von Matthias Schmid,

Wir müssen reden: Wie gut war bitte Folge 3?

The Last of Us (TV-Serie) (Filme & Serien) von PlayStation Productions, HBO
The Last of Us (TV-Serie) (Filme & Serien) von PlayStation Productions, HBO - Bildquelle: PlayStation Productions, HBO
Diesen Artikel solltet ihr nur lesen, wenn ihr die dritte Folge bereits gesehen habt, euch Spoiler überhaupt nichts ausmachen oder ihr ohnehin nicht vorhabt, euch die Serie zu The Last of Us anzuschauen. Denn hier geht es darum, was diese Episode so brillant macht und warum sie an den richtigen Stellen vom Spiel abweicht – zudem würde mich natürlich interessieren, ob ihr auch so geheult habt wie ich…

Die Geschichte


Trigger-Warnung: Im Folgenden geht es, unter anderem, um Themen wie Tod und Suizid, die einige Leser möglicherweise als verstörend oder belastend empfinden können.

Nach zwei starken, aber letztlich doch einigermaßen erwartbaren Episoden weicht Folge Nr. 3 erstmals stark von der Spielehandlung ab: Zum Start begleiten wir Joel und Ellie bei ihrer Reise durchs Land – beide sind noch erschüttert von den jüngsten Ereignissen, suchen in einem verlassenen Laden nach Vorräten, sehen die Überreste eines Flugzeugabsturzes. Doch schon nach wenigen Minuten verlässt die Handlung die beiden Hauptfiguren und konzentriert sich auf das Leben von Bill. Bill? Wer das erste The Last of Us wie ich 2013 gespielt, das Remake aber ausgelassen hat, der erinnert sich vermutlich nur noch dunkel an jenen unfreundlichen Typen mit Gasmaske, der Joel und Ellie zähneknirschend dabei hilft, einen fahrbaren Untersatz zu bekommen. Im Spiel bekam man noch mit, dass Frank – ein Mann, der mit Bill zusammengelebt hat – sich nach einer Cordiceps-Infektion selbst tötete. Über die Beziehung der beiden erfahren wir aber kaum etwas – Bill vermeidet es, darüber zu sprechen, Frank hatte in seinem Abschiedsbrief nur schroffe Worte übrig.

In der Serie springen wir zurück in die Zeit der ersten Infektion und der Evakuierung einer kleinen Stadt. Prepper und Verschwörungstheoretiker Bill kommt aus seinem Keller, nachdem FEDRA-Soldaten und Bevölkerung abgezogen sind – in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren baut er sich ein eigenes, kleines Reich hinter Stacheldraht auf. Er überlebt, scheint aber ein traurig-verbittertes Leben zu führen. Bis er auf Frank trifft. Der purzelt in eine seiner Fallen, bittet um eine Mahlzeit – und wird für Jahre bleiben. Am Anfang hat man als Zuseher Angst: Zunächst um Frank, weil man nicht weiß, ob Bill den Neuankömmling nicht einfach abknallt oder fortschickt. Dann um Bill, weil auch wir die Beweggründe von Frank nicht kennen: Verliebt er sich wirklich in den untersetzten, grimmig dreinblickenden Prepper oder hat er es nur auf dessen Vorräte und sicheres Haus abgesehen? Hat er nicht! Die beiden werden ein Paar, gehen zusammen durch die Jahre – und durch dick und dünn. Mal braucht der eine Unterstützung, mal der andere. Nach einem großen Zeitsprung werden wir Zeugen der letzten Episode in ihrem Leben – nach einem traurigen und doch irgendwie perfekten letzten Tag nehmen sie sich das Leben. Nicht nur ist dies hochemotional, es gelingt den Story-Schreibern zudem hervorragend, die Handlung um Joel, Tess und Ellie mit der Bill-und-Frank-Geschichte zu verstricken. Schon mittendrin in der Episode sind Joel und Tess mal bei den beiden zu Gast – der offene, lebensfrohe Frank connected wunderbar mit Tess, während sich die beiden wortkargen "Beschützer" Bill und Joel zwar skeptisch gegenüberstehen, aber doch irgendwie verstehen. Am Ende dieser dritten Folge kommen Joel und Ellie zum Haus der Männer, die sich für ein selbstbestimmtes Ende entschieden hatten – Ellie liest Joel den Abschiedsbrief von Bill vor, und webt damit weiter am zarten Band, das zwischen den beiden Reisenden wider Willen entsteht.

