von Marcel Kleffmann,

11 bit studios - Interview, Teil 4: Warum deutsche Entwickler auf das falsche Pferd gesetzt haben

11 bit studios (Unternehmen) von 11 bit studios
11 bit studios (Unternehmen) von 11 bit studios - Bildquelle: 11 bit studios
Im vierten und letzten Teil der Interview-Reihe mit Pawel Miechowski (Partnerships Manager) von den 11 bit studios geht es um die unterschiedliche Entwicklung von Deutschland und Polen als Standort für Spiele-Entwickler. Laut Miechowski setzten viele Entwickler aus Deutschland zu stark auf den Mobile-Markt und Browsergames.

4Players: In Polen gibt es mittlerweile viele große und teilweise auch sehr große Studios, die Spiele entwickeln. Wie könnt Ihr Euch diese Entwicklung erklären. Deutschland scheint in diesem Bereich hinterher zu hinken.

Pawel Miechowski: Polen hat eine recht lange Tradition, Spiele zu entwickeln, vor allem für ein Land, das vor 30 Jahren eine kommunistische Wirtschaft sowie einen wirtschaftlichen Zusammenbruch hatte. Aber schon damals tauchten die ersten Amateurteams auf oder sogar die ersten richtigen Unternehmen wurden in dieser Branche gegründet (obwohl nicht viele überlebten). Es gab immer ein sehr hohes Ausbildungsniveau in Mathematik und bei Programmierkursen an den Universitäten, so dass gut ausgebildete Programmierer so gut wie immer bei uns zu finden waren.

In den 90er-Jahren, nach dem Zusammenbruch des Kommunismus, wurde eine recht ansehnliche Anzahl professioneller Spieleentwicklungsstudios gegründet, darunter Techland und Metropolis Software, von denen die Kernmitglieder letztendlich später die 11 bit Studios gründeten. Diese Firmen wuchsen langsam, aber stetig. Mit der Zeit verließen also die Mitarbeiter ihre Unternehmen, um neue, eigene Studios zu gründen. Die Spieleentwickler-Szene hier wächst seit 30 Jahren organisch und gedeiht weiter.

Das organische Wachstum könnte der Schlüssel sein. In Deutschland bestand das Problem darin, dass irgendwann riesige Investitionen in Browsergames oder Free-to-play-Handyspiele geflossen sind und es viele erfahrene Leute in diesen Teil der Branche zog. Und das geschah kurz vor dem Aufstieg der Indie-Szene und der Explosion des digitalen Vertriebs - Steam, Konsolen-Stores und so weiter. Plötzlich stellte sich heraus, dass der Markt für so viele Browsergame-Firmen viel zu klein war. Die riesigen Investitionen stellten sich als Blase heraus. Viele talentierte Menschen verloren ihren Arbeitsplatz und letztendlich fehlte in Deutschland der Schwung, als die Indie-Szene aufstieg. Man beachte aber trotzdem, wie riesig die deutsche Wirtschaft ist und wie viele Studios es tatsächlich gibt. Aber ja, im Vergleich dazu gibt es in Polen eine stattliche Anzahl erfolgreicher Studios ...

4Players: Wie ist der Austausch zwischen den polnischen Studios. Oder gibt es da große Konkurrenz?

Pawel Miechowski: Nicht wirklich, ich würde sogar sagen, es ist eher das Gegenteil. Da die Industrie in Polen organisch gewachsen ist und aus der gleichen "Quelle/Wurzel" stammt, kennt jeder jeden - und die Szene ist sehr gut organisiert und auch sehr solidarisch. Aber das ist nichts Besonderes, das es nur in Polen gibt. Es gibt etwas Großartiges in dieser Branche, die aufgeschlossene Menschen zusammenbringt, die hilfsbereit und gewillt sind, Wissen zu teilen - und sie ist sehr international. Es ist ein einzigartiges Umfeld. Ich liebe es.

4Players: Ist es schwierig, in Polen qualifizierte Mitarbeiter zu finden? Schließlich gibt es viele Studios im Land, so dass die Auswahl und die Konkurrenz groß sein müssten.

Pawel Miechowski: Ja, jetzt ist es schwierig. Vor zehn Jahren war es nicht so schlimm, aber jetzt, da auch die Wirtschaft in ziemlich guter Verfassung ist - obwohl leider die ganze Welt mit den Folgen der schrecklichen Viruspandemie konfrontiert wird - und da es so viele florierende Studios gibt, von winzigen bis hin zu riesigen Unternehmen, ist es schwierig, Mitarbeiter zu finden. Das ist der Grund, warum so viele Fachkräfte aus der ganzen Welt nach Polen ziehen. Die Unternehmen stellen ein, die talentierten Teams sind hier ansässig, die Gehälter sind wirklich gut und die Lebenshaltungskosten sind im Vergleich zum Westen immer noch sehr niedrig. Polen ist ein sehr attraktiver Ort geworden, um hierher zu kommen und hier zu arbeiten ... vor allem in der Spielindustrie. Aber es ist schwierig, qualifizierte Mitarbeiter vor Ort zu finden, deshalb versuchen die Studios, immer mehr Spezialisten aus der ganzen Welt einzustellen.


