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Interview-Reihe von GOG und 4Players: Indies aus Deutschland - Heute: Im Gespräch mit Toukana Interactive (Dorfromantik)

GOG (Unternehmen) von CD Projekt
GOG (Unternehmen) von CD Projekt - Bildquelle: CD Projekt
Im Rahmen des Summer Sale lenkt GOG.com mit der Sonder-Rubrik "Indie-Perlen" den Fokus auf interessante Spiele aus dem Independent-Sektor. Doch die Produktionen unabhängiger Teams stehen auf der DRM-freien Verkaufsplattform ohnehin hoch im Kurs. Da 4Players Indie-Games auch ins Herz geschlossen hat, machen wir mit GOG zum Summer Sale gemeinsame Sache und präsentieren eine Interview-Serie zum Thema "Indie in Deutschland".

So werden wir u.a. mit Rockfish Games (Everspace) und Paintbucket bzw. Handygames zum Thema Through the Darkest of Times sprechen. Zur Premiere haben wir die Gelegenheit gehabt, das Team von Toukana Interactive mit Fragen zu löchern, das seit Ende März mit der Early-Access-Version des friedlichen Aufbauspiels Dorfromantik für Furore sorgt. Auch im Test auf 4Players, den ihr hier in kompletter Länge findet, konnte der Titel eine gute Wertung einheimsen.

4Players: Hat euch die positive Resonanz auf Dorfromantik überrascht oder war euch bei der Entwicklung von Anfang an klar, dass ihr hier an etwas Besonderem arbeitet?

Toukana Interactive: Wir haben recht früh einen spielbaren Prototypen gehabt, den man auch immer noch auf Itch.io finden kann. Für diesen gab es schon sehr früh viel positives Feedback und daher fiel uns auch die Entscheidung leicht, an Dorfromantik weiter zu arbeiten. Wir haben natürlich gehofft, dass der Release gut läuft und wir weiter Spiele machen können. Doch dass es letztendlich ein so großer Erfolg wird, haben wir nicht erwartet!


Das Team von Toukana Interactive

4P: Was ist für euch wichtiger? Die Meinung von Presse/Influencern oder Gamern? Wieso?

Toukana: Das ist schwierig zu trennen, wie ich finde. Auf der einen Seite sind uns die Meinungen der Spielenden in erster Linie am wichtigsten, schließlich ist es genau das, was wir mit großer Leidenschaft tun: Spielerlebnisse schaffen, die Spaß machen, entspannen oder bewegen. Wir holen uns auch schon früh Feedback und lassen unsere Prototypen testen, um das Spielerlebnis iterativ zu verbessern. Auch jetzt in der Early-Access-Phase hören wir stark auf das Feedback der Community und wägen viel ab, welche Spielerwünsche dem Spiel helfen könnten. Zusätzlich ist es aber gerade für ein kleines Indie-Team wie uns essenziell wichtig, dass man überhaupt erst von unserem Spiel erfährt und da hilft es natürlich sehr, wenn die Presse und Influencer sich für das Spiel interessieren und letztendlich empfehlen. Uns ist beides sehr wichtig!

4P: Wieso habt ihr euch dazu entschieden, den deutschen Titel “Dorfromantik” auch in den internationalen Steam-Stores zu verwenden? Ist das nicht eher hinderlich?

Toukana: Wir haben sehr früh in der Entwicklungszeit entschieden, dass wir ein ländliches Setting für das Spiel verwenden wollen. Der Name "Dorfromantik" kam uns als spontane Idee passend dazu schon ganz zu Anfang des Projekts, als es noch der vorher erwähnte Prototyp war. Wir hatten die Vermutung, dass das international überhaupt kein Problem darstellt, das Wort ist auch für Englischsprechende gut auszusprechen und durch das "K" am Ende klingt er recht Deutsch oder wenigstens Europäisch. Und wir wissen ja, dass Wörter wie "Kindergarten" oder "Zeitgeist" sich auch im englischsprachigen und internationalen Raum im üblichen Sprachgebrauch etablieren konnten. Und tatsächlich kam dann recht schnell das Feedback, dass der Name interessant sei, und man ihn sich gut merken kann. Zusätzlich finden wir es natürlich gut, unsere Wurzeln bzw. die Wurzeln des Spiels auch im Namen anzudeuten.

