2016 wurde bekanntlich ein kurzes Video aus dem Spiel gezeigt, in dem Dodger ein Haus auf Tatooine verließ und beim Verlassen eine Tür berührte. Ein Mitarbeiter erklärte, dass sie Monate an dieser Animation (das Berühren der Tür) gearbeitet hätten, aber Dodger nicht einmal seine Waffe ziehen und Schießen konnte. Es gab nicht einmal eine fertige Umgebung in Ragtag und sie würden bereits am Feintuning der Armbewegungen arbeiten, erinnert sich ein Mitarbeiter.

Als EA Vancouver (Ende 2016) ins Boot geholt wurde, wunderten sich die neuen Entwickler, wie wenig fortgeschritten die Entwicklung tatsächlich war. Die Verstärkung brachte neue Ideen mit - wie zum Beispiel ein Kampfsystem à la Batman-Arkham, das jedoch von Hennig abgelehnt wurde, da sie nicht wollte, dass Dodger ein Charakter ist, der auf Gadgets und Tools im Kampf setzt. Einige Mitarbeiter dachten bereits, dass EA mit der Teamverstärkung versuchte, das Projekt irgendwie aus den Händen von Hennig zu bekommen. Mit der Verstärkung ging es 2017 trotzdem einigermaßen voran, aber es kam immer wieder zu Konflikten, da sich letztendlich beide Teams nicht auf fundamentale Features wie das Deckungssystem einigen konnten, was wiederum für Zoff sorgte.

Electronic Arts gab den Entwicklern im April 2017 noch ein halbes Jahr Zeit, das Projekt wieder in die richtige Bahn zu bekommen und ein Element als Alleinstellungsmerkmal herauszuarbeiten - wie zum Beispiel die Gravity Gun aus Half Life 2. Als das Projekt im Oktober 2017 wieder in Augenschein genommen wurde, gab es drei Levels (AT-ST Jagd, Schießerei auf Tatooine und Abstieg in Jabbas Palast). Doch das Gezeigte erinnerte die Verantwortlichen von Electronic Arts stets an Uncharted. Ragtag hatte zu wenig Eigenständigkeit und wurde letztendlich in der aktuellen Form eingestellt.
Quelle: Kotaku

Kommentare

LeKwas schrieb am
Hmkay, da habe ich wegen der Erwähnung von AC: Black Flag wohl irrtümlich direkt ein Riesenstudio wie Ubisoft Montreal konnotiert, in welchem über 3000 Leute werkeln. Da können dann auch jederzeit ausreichende Kapazitäten beliebig intern verschoben werden.
Sir Richfield schrieb am
Kajetan hat geschrieben: ?07.11.2017 14:20 In der frühen Prototyp-Phase eines solchen Spieles brauchst Du auch nicht drei Millionen Animationsspezialisten,
Zumal man die ja extern einkaufen kann, die müssen nicht dringend zu dem gehören, was man als "das Team" definiert.
Ich bin ja auch nicht Teil des Redaktionsteams meiner Kunden.
Kajetan schrieb am
LePie hat geschrieben: ?07.11.2017 14:08 Das erscheint mir doch schon etwas bizarr - mit gerade einmal ca. 80 Mitarbeitern ist Visceral doch kein wirklich großes Studio, und da teilt man es auf und lässt die kleinere Hälfte mal eben so an einem Open-World-Game werkeln?
In der frühen Prototyp-Phase eines solchen Spieles brauchst Du auch nicht drei Millionen Animationsspezialisten, sondern nur eine Handvoll Leute, hauptsächlich Gamedesigner und Entwickler. Das könnte schon passen.
LeKwas schrieb am
Bezüglich einer Stelle aus dem Kotaku-Artikel:
Shortly after the February release of Dead Space 3, Visceral split up into two teams. One larger team began preproduction on what would eventually become Battlefield Hardline (2015), a first-person shooter about cops in Miami. A second, smaller team started working on an open-world pirate game, code-named Jamaica.
Das erscheint mir doch schon etwas bizarr - mit gerade einmal ca. 80 Mitarbeitern ist Visceral doch kein wirklich großes Studio, und da teilt man es auf und lässt die kleinere Hälfte mal eben so an einem Open-World-Game werkeln?
Sir Richfield schrieb am
Kajetan hat geschrieben: ?07.11.2017 13:25Kosmische Gerechtigkeit existiert, auch wenn wir es nicht immer mitbekommen.
Ich glaube, "wir" bekommen das nur nicht mit, weil sofort der nächste großmäulige Vertriebler den Platz einnimmt.
schrieb am