von Jonas Höger,

Ganz ohne Nostalgie: Warum mich Fire Emblem Engage auch als Serienneuling begeistert - Kolumne

Fire Emblem Engage (Rollenspiel) von Nintendo
Fire Emblem Engage (Rollenspiel) von Nintendo - Bildquelle: Nintendo
Zwei Wochen sind seit dem Release von Fire Emblem Engage vergangen und ich stecke knietief mit beiden Beinen und knapp 60 Stunden im Morast der Schlachtfelder.

Jeden Abend nach der Arbeit fesselt mich der Taktik-Titel vor den Bildschirm und das noch mehr als der Vorgänger Fire Emblem: Three Houses – mit dem ich überhaupt erst in die Reihe eingestiegen bin. Dass Engage mich nun so begeistert, obwohl es viele Elemente von seinem Vorgänger stark reduziert und mit den Emblem-Charakteren aus alten Spielen vor allem an die Nostalgie langjähriger Fans appelliert, hat mehrere Gründe.

Neugierig, nicht nostalgisch: Wiederkehrende Helden



Wer schon seit der Gameboy Advance-Ära auf den Kriegsschauplätzen der Reihe herumtollt, der dürftet sich ob der Ankündigung, dass alte Charaktere mit dem Emblem-System ihren Weg ins Spiel finden, sehr gefreut haben: Endlich wieder mit Marth in die Schlacht ziehen, Lyns Schützenkünste bewundern oder Corrins Drachenkräfte entfesseln! Mich hingegen ließ das Feature absolut kalt.

Keine Ahnung, welche Geschichten Roy oder Celica erlebt haben, aber nach Fire Emblem Engage will ich genau das jetzt herausfinden. Quelle: Nintendo
Keine Ahnung, welche Geschichten Roy oder Celica erlebt haben, aber nach Fire Emblem Engage will ich genau das jetzt herausfinden. Quelle: Nintendo


Ike, Lucina, Roy und Co. sind mir bislang nur in Super Smash Bros. über den Weg gelaufen, weil ich vorher schlicht und ergreifend keinen Kontakt mit Fire Emblem hatte. Leif und Sigurd hingegen könnte ich nicht einmal dann genauer kennen, wenn ich wollte: Ihre beiden Spiele, Fire Emblem: Thracia 776 und Fire Emblem: Genealogy of the Holy War, haben es bis heute nicht in den Westen geschafft.

Doch das Ködern mit Nostalgie stört mich keineswegs, im Gegenteil: Die alten Helden stehen nicht im Rampenlicht, sondern erlauben es den neuen Figuren auf eigenen Beinen zu stehen. Außerdem sind sie für mich als Neuling unverbraucht, die Anspielungen an ihre Geschichten und Schicksale machen mich eher neugierig und lassen in mir den Wunsch aufwallen, den alten Fire Emblem-Spielen einen Besuch abzustatten, sobald ich mit Engage durch bin.

Die Emblem-Charaktere sind auch aus spielerischer Hinsicht ein echter Gewinn. Quelle: Nintendo
Die Emblem-Charaktere sind auch aus spielerischer Hinsicht ein echter Gewinn. Quelle: Nintendo


Keine Nostalgie, sondern Neugier: Wer sind diese Charaktere? Welchen Widrigkeiten waren sie ausgesetzt, welche Entscheidungen haben sie getroffen? Um mit der Beantwortung dieser Fragen irgendwo zu beginnen, habe ich mir spontan Fire Emblem: Awakening auf Ebay gekauft und krame dann in Kürze meinen Nintendo 3DS wieder hervor. Ob das Nintendos wahre Absicht beim Marketing gewesen sein könnte?

Pepsi-Pop und Anime-Augen: Das Charakterdesign



Dass mich die alten Charaktere nicht stören, liegt natürlich auch an den neuen: Schon beim ersten Trailer stachen mir die quietschbunten Designs ins Auge. Colgate-Chan, wie die Protagonistin Alear mit ihrer an zweifarbige Zahnpasta erinnernden Frisur mal mehr, mal weniger liebevoll von den Fans getauft wurde, hat mich total abgeholt.

