MCV UK hat kürzlich ein Interview mit Tim Sweeney (Gründer und Präsident von Epic Games) geführt. Der von dem Branchen-Magazin als "Person des Jahres" gewählte Epic-Games-Chef erwartet massive Veränderungen im Spiele-Markt in den nächsten Jahren. Er ist zudem der Ansicht, dass der "Status quo" bei den digitalen Vertriebsplattformen (Epic Games Store vs. Steam) nur durch die Spiele-Entwickler und das eigentliche Spiele-Angebot aufgebrochen werden kann.
"Ich denke, dass sich das Geschäft mit Computer- und Videospielen in den nächsten fünf Jahren stärker als in den letzten zehn Jahren verändern wird", prognostiziert Sweeney. "Die letzten Überreste des alten Einzelhandelsmodells des Gamings verschwinden und die größten Erfolge feiern schnelllebige Indies und sich schnell verändernde große Mitbewerber - zum Beispiel Fortnite und Apex Legends. Alle alten Entscheidungen müssen noch einmal auf den Prüfstand."
Sweeney erklärte weiter, dass der Epic Games Store kein Schnellschuss war, obwohl die aktuelle Feature-Armut des Shops diesen Schluss zulassen würde. Sie hätten die Technologie schon vor längerer Zeit entwickelt, hatten damals aber noch kein Geschäftsmodell. Erst mit den Spielermassen, die aufgrund von Fortnite kamen, hatten sie ein Publikum, das groß genug war, um einen eigenen Store zu starten - sowie die nötige skalierbare E-Commerce-Infrastruktur für das 88/12-Modell (88 Prozent der Einnahmen gehen an die Entwickler; 12 Prozent bleiben bei Epic Games). Andere Stores wie Steam, GOG.com, Apple und Google Play setzen auf ein 70/30-Modell - ggf. mit leichten Anpassungen. Sweeney meinte, dass andere Stores auf offenen Plattformen bisher nur "zögerlich" auf die neue Konkurrenz reagiert hätten. Offene Plattformen hält er für entscheidend wichtig.
Neben der digitalen Auslieferung der Spiele und der höheren Umsatzbeteiligung setzt Epic Games gezielt finanzielle Anreize, um Spiele zu bekommen, die ausschließlich oder zeitexklusiv in ihrem Shop veröffentlicht werden. Für die bisher größte Aufregung hat wohl die Verlagerung von
Metro Exodus gesorgt, aber auch bei
World War Z,
Satisfactory und
Phoenix Point wurde es lauter. "Ja, wir haben daran gearbeitet, sicherzustellen, dass es sich für Entwickler wirklich lohnt, in den Epic Games Store zu wechseln", antwortet Sweeney offen. Das Geld für diese "finanziellen Anreize" wiederum hat Epic Games durch die Battle-Pass-Einnahmen von Fortnite bekommen, wodurch sie einen großen Spielraum hätten, "um Entwicklern helfen zu können". "Wir geben Spieleentwicklern und Publishern das Geschäftsmodell, das wir uns als Entwickler schon immer gewünscht hatten", sagte Sweeney und stellte damit klar, dass der Store nicht vorrangig auf die Bedürfnisse der Konsumenten ausgerichtet ist, sondern auf die der Entwickler. Und mit diesem Fokus auf den Entwicklern bzw. den Spielen auf der Angebotsseite versucht Epic Games den Status quo im digitalen Spielemarkt zu verändern - wodurch natürlich auf die Dominanz von Steam angespielt wird.
"Es ist nicht möglich, einen dominanten Store allein durch geringfügig mehr Shop-Features oder ein etwas besseres Installationserlebnis zu verdrängen. Solche Wettbewerbe werden auf der Grundlage von Spiele-Angebot, Preisen für Verbraucher und Gewinnbeteiligung der Entwickler gewonnen", erklärt Sweeney.
"Das Epic Games Store Team hat mit Entwicklern aus der gesamten Branche zusammengearbeitet, um aussichtsreiche Titel zu entdecken. In dieser frühen Phase beginnen wir mit einer kleinen Anzahl sorgfältig ausgewählter Spiele, die auf konsistenter Qualität in einer Vielzahl von Genres basieren. Im Laufe des Jahres 2019 wird sich der Shop weiter öffnen", sagte Sweeney. Er erklärte weiter, dass sich die aktuelle Version des Shops, in der ca. 50 Spiele angeboten werden, in nächster Zeit deutlich verändern wird, wenn dort zum Beispiel 250 Spiele angeboten werden. Außerdem sollen mehr Social- und Matchmaking-Features auf Basis von Fortnite implementiert werden. Das Entdecken und Auffinden der Spiele soll hingegen weniger durch den Store selbst geschehen, sondern vielmehr durch Influencer oder Content Creator.
"Wir glauben, dass der ultimative Weg für Spieler, neue Spiele zu entdecken, nicht unser Shop-Schaufenster sein wird, sondern die Creators, weshalb das "Support-a-Creator-Programm" in den Store integriert wurde. Die Zuschauerzahl der Creator-Kanäle hat bereits jeden Store übertroffen. In Korea und China sind die wichtigsten Vertriebsvektoren für Spiele sozial: WeChat, KakaoTalk und QQ - und nicht die Schaufester der Stores."