von Marcel Kleffmann,

Biomutant - Interview: Kreative Ideen als Herausforderung für Spiele-Entwickler und mehr Umfang als geplant

Biomutant (Action-Adventure) von THQ Nordic
Biomutant (Action-Adventure) von THQ Nordic - Bildquelle: THQ Nordic
Nach langer Entwicklungszeit steht Biomutant (ab 13,49€ bei kaufen) in den Startlöchern und wird am 25. Mai 2021 für PC, PS4 und Xbox One erscheinen. Das postapokalyptische Action-Rollenspiel in Form einer tierischen Kung-Fu-Fabel sorgte bei seiner Ankündigung (2017) für Aufsehen und konnte mit kreativem Spielwitz überzeugen. Vor dem Verkaufsstart sprachen wir mit Stefan Ljungqvist, dem Art & Creative Director von Experiment 101 – über die lange Produktionszeit, freche Ideen als Herausforderung für Spiele-Entwickler und den ausgebauten Umfang aufgrund der positiven Rückmeldungen.

Ljungqvist war vor seiner Zeit bei Experiment 101 als Art Director bei Just Cause und Just Cause 2 bei den Avalanche Studios in Schweden tätig. Danach übernahm er den Posten als Game Director sowie als Studio Creative Director (Team Management) und kümmerte sich um Mad Max - und einige Mad-Max-Anleihen erkennt man auch in Biomutant wieder.

4Players: Bei der ersten Präsentation von Biomutant auf der gamescom 2017 war ich sehr angetan. 2018 konnte man klare Fortschritte erkennen. Auf der gamescom 2019 gab es nur atmosphärische Spielszenen zu sehen. 2020 gab es kaum Lebenszeichen. Es wirkte so, als wäre das Spiel in der Versenkung verschwunden. Aber jetzt steht der Termin fest (25. Mai 2021). Ich kann mir vorstellen, dass die Entwicklung für ein "kleines Team" ziemlich schwierig war, schließlich wolltet Ihr ja Crunch-Phasen vermeiden. Aber warum hat es so lange gedauert, schließlich sollte es mal im Sommer 2019 erscheinen. Hattet Ihr es zu früh angekündigt und wurdet von der Resonanz überrascht?

Stefan Ljungqvist: Ja, es war wirklich Pech, dass wir die 16.500 Bugs überhaupt erst geschaffen haben – aber als sie da waren, mussten wir sie halt beheben! Ok, war nur ein Scherz - nach dem ersten Feedback, das wir nach der Ankündigung bekamen, haben wir zusammen mit THQ Nordic beschlossen, den Umfang des Spiels zu erhöhen. Ursprünglich hatten wir z.B. 80.000 Wörter als Texte im Spiel vorgesehen. Jetzt haben wir etwa 250.000. Und ich muss betonen, dass wir ein kleines Studio mit nur 20 Leuten sind. Und wir wollten keinen Crunch, wenn wir nicht auf eine Meilenstein-Deadline hinarbeiten, wie z.B. die gamescom-Demo. Ich würde also sagen, die größte Herausforderung war die schiere Größe und sicherzustellen, dass das Spiel in einem sehr guten Zustand veröffentlicht wird. Und das hat einfach einige Zeit gedauert. Haben wir es also zu früh angekündigt? Das werden wir nie erfahren. Vielleicht wäre das Spiel jetzt nicht mehr dasselbe? Andererseits hätten vielleicht nicht so viele Leute davon gehört und auch kein Feedback gegeben.

4Players: Zu den Stärken von Biomutant zählen die Verspieltheit, die frechen Spielideen und die kreative Fantasie. Es ist mittlerweile eher die Ausnahme, dass sich viele Spiele so etwas trauen ...