4P: Wer sind eure Vorbilder aus der Entwicklerszene?

Toukana: Das ist eine sehr große Frage! Es gibt so viele tolle große und kleine Entwicklerstudios, und es gibt oft Aspekte, die uns gefallen, aber auch Dinge die uns missfallen. Um ein paar größere Studios zu nennen, da gehören für uns Nintendo dazu, Guerilla und zum Beispiel Insomniac Games und eigentlich auch CD Projekt Red. Bei den kleineren: Dinosaur Polo Club, Grizzly Games, Plausible Concept, Mimimi, thatgamecompany, Maschinenmensch. Es gehören aber eigentlich noch viele andere auf diese Liste und sie würde sicher zu lange werden.

4P: Inwieweit wirken sich das Feedback der Community sowie die bislang gewonnenen Auszeichnungen auf die weitere Entwicklung von Dorfromantik aus? Sind diese immer unter einen Hut zu bringen?

Toukana: Das Feedback der Community ist uns von Anfang an sehr wichtig gewesen, und wir sammeln wirklich alle Vorschläge und besprechen sie. Es ist eine große Aufgabe, zu entscheiden, welche Vorschläge dem Spiel helfen und es wirklich für alle Spielenden verbessern, oder welche das grundlegende Konzept verkomplizieren, zu umfangreich machen oder verwässern. Die Auszeichenungen beim Deutschen Computerspielepreis waren für uns eine große Ehre und eine Wertschätzung für unseren minimalistischen Ansatz an die Spieleentwicklung. Bisher haben wir das Gefühl, alles ganz gut zu vereinen.

4P: Seid ihr manchmal in der Zwickmühle, es eher den euch unterstützenden Spielern oder "Kritikern" rechtzumachen?

Toukana: Ich glaube, das ist immer eine Hürde, vor der man steht, wenn man eine recht "offene" Entwicklungsform wählt, also in diesem Fall Early Access. Man hat immer unterschiedliche Meinungen, und viele denken "Mein Vorschlag ist richtig". Für uns als Entwickler gehört es aber seit jeher mit dazu, dass man sich all die Kritik nüchtern betrachtet und schaut, was man sich davon zu Herzen nimmt. Kritik ist ja oft auch berechtigt, dahinter stehen nicht selten Missverständnisse und Unklarheiten bezüglich der Spielmechaniken, technische Probleme usw. und wir sind selbstverständlich bemüht, uns solcher Probleme anzunehmen. Uns ist es besonders wichtig, dassdie Spieler ein frustrationsfreies Erlebnis haben. Andererseits wollen wir unseren Grundprinzipien von einem simplen minimalistischen Puzzle- und Landschaftsbauspiel treu bleiben und es nicht zu sehr aufblähen. Und das danken uns viele aus unsere Community.



4P: Wie sieht die Zukunft von Dorfromantik aus? Könnt ihr uns verraten, auf was wir uns freuen dürfen?

Toukana: Ein bisschen was können wir verraten: Im Moment arbeiten wir an frei konfigurierbarer Tastenbelegung und einigen anderen Verbesserungen in der Verständlichkeit und Zugänglichkeit, mit kleinen Tooltip-Kästchen, die man an- und ausschalten kann. Hauptsächlich arbeiten wir aber an dem bereits angekündigten Creative/Free-mode, bei dem man ohne Highscore oder Tile-Limit einfach bauen kann. Dies ist eine technische Herausforderung, da wir hierfür sehr große Welten möglich machen möchten, die trotzdem flüssig auf den meisten Systemen laufen sollen. Zusätzlich haben wir noch einige Content-Updates sowie Features, die wir bringen möchten - hier möchten wir aber noch nicht zu viel verraten.

