von Julian Dasgupta,

Silicon Knights: Harsche Kritik an Dyack

Dank Spielen wie Blood Omen: Legacy of Kain, dem Gamecube-Klassiker Eternal Darkness und dem Remake Metal Gear Solid: The Twin Snakes hatte Silicon Knights zu den Studios gehört, die eigentlich eine recht gute Reputation hatten.

Mit dem vor vier Jahren veröffentlichten Too Human konnten die Kanadier allerdings nicht mehr an jene Zeiten anknüpfen: Da sowohl der Absatz als auch das Feedback unter den Erwartungen geblieben war, verzichtete Microsoft auf eine Fortsetzung des einst als Trilogie konzipierten Unterfangens, an dem das Studio seit langer Zeit gearbeitet hatte.

Silicon Knights machte seitdem vor allem durch ein juristisches Gefecht mit Epic Games von sich reden: Die Mannen um Denis Dyack verklagten den Engine-Anbieter und warfen diesem vor, sich nicht an Zusagen gehalten zu haben hinsichtlich der Unreal Engine 3. Dort hätte man sich vor allem auf Gears of War konzentriert, anstatt Ressourcen für die Unterstützung der Lizenznehmer einzusetzen. Da Silicon Knights letztendlich selbst eine Engine schreiben musste, habe sich die Entwicklung von Too Human deutlich verzögert.

Rückblickend dürfte das Studio jene Schritt wohl bereuen. Epic schoss prompt mit einer Gegenklage zurück und bezichtigte den einstigen Lizenznehmer, gegen geltendes Copyright verstoßen zu haben mit der eigenen Technologie, mit der Silicon Knights laut Eigenaussage die Unreal Engine 3 Schritt für Schritt ersetzt hatte. Auch merkte man an, dass Silicon Knights  die Technologie neun Monate lang selbst ausführlich testen ließ und sich so einen gründlichen Einblick in den Funktionsumfang verschaffen konnte, bevor das Lizenzabkommen unterschrieben wurde.

Knapp fünf Jahre später sprach eine Jury endlich ihr Urteil und gab Epic in allen Punkten Recht. Silicon Knights wurde dazu verdonnert, eine Entschädigung von 4,45 Mio. Dollar zu zahlen. Dyack kündigte an, man wolle in Berufung gehen - seitdem hat man allerdings keinerlei Neuigkeiten mehr gehört.

Ein paar Monate zuvor hatte das Team mit X-Men: Destiny eine Lizenzversoftung abgeliefert, deren Qualität bestenfalls als durchwachsen beschrieben werden kann.

Was lief schief?

In einem ebenso umfangreichen wie lesenswerten Artikel bei Kotaku versucht Andrew McMillen, sich mit dem Niedergang des einst angesehenen Studios auseinanderzusetzen. Dafür unterhielt er sich mit 32 ehemaligen Angestellten der Firma, von denen sich acht letztendlich für ausführlichere Interviews zur Verfügung stellten, aus offensichtlichen Gründen aber darauf bestanden, anonym zu bleiben.

Einer der Knackpunkte sei das Beenden der Partnerschaft mit Nintendo nach dem MGS-Remake gewesen, heißt es da. Der japanischer Publisher habe einen zentralen Einfluss auf Qualität der Spiele, Design und Arbeitsweise gehabt. Dies sei der Grund für den hohen Gütegrad der Spiele gewesen, auf dem die Reputation des Studios ruhte. Der Konsolenhersteller habe dafür gesorgt, dass dort, wo "Nintendo" draufsteht, auch Qualität drin sei.

Dyack habe die Trennung von den bestimmt agierenden Japanern als eine Befreiung erachtet. Man hätte endlich das machen können, was man immer wollte: "Und als Denis mehr Freiheit hatte, begannen die Auflösungserscheinungen."

Der Gründer des Studios wird von einem seiner ehemaligen Angestellten u.a. als "wohlwollender Diktator" beschrieben, der in der Firma die Macht über alles hatte. Und seine Leute schon mal wissen ließ, dass z.B. Grafiker jederzeit problemlos ersetzbar seien.

