von Marcel Kleffmann,

Game Developers Conference Europe 2016: Turning David into Almost Goliath: Paradox Interactive's Journey

Game Developers Conference Europe 2016 (Messen) von
Game Developers Conference Europe 2016 (Messen) von - Bildquelle: UBM Tech Game Network
Shams Jorjani (Vice President Products - Brands & Production) von Paradox Interactive blickte in einem überraschend humorvollen und ehrlichen Vortrag im Rahmen der Game Developers Conference Europe 2016 auf die Geschichte von Paradox als Publisher und vor allem auf die Misserfolge des Unternehmens zurück - um angehende Entwickler und Studios vor ähnlichen Fehlern zu bewahren. Er charakterisierte das Unternehmen anfänglich als einen "stellenweise ziemlich seltsamen" Publisher von Nischentiteln auf PC, der zunächst nur "beschissene" Spiele rausbrachte, bevor sie dann langsam aus den eigenen Fehlern lernten.

Zunächst stellte er klar, dass man sich bewusst sein müsse, welche Stärken die eigenen Mitarbeiter hätten, was sie überhaupt erreichen wollen und welche Ziele sie verfolgen würden - und darauf sollte man seinen Business-Plan ausrichten. Negativ-Beispiel: Mehrere Entwickler von Strategiespielen wollten sich an einem Rollenspiel (Runemaster) versuchen. Das Projekt ging völlig in die Hose und wurde vor der Veröffentlichung eingestellt. Man soll bei den Sachen bleiben, die man kann und in denen man gut ist, sagte Jorjani. Des Weiteren sollte man investieren und neues Personal einstellen oder Aufgaben abgeben, damit man sich um seinen Bereich kümmern könne. Er meinte, dass er eine Firma kennen würde, bei der der Chef-Entwickler noch immer den Lieferschein vom Klopapier unterzeichnen müsste, anstatt jemanden zu haben, der diese leidigen Aufgaben für ihn erfüllt.

Dann kam er auf einen "Near Miss" (Beinahezusammenstoß; Beinahekatastrophe) am Beispiel von Magicka zu sprechen, denn Magicka war technisch furchtbar unfertig veröffentlicht worden. Allein in der ersten Woche sind fast zwei Dutzend Patches für das Spiel erschienen. Das waren so viele Patches, dass die Crack-Ersteller es aufgaben, neue Cracks für das Spiel zu erstellen. Trotz des fehlerhaften Zustands verkaufte sich der Titel gut, weil es im Kern überraschte und Spaß machte - getreu der Devise "Gute Spiele verkaufen sich von allein". Bei Magicka 2 wollten sie es dann besser machen und brachten einen Nachfolger auf den Markt, der technisch deutlich besser war, aber in Sachen Überraschung, Spielwitz und Inhalt stagnierte. Sie veröffentlichten quasi die gleiche Version wie Magicka noch einmal - nur mit besserer Technik. Das wollten die Spieler nicht. Dieser Fehler - ein verbuggtes Spiel mit einen technisch besseren, aber inhaltlich kaum veränderten Nachfolger zu produzieren - wiederholten sie dann mit War of the Roses und War of the Vikings. Er zieht das Fazit: Man soll zu seinem Produkt stehen und es möglichst lange unterstützen, auch wenn es floppt, anstatt überstürzt einen technisch besseren Nachfolger zu entwickeln. Eine weitere Konsequenz war die Entwicklung der "Paradox Game Pillars" (Spielgrundsätze), die jedes Spiel von Paradox bestenfalls erfüllen sollte.

Auch Überlebensstrategien im "roten Ozean" sprach er an, also wie ein Unternehmen in einem weitgehend gesättigten Markt überleben kann, in dem viele Mitbewerber tätig sind. Die erste Strategie sei es, möglichst flexibel zu sein und sich vollends auf neue Trends einzustellen. Als Beispiel nannte er Climax, die derzeit ausschließlich Virtual-Reality-Titel entwickeln würden. Die zweite Möglichkeit sei es, sich möglichst breit aufzustellen. Wie Image & Form könnte man ein Spiel auf möglichst vielen Plattformen veröffentlichen und dürfe dabei auf gar keinen Fall die technische Grundlage auch nur anrühren. Die dritte Möglichkeit sei es, auf etwas Altes oder eine als "tot" angesehene Plattform wie den PC zu setzen - auch als alle anderen Hersteller auf Konsolen gesetzt hatten. Und dies war der Weg von Paradox Interactive, der allerdings nur durch den Digitalvertrieb möglich war - obgleich es da momentan Probleme geben würde, Aufmerksamkeit für die Spiele zu bekommen, da die Masse an Titeln viel zu groß sei.