Stefan Ljungqvist: Nun, zuerst muss man sich dieses verrückte Zeug einfallen lassen. Bei uns gibt es nie einen Mangel an seltsamen Ideen und ich bin dankbar, dass wir als Team zusammenarbeiten können und diese Ideen haben. An vielen Ideen bin ich nicht unschuldig. Das Schwierige ist aber, das alles tatsächlich umsetzen zu können. Und ein anderer wichtiger Baustein ist, jemanden wie THQ Nordic zu haben, die uns bei allem, was wir gemacht haben und bei den Entscheidungen, die wir getroffen haben, unterstützt haben. Wir durften Fehler machen, scheitern und die wohlüberlegten Entscheidungen treffen: "Wird dieses Feature Spaß machen?" - und es dann einfach wieder entfernen, wenn es das nicht tut. Und wir durften sogar Änderungen relativ spät im Entwicklungsprozess vornehmen.

Ich habe an einigen großen Projekten gearbeitet und der Prozess, kreativ zu sein, kann manchmal wirklich herausfordernd und schwierig sein. Weil es zu viele Hürden gibt, die man überwinden muss, um seine Ideen genehmigt zu bekommen. Das hemmt die Kreativität. Es gab also mehrere Faktoren, die es uns erlaubten, über die Stränge zu schlagen - und von Anfang an war das Spiel verrückt und schräg. Und ich denke, das war es, was THQ Nordic darin sah und mochte. Ich glaube also nicht, dass sich die Leute nicht trauen, aber manchmal, wenn man ein kommerzielles Produkt macht, scheinen viele Publisher auf Dinge zu setzen, von denen sie glauben, dass sie sicher sind. Aber wenn man sich zum Beispiel It Takes Two anschaut, das Hazelight-Spiel von Josef Fares, ist das ein gutes Beispiel für ein Team, das an das glaubt, was es tut und auch die richtige Unterstützung bekommt.

4Players: Wenn ich mich an die erste Präsentation richtig erinnere, dann wolltet ihr eine "kleine offene Welt" realisieren, in der es viel zu tun gibt. Wie schätzt Ihr die Länge des Spiels ein?

Stefan Ljungqvist: Unsere Schätzung für einen "überstürzten" Durchgang von Biomutant liegt bei etwa 12 bis 15 Stunden – das bedeutet: sich auf die Hauptstory konzentrieren, die meisten Dialoge überspringen, nicht bei der Erkundung abschweifen und Nebenquests ignorieren. Auf der anderen Seite spielt eines unserer Teammitglieder Biomutant gerade so, wie er normalerweise andere Spiele spielt. Er ist noch nicht fertig und hat etwa 65 Stunden Spielzeit auf der Uhr. Es kommt also wirklich darauf an, was man für ein Spielertyp ist.

4Players: Im Spiel gibt es ja einen Erzähler, der die Synchronisation aller Figuren übernimmt und auch die Aktionen des Spielers kommentiert. Wie wollt Ihr dafür sorgen, dass sich seine Sprüche nicht zu schnell wiederholen werden?

Stefan Ljungqvist: Es gibt einfach zu viele Sprüche! (lacht) Der Erzähler ist wirklich dynamisch - er wählt seine Kommentare abhängig von einer Vielzahl von Faktoren: Wo ist man gerade? Wie ist die Tageszeit? Sitzt man auf einem Reittier? Fliegt man mit einem Ballon? Gibt es Wind? Schießt ihr gerade mit einer Biohazard-Waffe? Benutzt ihr eine Fähigkeit? Hat man wenig Gesundheit? Es gibt also sehr viele Parameter und zusätzlich haben wir eine Mechanik eingebaut, die den Erzähler daran hindert, dieselbe Zeile noch einmal (für lange Zeit) zu nutzen.

4Players: Welche Rolle spielen die sechs Stämme bzw. Fraktionen? Bekommt man dort exklusive Quests, Story-Inhalte, Gegenstände ...? Oder kann man "alles" in einem Durchgang des Spiels sehen?

Stefan Ljungqvist: Biomutant hat zwei Hauptenden in Bezug auf die Haupthandlung rund um den Baum des Lebens. Zusätzlich hat der Stammeskrieg seine eigenen möglichen Ausgänge, je nachdem, mit welchem Stamm man sich verbündet und wie man sich gegenüber anderen Stämmen verhalten hat. Und viele andere Entscheidungen, die man während des Durchspielens getroffen haben, werden sich am Ende des Spiels auswirken. Also nein, es ist unmöglich, alles in einem Playthrough zu sehen.

