von Jörg Luibl,

gc-Eindruck: Salem

Salem (Rollenspiel) von Paradox Interactive
Salem (Rollenspiel) von Paradox Interactive - Bildquelle: Paradox Interactive
Vor der Spielemesse habe ich mich tatsächlich auf ein Online-Rollenspiel gefreut: Salem. Warum? Weil es in Neuengland zur Zeit der Pilgerväter spielt und den Aberglauben transportieren will, weil es komplette Freiheit von der Karriere als Bauer bis hin zum Jäger oder Mörder erlaubt und weil es den permanenten Tod zulässt. Sprich: Wer stirbt, verliert seinen Charakter!

Aber die Freude auf Lovecraft'sche Unheimlichkeit rund um Bostons düstere Wälder wurde in Köln beim Anblick des Spiels schnell getrübt: Nach den ersten Artworks hatte ich auf eine erwachsene Welt mit historischem Flair gehofft, aber aktuell sieht Salem aus wie Animal Crossing mit Mii-Hexen und Mii-Monstern - dicke Köpfe, Kulleraugen, Watschelschritt, Comiclook.

Und bei allem Verständnis für die beiden Programmierer, die das Ganze in Eigenregie bei Paradox entwickeln: Auch die Spielwelt wirkt billig. Dabei ist die Idee so interessant, das Szenario so unverbraucht. Zwar kann man seine eurpäischen Wurzeln nicht bei der Charaktererschaffung wählen, aber dafür startet man ohne alles, aber mit allen Möglichkeiten vom Handwerker, Händler, Jäger bis hin zum Bürgermeister oder Mörder.

Das Besondere an Salem ist, dass es keine offizielle Justiz, keine Polizei und keine Moral gibt. Theoretisch kann also jeder tun und lassen, was er will - auch stehlen, rauben, anzünden, totschlagen. Wie kann man in einer Welt kompletter Anarchie überleben? Das regelt die Community selbst, denn jedes Verbrechen hinterlässt eine optisch sichtbare Duftmarke.

Wenn man an diese rote Zeichen geht, kann man z.B. recherchieren, was dort passiert ist, was gestohlen wurde oder wer der Mörder war. Danach kann man ihn über Hinweispfeile aufspüren. Und je nach Schwere des Verbrechens kann die Selbstjustiz selbst Charaktere treffen, die nicht eingeloggt sind. Sprich: Man kann die Figur eines Mörders quasi beschwören und töten, obwohl sein Spieler offline ist - damit will man verhindern, dass jemand nach seiner Tat einfach fliehen kann.

Aber die Gewalt ist auch nicht von Beginn an möglich: Neue Spieler müssen erstmal die beiden Skills "The Rights of Englishmen" und "The Story of Cain & Abel" besitzen, damit sie überhaupt jemanden ermorden können. Und as Risiko ist natürlich groß, wenn man weiß, dass man nach  der Rache der Bevölkerung selbst für immer gestorben ist. Dass diese ein Interesse daran hat, liegt auf der Hand: Eine lukrative Handelsniederlassung, die ihren Spielern den Ausbau ihrer Häuser und Bauernhöfe erlaubt, dürfte die rot leuchtenden Schandflecken in ihrer Mitte nicht dulden, denn vielleicht wurde gerade der Jäger ermordet, der die Felle in die Stadt bringt.

Auch wenn das Spiel aufgrund der albernen Kulisse, die viel von dem möglichen Flair in der Neuen Welt raubt, für mich nicht mehr in Frage kommt, steckt es doch voller interessanter Ideen und Konzepte. Dazu gehört auch die Tatsache, dass zivilisierte Regionen in klarem Licht erstrahlen, wohingegen unbekanntes Terrain total düster sein kann. Nur wenn dann die Kindergartenmonster aus dem Dunkeln heran hopsen, will einfach kein Gefühl der Bedrohung entstehen. Fans von Animal Crossing & Co, an welches das Artdesign allerdings lange nicht heran reicht, dürften das anders sehen.

gc-Eindruck: befriedigend



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