Die Geschichte
Trigger-Warnung: Im Folgenden geht es, unter anderem, um Themen wie Tod und Suizid, die einige Leser möglicherweise als verstörend oder belastend empfinden können.
In der Serie springen wir zurück in die Zeit der ersten Infektion und der Evakuierung einer kleinen Stadt. Prepper und Verschwörungstheoretiker Bill kommt aus seinem Keller, nachdem FEDRA-Soldaten und Bevölkerung abgezogen sind – in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren baut er sich ein eigenes, kleines Reich hinter Stacheldraht auf. Er überlebt, scheint aber ein traurig-verbittertes Leben zu führen. Bis er auf Frank trifft. Der purzelt in eine seiner Fallen, bittet um eine Mahlzeit – und wird für Jahre bleiben. Am Anfang hat man als Zuseher Angst: Zunächst um Frank, weil man nicht weiß, ob Bill den Neuankömmling nicht einfach abknallt oder fortschickt. Dann um Bill, weil auch wir die Beweggründe von Frank nicht kennen: Verliebt er sich wirklich in den untersetzten, grimmig dreinblickenden Prepper oder hat er es nur auf dessen Vorräte und sicheres Haus abgesehen? Hat er nicht! Die beiden werden ein Paar, gehen zusammen durch die Jahre – und durch dick und dünn. Mal braucht der eine Unterstützung, mal der andere. Nach einem großen Zeitsprung werden wir Zeugen der letzten Episode in ihrem Leben – nach einem traurigen und doch irgendwie perfekten letzten Tag nehmen sie sich das Leben. Nicht nur ist dies hochemotional, es gelingt den Story-Schreibern zudem hervorragend, die Handlung um Joel, Tess und Ellie mit der Bill-und-Frank-Geschichte zu verstricken. Schon mittendrin in der Episode sind Joel und Tess mal bei den beiden zu Gast – der offene, lebensfrohe Frank connected wunderbar mit Tess, während sich die beiden wortkargen "Beschützer" Bill und Joel zwar skeptisch gegenüberstehen, aber doch irgendwie verstehen. Am Ende dieser dritten Folge kommen Joel und Ellie zum Haus der Männer, die sich für ein selbstbestimmtes Ende entschieden hatten – Ellie liest Joel den Abschiedsbrief von Bill vor, und webt damit weiter am zarten Band, das zwischen den beiden Reisenden wider Willen entsteht.
Liebe in Zeiten der… Pandemie
Die mit gut 70 Minten überlange Folge mit dem Titel "Long, Long Time" gehört zum Allerbesten, was ich jemals im TV gesehen habe. Und sie kam auch bei den allermeisten Kritikern extrem gut an. Den Drehbuch-Autoren Mazin und Druckmann sowie Peter Hoar, dem Regisseur der Folge, gelingt es umwerfend gut, aus der schwierigen Ausgangssituation eine großartige, intime Liebesgeschichte zu machen. Vom ersten Kuss bis zum letzten Atemzug der beiden leidet und liebt man als Zuseher mit. Es gibt romantische Momente zwischen den ungleichen Männern, kleinere Streits und dramatische Szenen. Die Folge wird dabei nie kitschig oder drückt plump auf die Tränendrüse, sie schildert beide Figuren einfach so menschlich, macht ihre Gefühle derart greif- und nachvollziehbar, dass man gar nicht anders kann als mit ihnen zu lachen und zu weinen. Ich habe vor allem letzteres in der Schlussviertelstunde ausgiebig getan. Selten hat mich eine Handlung auf der Mattscheibe derart emotional gepackt. Ging es euch ähnlich oder konntet ihr das Ganze distanzierter betrachten? Oder habt ihr euch am Ende gar über die deutlichen Unterschiede zum Skript des Spiels geärgert?
Ich bin immer noch von den Socken, wie toll ich das alles finde! Da ist zum einen die Entscheidung, einem Nebencharakter eine derart gute Geschichte auf den Leib zu schneidern – genau so kann man das machen. So entsteht etwas noch Großartigeres aus einer guten Spiele-Story, das haben wir uns in den letzten 20 Jahren doch immer gewünscht. Und dann ist die Episode natürlich auch ein Plädoyer für die Liebe, egal in welcher Ausrichtung. Dieser erste Kuss zwischen dem Ü50-Prepper Bill und dem stoppelbärtigen Lebemann Frank. Das fassungslose Glück der beiden beim gemeinsamen Erdbeer-Essen. Das Herumschieben des gealterten Partners im Rollstuhl. Hat es 17 Jahre nach Brokeback Mountain noch einen Beweis dafür gebraucht, dass gleichgeschlechtliche Liebe genauso toll, aufwühlend, emotional oder traurig sein kann – hier ist er.
Schließlich finde ich auch die stilistische Klammer des Abschiedsbriefs stark: Im Spiel schreibt ihn Frank, den wir dort nicht mal kennen. Er klingt verbittert, doch als Spieler weiß man nicht, was diese beiden Männer verbunden hat – und ob er seinem Partner damit nur den Abschied erleichtern wollte. In der Serie stammt der Brief von Bill: Er blickt zurück auf eine erfüllte Partnerschaft mit Frank und richtet seine letzten Worte an Joel, dem er sich auf besondere Art verbunden fühlt. Gänsehaut, schon wieder! Ich bin, das merke ich auch jetzt beim Schreiben, noch ziemlich aufgewühlt von der Folge, die ich gestern Nacht gesehen habe. Und natürlich sehr gespannt, wie es nächste Woche weiter geht. Doch schon jetzt bin ich mir sicher, dass diese Spiele-Verfilmung von The Last of Us ein Hauptgewinn ist.