Bei ihrer Haarfarbe dürfte klar sein, mit welcher Zahnpasta sich Wyrmgott Alear morgens und abends die Beißerchen putzt. Quelle: Nintendo
Bei ihrer Haarfarbe dürfte klar sein, mit welcher Zahnpasta sich Wyrmgott Alear morgens und abends die Beißerchen putzt. Quelle: Nintendo


Überdreht, verrückt, anders: Ein mutiges Design, das so gar nicht in die geerdete Welt von Fire Emblem zu passen scheint, für mich als Newcomer aber einen gelungenen Kontrast zu der sonst so klassischen Fantasy-Identität bietet. Verantwortlich dafür ist die japanische Künstlerin Mika Pikazo, die als Lead-Charakterdesignerin von Entwicklerstudio Intelligent Systems angeheuert wurde und ihren poppigen, verspielten Stil mit viel Liebe in die fantastische Welt von Fire Emblem transportiert hat.

Das gefällt nicht jedem: Wenige Elemente von Engage wurden in der Community so kontrovers diskutiert wie das Design der Charaktere. Meinen Geschmack hat Pikazo, deren Arbeit ich schon vor dem Spiel bewundert habe, aber voll getroffen und holt mich definitiv mehr ab als der X-te bierernste Schwertkämpfer.

Das abgedrehte Charakterdesign geht über bunte Haare hinaus: Prinzessin Timerra sieht aus, als wäre sie einem Bällebad für Kleinkinder entstiegen. Fantastisch! Quelle: Nintendo
Das abgedrehte Charakterdesign geht über bunte Haare hinaus: Prinzessin Timerra sieht aus, als wäre sie einem Bällebad für Kleinkinder entstiegen. Fantastisch! Quelle: Nintendo


Das soll jetzt gar kein Seitenhieb gegen Ike oder Marth sein, schließlich habe ich die beiden in Fire Emblem Engage kennen und lieben gelernt und möchte mehr über die Helden früherer Serienteile erfahren. Trotzdem ist mir die aktuelle Richtung von Fire Emblem in Sachen Design dann doch deutlich lieber als die zurückhaltende Riege an klassischen Fantasy-Charakteren mit ihren gedeckten (Haar-)Farben.

Abgespecktes Anbandeln



Da ich mit Fire Emblem Three Houses in die Reihe eingestiegen bin, hatte mich ein Aspekt aus Previews und Reviews allerdings zunächst besorgt: Die zurückgefahrenen sozialen Interaktionen. Keine Teestunde, kein Unterricht, weniger Fokus auf die Figuren und humorvolle oder romantische Zweisamkeit abseits des kaltblütigen Kriegsalltags. Gerade als Hardcore-Fan von Persona 5 liebe ich den sozialen und dialoghaltigen Ausgleich zu den intensiven Kämpfen und konnte mir nicht vorstellen, in Fire Emblem Engage darauf zu verzichten.

Doch tatsächlich hat mich die Reduzierung dieser Elemente weniger gestört als erwartet: Support-Gespräche zwischen den Charakteren sind zwar etwas weniger gehaltvoll und vielschichtig als beim Vorgänger, aber immer noch fester Bestandteil des Spiels. Ohnehin ist die Basis Somniel ein guter Kompromiss, der einem die Freiheit gibt, so viel oder so wenig abseits der Strategie-Schlachten zu machen, wie man möchte.

Die sozialen Interaktionen sind weniger präsent als in Three Houses, sorgen aber trotzdem für angenehme Abwechslung. Quelle: Nintendo
Die sozialen Interaktionen sind weniger präsent als in Three Houses, sorgen aber trotzdem für angenehme Abwechslung. Quelle: Nintendo


Auch wenn ich trotzdem nach jedem Kampf die fliegende Festung besuche und mit meinem königlichen Kumpel Alfred muskelaufbauende Minispiele absolviere oder bei Prinz Diamant nach funkelnden Fischen angle, hatte ich stets die Möglichkeit, all diese Dinge zu ignorieren. Und die abgespeckte Social-Sim hat meinen Blick vor allem auf das Wesentliche geschärft: Das Kampfsystem.