4Players: Was hat es mit den Klassen auf sich? Sie sollen ja vielmehr ein Loadout für den anfänglichen Spielstil sein? Und wird man die Sachen aus dem Söldner-Vorbesteller-DLC auch im Spiel finden können?

Stefan Ljungqvist: Die Klassen sind eher ein Start-Loadout, ja. Um dem Spieler eine kleine Orientierung zu geben, welche Art von Spielstil möglich wäre: ein Zauberer/Magier, ein Nahkämpfer, ein Fernwaffenexperte und so weiter. Und ja, alle Ausrüstungsgegenstände, mit denen die anfänglichen Loadouts ausgestattet sind, können als Beute im Spiel gefunden werden. Und man kann auch die Skills freischalten. Jede Klasse kann jede Fähigkeit lernen und jede Ausrüstung erhalten.

4Players: Der Charakter-Forschritt ist ja nicht nur an Ausrüstungsgegenstände gebunden. Wie entwickelt oder mutiert man die Hauptfigur weiter?

Stefan Ljungqvist: Man erhält Erfahrungspunkte und steigt Level auf. Jedes Mal, wenn man eine Stufe aufsteigt, bekommt man Skill-Punkte und kann eines seiner Attribute erhöhen. Mit den Skill-Punkten kann man entweder Perks (passive Fähigkeiten) oder Waffen- bzw. Kampffertigkeiten freischalten, individuell basierend auf den Waffentypen. Zusätzlich gibt es die Biomutantenpunkte, die man sammelt und die zum Freischalten von Biomutationen verwendet werden können. Außerdem noch die psionischen Kräfte - für sie müssen Psi-Punkte gesammelt werden. Und manche benötigen auch bestimmte dunkle oder helle Aura-Punkte. Es gibt also einige Systeme für den Charakter-Fortschritt.

4Players: Waffen und Ausrüstungsgegenstände können mit dem Crafting-System selbst hergestellt werden. Wird man die Fahrzeuge und/oder Reittiere ebenfalls modifizieren und anpassen können?

Stefan Ljungqvist: Man kann einige Fahrzeuge modifizieren und anpassen, wie zum Beispiel den Mek, bei dem man einen neuen Torso, einen neuen Kopf, neue Waffen und so weiter hinzufügen kann. Auch das Skiff-Boot ist anpassbar. Allerdings sind die Reittiere nicht modifizierbar - ein Gnoat ist ein Gnoat. Aber wir haben eine große Auswahl an verschiedenen Reittieren, so dass man auch hier einen Favoriten auswählen kann.

4Players: Können die Questmarkierungen in der Welt ausgeschaltet werden? Wie sieht es mit Einstellungen für die bessere Zugänglichkeit aus?

Stefan Ljungqvist: Wir haben bis zu einem gewissen Grad an der Darstellung für Farbenblindheit gearbeitet. Kontrast, Lesbarkeit, Hintergrund-Opazität - einige Optionen, um den Industriestandards zu entsprechen. Und ja, die Questmarkierungen in der Spielwelt können ausgeschaltet werden.

4Players: Gibt es Schwierigkeitsgrade?

Stefan Ljungqvist: Ja, drei. Sie verändern die Werte der Gegner, z.B. wie viele Trefferpunkte sie haben, wie viel Schaden sie anrichten und so weiter. Man kann die Schwierigkeit jederzeit während des Spiels ändern.

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Kommentare

JudgeMeByMyJumper schrieb am
Das ist eines der besten Interviews, die es in all der Zeit bei 4 Players gab. Oft gefällt mir das nicht so. Okay, kommt ja auch ganz selten vor, dass es Interviews überhaupt gibt in der Form, aber das hier ist erste Sahne.
Liesel Weppen schrieb am
Absolut geile Frage:
Ihr wolltet ja Crunch vermeiden, aber warum hat es solange gedauert?
*lol*
schrieb am
Biomutant
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