Des Weiteren erklärte er, wie wichtig Risiko-Management (was passiert im schlechtesten Fall) sei und man auf konkrete Daten setzen soll, anstatt auf Vermutungen oder Annahmen. In dem Kontext zitierte er den Satz "Der Anfang jeder Katastrophe ist eine beschissene Vermutung" aus "Alarmstufe Rot 2" und erklärte weiter, dass man nicht annehmen soll, dass nur weil "Grand Strategy" draufsteht, gleich jeder Grand-Strategy-Spieler zugreifen würde - und man die Spieler auf diese Weise nicht von Spiel zu Spiel mitnehmen könnte. Außerdem würde die laute Minderheit in Foren nicht immer für die Mehrheit sprechen. Man sollte lieber auf handfeste Daten setzen.



Kommentare

Alandarkworld schrieb am
Also ich finde vor allem die "Design Pillars" die im Artikel verlinkt wurden sehr gut (https://www.paradoxinteractive.com/en/game-pillars/). Das sollten andere Studios und Publisher vielleicht auch mal lesen (*hust* EA *hust*). Wenn man die Liste durchgeht sieht das eigentlich alles vollkommen nach Hausverstand aus, aber es ist faszinierend in welchem Ausmaß heutzutage genau in die Gegenrichtung entwickelt wird...
LP 90 schrieb am
Eisenherz hat geschrieben:
LP 90 hat geschrieben:Der Rest der DLC´s sind kosmetisch und da gibts es doch einige wesentlich fiesere Konsorten....
You Evolvet me! :Blauesauge:
Dachte eigentlich mehr an Overwatch xD
Eisenherz schrieb am
LP 90 hat geschrieben:Der Rest der DLC´s sind kosmetisch und da gibts es doch einige wesentlich fiesere Konsorten....
You Evolvet me! :Blauesauge:
LP 90 schrieb am
Eisenherz hat geschrieben:
Allein in der ersten Woche sind fast zwei Dutzend Patches für das Spiel erschienen. Das waren so viele Patches, dass die Crack-Ersteller es aufgaben, neue Cracks für das Spiel zu erstellen.

Tja, ist auch ne Möglichkeit gegen Piraterie! :mrgreen:
Aber schön, dass Paradox so ehrlich mit sich selbst sind. Trotz ihrer mitunter sehr fragwürdigen DLC-Politik find ich die Firma immer noch recht sympatisch, gerade weil sie den PC als Spieleplattform nie aufgegeben haben und Spiele gegen den Mainstream veröffentlichen.
Immer dieses geheule über DLC bei Paradox. Das einzige was ich denen ankreide ist, dass sie mitlerweile manche DLC´s nur noch als Bundles verticken, was ziemlich arschig ist. Ansonsten? Addon großer Erweiterungen noch Jahre nach Veröffentlichung und kontinuierlicher, freier Patch-Support. Eine hervorragende Community der man es erlaubt selber Inhalte zu erstellen und teilen, denen dabei sogar hilft (siehe Maja-Importer für 3D Objekte). Der Rest der DLC´s sind kosmetisch und da gibts es doch einige wesentlich fiesere Konsorten....
sphinx2k schrieb am
Ich finde nicht mal deren DLC Politik wirklich schlimm. Wenn man mal schaut wie viele Wirklich Gameplay erweiternde DLCs es für sagen Crusader Kings 2 gab
http://www.ckiiwiki.com/Downloadable_content#Expansions
Ist das ein halbjahres Rythmus dafür das ein Spiel das einem dann gefällt 4 + Jahre weiter entwickelt wird ist das doch im Rahmen.
Blizzard ist auch so eine Spieleschmiede die ihre Spiele Jahrelang weiter unterstützt, erweitert und behätschelt. Und die Spiele werden auch Jahre später noch gespielt und neu gekauft. Zwar gab es z.B. von Warcraft 3 die Battlechest aber auch die hat X Jahre nach Relase noch 30 Euro gekostet.
Oder ein Diablo 3 das Katastophal angefangen hat, dann aber immer weiter verbessert wurde bis es heute gut Spielbar ist.
Ich hab mittlerweile ehr ein Problem mit diesen Wegwerfspielen, die Jährlich in ener neuen Iteration auf den Markt geworfen werden.
schrieb am