Taktik mit Tiefgang



Nicht, dass das nicht auch in Fire Emblem Three Houses schon ein taktischer Genuss gewesen wäre. Doch mit den reduzierten Figuren-Interaktionen, der vollständigen Rückkehr des Waffendreiecks und anderen kleinen Kniffen läuft das Kampfsystem in Engage auf Hochtouren und – wenn man Fans und Experten glauben darf – zu alter Größe auf. Daran ist neben dem Klassiker Schere-Stein-Papier auch das simple, aber effektive Menüdesign Schuld.

Das vielschichtige Kampfsystem mit Gitterkarte verlangt auch in Engage Verstand und Vorausdenken. Quelle: Nintendo
Das vielschichtige Kampfsystem mit Gitterkarte verlangt auch in Engage Verstand und Vorausdenken. Quelle: Nintendo


Zusammen mit jeder Menge interessanter Karten, klar kommunizierter Gegnerintentionen und den spielerisch spannenden Emblem-Optionen bietet Engage jede Menge Spieltiefe, ohne mich als Neuling zu überfordern. Hatte ich bei Three Houses zwar bereits Spaß an den strategischen Schlachten, aber danach nicht das Bedürfnis, die gesamte Fire Emblem-Reihe nachzuholen, zieht Engage mir nun das Geld für gebrauchte Spiele aus der Tasche.

Mit dem Fire Emblem-Virus infiziert



Fire Emblem Engage hat in mir also einen Hunger erwachen lassen: Ein alles verschlingender Appetit, der mich auf Ebay schickt und mich nach vertretbaren Preisen für Fates: Vermächtnis, Fates: Herrschaft und Echoes: Shadows of Valentia suchen lässt. Das liegt vor allem an den neuen Figuren, deren überladenes und beinahe blendendes Design mich schon mit dem ersten Trailer in seinen Bann gezogen hat.

Klar, die überbordenden Anime-Figuren bekomme ich in den vorherigen Spielen natürlich nicht geboten, dafür aber die ausgefeilte Taktik-Finesse, die ich in Engage erst so richtig lieben gelernt habe. Und glücklicherweise haben mich Ike, Marth und die anderen Helden vergangener Tage ebenfalls mehr als neugierig auf ihre Geschichten gemacht.



Wenn es nach mir ginge, dürfen sich Mika Pikazo oder vergleichbar poppige Künstler  beim nächsten Teil der Reihe dann aber ruhig wieder austoben. Ein Warriors-Spin-Off mit dem kunterbunten Haufen aus Fire Emblem Engage würde ich beispielsweise mit Kusshand nehmen, einfach nur um Alear, Yunaka und die anderen charmanten Kriegsgefährten wieder über das Schlachtfeld tanzen zu sehen.

Wie gefällt euch Fire Emblem Engage und seid ihr genau wie ich eher Anfänger oder doch hartgesottene Veteranen? Schreibt eure Meinung gerne in die Kommentare!