Kommentare

GoodOldGamingTimes schrieb am
Kajetan hat geschrieben: ?17.08.2020 17:17
Warum aber das japanische Videospiel international so groß geworden ist, wie es heute ist, obwohl gerade japanische Publisher viele Jahre mit dem Ausland nicht viel anfangen können und nipponesische Ignoranz zelebriert haben ... kann vielleicht jemand erklären, der mehr Ahnung von diesem Teil der videospielenden Erde hat.
Nun ja die berühmteste Japanische Videospielfigur ist nen fetter italenischer Klempner.
Sega, Namco, Konami, SNK, Capcom haben die Spielhallen in den 80ér und 90ér dominiert. Dazu der Konsolenmarkt von den 80ér bis Mitte der 2000er der fest in der Hand von Japanischen Hardware Herstellern war.
Und viele bekannte Japanische Marken haben einen starken westlichen Touch: Resident Evil, Contra, Castlevannia, Dark Souls, Devil May Cry, Silent Hill, Contra, Ridge Racer etc. um nur ein paar bekannte Japanische IP´s zu nennen.
v3to schrieb am
dessoul hat geschrieben: ?18.08.2020 16:26 Das war von meiner Seite aus auch irreführend. Ich habe von 850?/Monat geschrieben. Für ein Projekt wären 850? durchaus denkbar.
Das war deinerseits nicht irreführend. Ich hatte das Beispiel auch gewählt, welche Denke da teils hintersteckt. Irgendwer wird sich schon drauf einlassen und wenn nicht, spielt es in Unternehmen, bei denen zB Crunch praktisch zur Firmenphilosophie zählt, auch keine Rolle.
dessoul schrieb am
v3to hat geschrieben: ?18.08.2020 15:33
dessoul hat geschrieben: ?18.08.2020 14:09 Dabei entsteht natürlich die Frage, ob diese Firmen dann auch interessiert daran sind, ihre Leute länger zu halten.
Die Spielebranche ist von Entwicklern überlaufen und es ist zwar nicht alltäglich, aber auch nicht ungewöhnlich, Leute nur projektweise einzustellen - oder Projekte zu canceln und Abteilungen gleich mit zu schließen. Was ich nur nicht verallgemeinern wollen würde, ob solch niedrige Bezahlung von Budget-Engpässen herrührt oder mit das Gegenüber die Arbeit nicht wertschätzt. Für 850 ? wird vermutlich niemand bei Verstand in Festanstellung arbeiten, aber irgendein Freelancer, der gerade nichts zu tun hat, wird sich schon darauf einlassen...
Das war von meiner Seite aus auch irreführend. Ich habe von 850?/Monat geschrieben. Für ein Projekt wären 850? durchaus denkbar. Ich habe auch bei Projekten mitgearbeitet, wo dem Kunden 100?/h abgerechnet wurde, ich als Angestellter davon dann etwa 25?/h erhielt. Würde ich das als Freelancer machen, wäre das sehr viel anders. Da wären dann 50-100?/h durchaus drin. Und selbst im 50?/h-Bereich wären das dementsprechen 17h.
v3to schrieb am
dessoul hat geschrieben: ?18.08.2020 14:09 Dabei entsteht natürlich die Frage, ob diese Firmen dann auch interessiert daran sind, ihre Leute länger zu halten.
Die Spielebranche ist von Entwicklern überlaufen und es ist zwar nicht alltäglich, aber auch nicht ungewöhnlich, Leute nur projektweise einzustellen - oder Projekte zu canceln und Abteilungen gleich mit zu schließen. Was ich nur nicht verallgemeinern wollen würde, ob solch niedrige Bezahlung von Budget-Engpässen herrührt oder mit das Gegenüber die Arbeit nicht wertschätzt. Für 850 ? wird vermutlich niemand bei Verstand in Festanstellung arbeiten, aber irgendein Freelancer, der gerade nichts zu tun hat, wird sich schon darauf einlassen...
dessoul schrieb am
Serenity7 hat geschrieben: ?18.08.2020 14:21
Keines der genannten Studios hat jetzt einen echten Hit produziert. Ist mehr so eine deutsche Equivalenz zu den Spielen Elex, Everspace oder The Surge. Deadalic und Kalypso haben auch einige "Hits" produziert. Aber nichts davon war wirklich ein AAA-Hit.
v3to hat geschrieben: ?18.08.2020 13:33 Ehrlich gesagt, glaube ich, dass das große Problem der deutschen Branche seit jeher ist, dass man seit 30 Jahren größeren Hypes hinterherläuft und hofft, dass sich daraus eine konstante wirtschaftliche Basis entwickelt.
Nur zur Info: Zu Zeiten von C64 kamen gute Spiele aus Deutschland. Ein gutes Entwicklerstudio war Rainbow Arts: https://de.wikipedia.org/wiki/Rainbow_Arts
Frostpunk, This war of mine, Children of Morta, The Vanishing of Ethan Carter, Hard West, Ancient Space, Shadow warrier, Dying Light, und einige mehr in der Liste waren Spiele, die recht gut ankamen.
schrieb am