4Players: Welchen Einfluss haben Brettspiele auf die Entwicklung von Dorfromantik gehabt? Was hat euch hinsichtlich des Konzepts noch inspiriert?

Toukana: Als Kinder haben wir natürlich die großen bekannten Brettspiele wie z.B. Siedler von Catan oder auch Carcassonne gespielt, und wir mögen die klassischen Brett- und Gesellschaftsspiele sehr gern. Dorfromantik ist aber tatsächlich - und das glauben uns sicher nicht viele - ohne Blick auf Carcassonne entstanden, sondern mit der Grundidee, eine Art Endlosspiel zu haben, bei dem man Plättchen von einem Stapel platziert und Gruppen formt. Als Form dieser Plättchen gefielen uns Hexagone besonders gut, da sie nicht so scharfkantig wie Dreiecke oder Quadrate sind. Das Rotieren und das passende Anlegen an den Kanten kam erst später, nach dem ursprünglichen Prototypen. (https://toukana.itch.io/dorfromantik-prototype)
Die Ähnlichkeit zu Carcassonne besteht eben in genau dieser Änderung, aber wir freuen uns darüber, dass viele so eine positive Assoziation mit unserem Spiel verbinden. Wir finden jedoch, dass Dorfromantik auch systemische Ähnlichkeiten zu Tetris hat.

4P: Was war bislang die größte Herausforderung für euch?


Toukana: Generell gibt es bei einem so kleinen Team immer die Gefahr, zu viele "Hüte" zu tragen. Gründung, Entwicklung, Projektmanagement und Vermarktung sind sehr umfangreiche Aufgaben und es ergeben sich täglich neue Aufgaben und Anfragen. Hier ist eine Prioritätensetzung sehr wichtig und wir versuchen immer, zusammen die bedachteste Entscheidung zu treffen. Wir sehen unser Team selbst als eine Ressource, die eben limitiert ist und damit ein bisschen diktiert, was wir alles an Dingen tun und wahrnehmen können. Auf der anderen Seite ist unsere Teamgröße auch eine Stärke, denn glücklicherweise sind wir, was unsere individuellen Fähigkeiten angeht, recht breit und flexibel aufgestellt, jeder kann von allem etwas, somit kann immer jemand einspringen. Auch sind wir alle eher entscheidungsfreudig, so stagnieren wir selten und scheuen uns nicht davor, etwas zu verwerfen und neu zu versuchen. Natürlich gibt es aber auch eine Spezialisierung bzw. Fokus auf bestimmte Bereiche und Aufgaben in der Entwicklung selbst. Timo und Sandro kümmern sich zum Beispiel um die Programmierung und Luca und Zwi eher um Art und alles Visuelle.

Die größte Herausforderung war aber bisher die Pandemie. Ursprünglich hatten wir den Plan, im Studioraum zu arbeiten, den wir vom DE:HIVE Institut gestellt bekommen. Dort hätten wir nebeneinander an gut ausgestatteten Arbeitsplätzen, mit starken Rechnern, Schreibwaren, Whiteboards usw. arbeiten können. Wir sind aus unserem Studium einen sehr persönlichen Workflow gewohnt. Die Teams sind dort während der gesamten Projektzeit immer vor Ort und arbeiten gemeinsam, man bespricht sich, gestikuliert, zeigt sich Dinge und wir testen Mechaniken anfangs oft analog mit Spielklötzchen an einem Tisch. Da kann man sehr genau verdeutlichen, was man sich vorstellt. Durch die Pandemie entwickelte sich dann eine Remote-Arbeitsweise. Wir nutzen die besagten Skype-Calls, um unser Beisammensein virtuell zu simulieren. Zusätzlich benutzen wir einen Service namens "Miro", das ist im Grunde ein virtuelles Whiteboard im Browser, darauf kann man parallel schreiben, malen, Fotos hochladen. Es ersetzt sozusagen unseren gemeinsamen Tisch oder die Pinnwände/Whiteboards. Es ist rückblickend überraschend und natürlich sehr beruhigend, dass das Team trotzdem gut funktioniert.