Dyack habe sich oft nicht für den aktuellen Stand der Dinge interessiert. Bei einer Präsentation eines zu jenem Zeitpunkt im Prinzip unspielbaren Levels hätte er nur kurz angemerkt, dass man die Lichter doch bitte etwas röter machen solle. Im Fall eines anderen Levels, der eine absolute Katastrophe gewesen sei, habe er die zuständigen Entwickler 20 Minuten lang darüber belehrt, dass ein irgendwo Hintergrund stehener grauer Truck unglaubwürdig wirken würde und doch mit roten Texturen versehen werden sollte. (Süffisant wird noch angemerkt: In der finalen Fassung sei der Truck nach wie vor grau.) Der Chef habe sich gelegentlich auch  mal drei Monate nicht wirklich um das Projekt gekümmert, um sich dann irgendwann wieder einzumischen und Leute anzumeckern.

Statt eines symbiotischen habe man ein "parasitäres Verhältnis" mit Publishern angestrebt. Bewusst sei zuviel versprochen worden, um einen Vertrag zu bekommen - danach habe man dann viel zu wenig abgeliefert. Dabei habe man "endlos" Eternal Darkness ins Feld geführt, um über dessen Reputation das Vertrauen der Publisher zu gewinnen.

Activisions Vorschläge und Feedback zu X-Men: Destiny (XMD) seien größtenteils konsequent ignoriert worden - als Antwort habe es nur vage Versprechungen gegeben. Silicon Knights habe darauf gebaut, dass man Activision ausnutzen und noch mehr Geld für eine Verlängerung der Produktionszeit einfordern könne. Nach zweieinhalb Jahren Produktionszeit habe man immer noch keinen einzigen Level gehabt, der wenigstens grob spielbar sei.

Der Publisher habe irgendwann Bedenken über das Erreichen der Ziele geäußert und wieder eine Liste mit Anmerkungen geschickt. Auch die sei von Dyack bewusst ignoriert worden. Dessen Unvermögen, mit Activision richtig zusammenzuarbeiten, bedeutete für das Projekt letztendlich: X-Men: Destiny werde entweder eingestampft oder wird die angestrebte Qualität komplett verfehlen. Das Team habe sich dann sehr bemüht, da man verhindern wollte, dass noch ein Projekt eingemottet wird, nachdem ein für Sega produzierter Titel aufs Abstellgleis geschoben werden musste.

Letztendlich habe Silicon Knights Activision aber weiterhin "Mist" ugeschickt und dort habe man irgendwie darauf gehofft, dass sich alles noch irgendwie bessern wird. Bei beiden Parteien habe wohl niemand das Offensichtliche ansprechen wollen. Die Kanadier hätten zudem eine hohe Fluktuation verkraften müssen bis hin zu wichtigen Positionen. X-Men: Destiny habe im Laufe der Zeit vier Design Directors 'verbraucht'. Für manche Mitarbeiter sei es fast schon zu einem Spiel geworden, am Montag zur Arbeit zu kommen und zu sehen, wie viele Leute dem Studio in der Woche zuvor den Rücken gekehrt hätten. Silicon Knights habe in jener Zeit einige seiner besten Entwickler verloren.

Eternal Darkness 2

Laut den Quellen begann Silicon Knights während jener Zeit damit, an einem Prototypen für Eternal Darkness 2 (ED2) zu arbeiten. [Anmerkung der Redaktion: Die Rechte an der ED-Marke liegen bei Nintendo. Es ist wahrscheinlich, dass Silicon Knights das Spiel anderen Publishern als geistigen Nachfolger mit neuem Namen präsentiert hätte.] Das Team habe die Entwicklung der Comic-Versoftung nie wirklich ernst genommen. Den Andeutungen zufolge zweigten Dyack & Co. wohl auch Ressourcen von jenem Projekt ab, um ein neues Horrorspiel zu machen. Ironie der Geschichte: Damit hätte SK letztendlich gemacht, was man Epic vorgeworfen hatte. Dyack selbst sei auch kein X-Men-Fan gewesen und habe sich deswegen nie für die Lizenz interessiert. Fast 40 Prozent des Teams hätten sich mit ED2 beschäftigt, obwohl XMD mehr Ressourcen benötigt hätte.

Der Aufwand habe sich nicht gelohnt: Das Team habe es gerade mal geschafft, einen aus zwei Leveln bestehenden Innenbereich einer Kirche zu verwirklichen. Das Ergebnis habe sich zudem sehr schlecht gespielt. Es habe sich um eine Kombination aus schlechter Technologie und einem Team gehandelt, dessen Mitglieder seit MGS: Twin Snakes kein Spiel fertigestellt hatten. Und viele der Leute, die zentral an ED mitgearbeitet hatten, hätten das Studio schon vor langer Zeit verlassen.