Quelle: YouTube /Nintendo DE

Kommentare

cM0 schrieb am
Ich spiele auch auf normal und ohne Permadeath, daher sammeln sich wirklich eine Menge Leute an. Storytechnisch kommen in jedem Kapitel neue Leute dazu, allerdings denke ich, dass das abnimmt, wenn man im Spiel weiter voranschreitet. Im Moment bin ich in Kapitel 14. Für Leute die mit Permadeath spielen (früher war das der Standard in FE und ließ sich nicht abstellen) ist die Auswahl natürlich sehr hilfreich, das stimmt. Es gibt auch jetzt Kämpfer, die ich immer mitnehme und einige andere, die ich regelmäßig auswechsle, um Neuzugänge auszuprobieren. Andererseits macht es auch Spaß, zu experimentieren und bringt mehr Abwechslung in die Kämpfe.
4P|Jonas schrieb am
cM0 hat geschrieben: ?09.02.2023 12:36 Ich muss sagen, dass es mir mittlerweile schwerfällt, mich für Charaktere zu entscheiden, die ich mit aufs Schlachtfeld nehme. Es gibt ziemlich viele starke Charaktere, die ich gern dabei hätte. In den Vorgängern ist mir die Auswahl leichter gefallen.
So ging es mir bei Engage allerdings auch - dass ich auf Normal und Casual gespielt habe, hat natürlich nicht geholfen, weil mir a) kaum wer gestorben ist und b) keiner tot blieb. :ugly: Spielt man auf Classic und einem höheren Schwierigkeitsgrad, kann die Flut an Charakteren sicher helfen. Bei Three Houses gab es aber auch insgesamt weniger zur Auswahl, wenn man nicht viel Zeit darin investiert hat, Schüler aus den anderen Häusern zu rekrutieren.
Obwohl sich bei mir am Ende schon eine feste Riege an Kämpfern herauskristallisiert hat, weil die anderen Leveltechnisch nicht mehr mitgekommen sind und nicht genug Geld da ist, um alle mit starken Waffen auszustatten.
cM0 schrieb am
Ich muss sagen, dass es mir mittlerweile schwerfällt, mich für Charaktere zu entscheiden, die ich mit aufs Schlachtfeld nehme. Es gibt ziemlich viele starke Charaktere, die ich gern dabei hätte. In den Vorgängern ist mir die Auswahl leichter gefallen.
4P|Jonas schrieb am
Krulemuk hat geschrieben: ?06.02.2023 13:29
4P|Jonas hat geschrieben: ?06.02.2023 12:08 Für Three Houses habe ich rund 55 Stunden gebraucht und bei Engage stehe ich kurz vor dem Ende und habe sogar schon 75 Stunden auf der Uhr.
Oh, so lange ist das Spiel? Ich hab schon für Three Houses über 60h gebraucht und das für die kürzeste Route (Full Edelgard Route). Ich hoffe, bei Engage bin ich etwas schneller...
Ein abschließendes Fazit würde mich sehr interessieren, wenn du komplett durch bist.
Ich habe gestern Abend den finalen Kampf hinter mich gebracht und die Credits gesehen, finale Spielzeit lag bei gut 77 Stunden. Dazu muss man sagen, dass ich anfangs einige Skirmishes mitgenommen sowie alle Paralogue-Kämpfe absolviert und nach jedem Gefecht ausgiebig Somniel besucht habe - man kann also deutlich schneller durchkommen, wenn man es darauf anlegt.
Mein finales Fazit weicht aber nicht wirklich von den Aussagen in meiner Kolumne ab: Kampfsystem und Charaktere haben mich bis zum Schluss begeistert und ich habe nach wie vor echt Lust bekommen, in die anderen Fire Emblem-Spiele reinzuschnuppern. Die Karten sind definitiv kreativ geblieben und liefern immer wieder interessante Formationen oder Gimmicks, die man bei seiner Taktik berücksichtigen muss, wodurch das Kampfsystem sich für mich auch nach fast 80 Stunden nicht abgenutzt hat. Die Story fand ich von vornherein okay: Klar, generisches Fantasy-Zeug, das ich aber auch nicht schlechter fand als vergleichbare Geschichten aus anderen Spielen. Das letzte Drittel hat da sogar nochmal ein wenig angezogen und da habe ich dann am Ende auch mehrere Hauptmissionen hintereinander weggespielt, weil ich wissen wollte, wie es weitergeht. Voice-Acting eh super gut, Soundtrack ist auch nice, obwohl mir das Main Theme und ein weiterer Track mehr im Kopf geblieben sind als der Rest. Ich glaube, das fasst es ganz gut zusammen - wenn du sonst noch Fragen hast oder was spezielles wissen möchtest, sag aber gerne Bescheid. (:
Krulemuk schrieb am
4P|Jonas hat geschrieben: ?06.02.2023 12:08 Für Three Houses habe ich rund 55 Stunden gebraucht und bei Engage stehe ich kurz vor dem Ende und habe sogar schon 75 Stunden auf der Uhr.
Oh, so lange ist das Spiel? Ich hab schon für Three Houses über 60h gebraucht und das für die kürzeste Route (Full Edelgard Route). Ich hoffe, bei Engage bin ich etwas schneller...
Ein abschließendes Fazit würde mich sehr interessieren, wenn du komplett durch bist.
schrieb am
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