4P: Wieso hat es die deutsche Entwickler-Szene im Vergleich zu der internationalen so schwer? Oder täuscht dieser Eindruck?

Toukana: Spiele haben, nachdem die deutsche Spieleszene in den 90ern eigentlich ganz gut aufgestellt war, viele Jahre in den Medien ein eher schlechtes Image gehabt. Wir erinnern uns an die lange währende "Killerspiel"-Debatte und das Abtun von Spielen als Realitätsfluchthilfe, als suchtfördernde gefährliche Freizeitaktivitäten, und somit wurde der Nachwuchs einfach nicht genug gefördert. Von dem Gesamtumsatz der in Deutschland mit Spielen gemacht wird, bleiben tatsächlich nur wenige Prozent überhaupt hier bei deutschen Entwicklerstudios oder Publishern, es gibt hier also ganz viel Potenzial für tolle neue Spiele von bestehenden Studios oder Startups. Viele, mit denen wir in den vergangenen Jahren über unser Studium an der HTW Berlin sprachen, waren immer noch überrascht, dass man Game Design überhaupt studieren kann. Mittlerweile ist aber ein Umdenken zu beobachten, Spiele werden mittlerweile mehr und mehr als Kultur verstanden. Und neben schon länger existierenden Film- und Spieleförderungsprogrammen wie dem Medienboard Berlin-Brandenburg wurde kürzlich ein großes neues bundesweites Förderprogramm eingeführt, welches Hoffnung auf weiteres Wachstum der Branche hier in Deutschland macht.

4P: Beschäftigt ihr euch schon mit der Zeit nach Dorfromantik? Was könntet ihr euch als nächstes Projekt vorstellen? In welchem Genre abseits von Strategie würdet ihr euch gerne austoben?

Toukana:
Dazu können wir leider noch nicht so viel sagen, wir haben tatsächlich schon einige Prototypen, an denen wir eventuell weiterarbeiten werden, doch vorerst erfordert Dorformantik all unsere Aufmerksamkeit. Vor allem bietet es sich ja sehr an, das Spiel noch auf andere Plattformen zu bringen, wie z.B. Mobile, Nintendo Switch usw. Das interessiert uns sehr. Auf jeden Fall möchten wir weiterhin Spiele machen und durch den bisherigen Erfolg von Dorfromantik werden wir wohl auch nicht so schnell von der Bildfläche verschwinden.

4P: Vielen Dank und weiterhin viel Erfolg!

Toukana: Vielen Dank für das Gespräch! Liebe Grüße an die Lesenden, vom gesamten Team.

Kommentare

Tas Mania schrieb am
Sehr sympatisches Team hier gebe ich gerne mein Geld aus!
Kajetan schrieb am
Ryan2k6 hat geschrieben: ?10.06.2021 14:25 Damit die alten Säcke noch was zu nölen haben. Weswegen sonst? :mrgreen:
Ja, natürlich. Regt den Kreislauf an, ohne extra Medikamente schlucken zu müssen :)
Codon schrieb am
Steam Save wäre fantastisch. Dann könnte auch auf mehreren Rechner ein Spiel fortgeführt werde ...
johndoe711686 schrieb am
Kajetan hat geschrieben: ?10.06.2021 14:07 Ich habe eine Frage: Warum ist der Kreativ-Modus immer noch nicht fertig, hmm??
Damit die alten Säcke noch was zu nölen haben. Weswegen sonst? :mrgreen:
Kajetan schrieb am
Ich habe eine Frage: Warum ist der Kreativ-Modus immer noch nicht fertig, hmm??
*nöl* *nerv* *zeter*
Nein, feine Sache, weiter so. Gute Idee für die Interview-Serie. Es gibt in Deutschland mittlerweile genug Gamedesign-Talent, dass man sich wahrlich nicht mehr verstecken muss. Wenn jetzt noch die Vorteile & Förderungen kommen, die Studios in anderen Ländern seit Jahren bekommen ... gibt's kein Halten mehr! :)
schrieb am