Die Zweiteilung habe die Probleme bei XMD nur verschärft. Die eigene Engine samt Editor sei zwar langsam verbessert worden, habe aber "nie das Niveau moderner Engines erreicht." Dyack habe aber darauf gesetzt, dass auch Activision -wohl wie einst Microsoft bei Too Human- nachgeben und eine Verlängerung des Projekts bewilligen würde. In Antizipation einer solchen Entscheidung habe man still und heimlich mehr Entwickler auf ED2 angesetzt.

Dyack lag allerdings falsch. Statt mehr Geld zu gewähren, reagierte der mittlerweile wohl verärgerte Publisher im Oktober 2010 mit einer offiziellen Ankündigung des Spiels samt Trailer, wo man den Namen Silicon Knights deutlich hervorhob. Da das Projekt nun der Öffentlichkeit bekannt und Silicon Knights als Entwickler benannt war, habe das Studio plötzlich unter Druck gestanden, es auch innerhalb eines Jahres endlich fertigzustellen. Dyack habe XMD plötzlich ernst nehmen müssen, hätte der Ruf des Studios doch auf dem Spiel gestanden. Da sei es aber eigentlich schon zu spät gewesen.

Keiner der acht Quellen gibt Activision die Schuld: Das Unternehmen habe Silicon Knights  genug Zeit gegebe, man habe diese aber verschwendet. SK habe mal wieder zu viel versprochen, um letztendlich zu wenig zu liefern. Activision sei einfach der erste Publisher gewesen, der sich das nicht bieten ließ.

Dyack habe Leute, die das Studio verließen, als Verräter wahrgenommen. Dabei sei er auch über langjährige Angestellte hergezogen. Beschwerden über jenes Verhalten oder andere Probleme seien aber unmöglich gewesen, hätte man sich dafür doch an die Personalchefin wenden müssen: Dyacks Frau.

Erst kurz vor der Fertigstellung sei beschlossen worden, auch jene abtrünnigen Entwickler in den Credits zu erwähnen - allerdings nur im Special-Thanks-Abschnitt. Einer anderen Quelle zufolge wurden sie überhaupt nur berücksichtigt, da Activision erfahren hatte, dass keinerlei Erwähnung angedacht war, und dann auf eine Nennung bestand.

Silicon Knights sei heute nur noch ein Schatten seiner selbst, eine "leere Hülle" mit weniger als fünf Angestellten. Mit seiner Politik der verbrannten Erde habe man letztendlich einen rauchenden Krater in der Entwicklerszene im heimischen St. Catherines hinterlassen.


Kommentare

crewmate schrieb am
Ach, noch ein Spiel das Retro machen soll? :o
Ich dachte di sollen für euch schon Zelda, Star Fox und Donkey Kong machen.
Naja, da wird noch irgendwo Zeit sein. :mrgreen: :mrgreen:
greenelve schrieb am
JesusOfCool hat geschrieben: ein eternal darkness 2 kann auch retro machen, und die können das bestimmt wesentlich besser ^^
Eternal Darkness 2 in 3D = Sabber :mrgreen:
JesusOfCool schrieb am
irgendwie interessierts mich jetzt ob er zumindest einsieht, dass es seine fehler gewesen sind, oder nicht.
ein eternal darkness 2 kann auch retro machen, und die können das bestimmt wesentlich besser ^^
Chibiterasu schrieb am
Pioneer82 hat geschrieben:
Wulgaru hat geschrieben:Das ist übrigens das was ich unter richtigem Spielejournalismus verstehe. Solche Reportagen liest man weltweit vielleicht 3-4mal im Jahr.
Signed.

Doppel-Signed - und dann gerade von Kotaku, die gerne mal (zum Teil zu recht) für ihre Copy-Paste Berichterstattung gedisst werden.
Obwohl ich gerade dort und ab und zu bei IGN ein paar solcher umfangreicher Berichte gelesen habe.
Vor kurzem gab es einen sehr langen interessanten Bericht über Insomniac auf IGN. War wirklich interessant - finde ihn leider gerade nicht.
Ansonsten: auch wenn unter Nintendo zu arbeiten sicher nicht immer die pure Freude ist, zeigen diese Beispiele einfach wieder, dass die doch ziemlich genau wissen was gute Spiele ausmacht.
Das muss man ihnen einfach zu gute halten.
Pioneer82 schrieb am
Wulgaru hat geschrieben:Das ist übrigens das was ich unter richtigem Spielejournalismus verstehe. Solche Reportagen liest man weltweit vielleicht 3-4mal im Jahr.
Signed.
Ansonsten jo schade um das Potential das da verbrannt wurde.
schrieb am