Liebe in Zeiten der… Pandemie


Die mit gut 70 Minten überlange Folge mit dem Titel "Long, Long Time" gehört zum Allerbesten, was ich jemals im TV gesehen habe. Und sie kam auch bei den allermeisten Kritikern extrem gut an. Den Drehbuch-Autoren Mazin und Druckmann sowie Peter Hoar, dem Regisseur der Folge, gelingt es umwerfend gut, aus der schwierigen Ausgangssituation eine großartige, intime Liebesgeschichte zu machen. Vom ersten Kuss bis zum letzten Atemzug der beiden leidet und liebt man als Zuseher mit. Es gibt romantische Momente zwischen den ungleichen Männern, kleinere Streits und dramatische Szenen. Die Folge wird dabei nie kitschig oder drückt plump auf die Tränendrüse, sie schildert beide Figuren einfach so menschlich, macht ihre Gefühle derart greif- und nachvollziehbar, dass man gar nicht anders kann als mit ihnen zu lachen und zu weinen. Ich habe vor allem letzteres in der Schlussviertelstunde ausgiebig getan. Selten hat mich eine Handlung auf der Mattscheibe derart emotional gepackt. Ging es euch ähnlich oder konntet ihr das Ganze distanzierter betrachten? Oder habt ihr euch am Ende gar über die deutlichen Unterschiede zum Skript des Spiels geärgert?

Ich bin immer noch von den Socken, wie toll ich das alles finde! Da ist zum einen die Entscheidung, einem Nebencharakter eine derart gute Geschichte auf den Leib zu schneidern – genau so kann man das machen. So entsteht etwas noch Großartigeres aus einer guten Spiele-Story, das haben wir uns in den letzten 20 Jahren doch immer gewünscht. Und dann ist die Episode natürlich auch ein Plädoyer für die Liebe, egal in welcher Ausrichtung. Dieser erste Kuss zwischen dem Ü50-Prepper Bill und dem stoppelbärtigen Lebemann Frank. Das fassungslose Glück der beiden beim gemeinsamen Erdbeer-Essen. Das Herumschieben des gealterten Partners im Rollstuhl. Hat es 17 Jahre nach Brokeback Mountain noch einen Beweis dafür gebraucht, dass gleichgeschlechtliche Liebe genauso toll, aufwühlend, emotional oder traurig sein kann – hier ist er.

Schließlich finde ich auch die stilistische Klammer des Abschiedsbriefs stark: Im Spiel schreibt ihn Frank, den wir dort nicht mal kennen. Er klingt verbittert, doch als Spieler weiß man nicht, was diese beiden Männer verbunden hat – und ob er seinem Partner damit nur den Abschied erleichtern wollte. In der Serie stammt der Brief von Bill: Er blickt zurück auf eine erfüllte Partnerschaft mit Frank und richtet seine letzten Worte an Joel, dem er sich auf besondere Art verbunden fühlt. Gänsehaut, schon wieder! Ich bin, das merke ich auch jetzt beim Schreiben, noch ziemlich aufgewühlt von der Folge, die ich gestern Nacht gesehen habe. Und natürlich sehr gespannt, wie es nächste Woche weiter geht. Doch schon jetzt bin ich mir sicher, dass diese Spiele-Verfilmung von The Last of Us ein Hauptgewinn ist.


Kommentare

Sun7dance schrieb am
Vielleicht genießt man die Serie auch deswegen mehr, weil einfach weniger geredet....nee....weniger gelabert wird.
Auch beinhaltet nicht jeder Satz eine Lebensweisheit, Ratschlag oder völlig unnötige Erklärung für irgendwas, weil man den Zuschauer mal wieder für einen Vollidioten hält.
Wenn man sich heutige Filme, Serien und Spiele so anschaut, dann habe ich da einfach zu oft das Gefühl, dass mich da einer an der Schulter packt und einfach mitzieht. Dann saust alles nur so an mir vorbei und dabei ist es auch nicht wichtig, ob ich das noch alles bewusst mitkriege.
Meistens will man das auch nicht, da die Entwickler oft selber wissen, was für einen Mist sie da verzapft haben.
Nehmt nur mal das neue Spiel Forspoken oder eben die Serie La Brea als jüngste Beispiele.
Auch die Herr der Ringe Serie konnte ich hinten raus nicht genießen, aber zumindest war die nicht ganz so aufdringlich und weist für mich immer noch Potenzial auf.
PW:1234 schrieb am
TLOU 1 kann ich mittlerweile auswendig spielen. Daher war ich auf die Umsetzung als Serie gespannt. Mir gefällt das gezeigte bisher sehr gut und hoffe schon jetzt auf die zweiten Staffel.
Eigentlich hatte ich mich schon auf die Konfrontation von Ellie und Bill gefreut :mrgreen:. Aber die (hier massive) Anpassung ist mMn gut gewählt und mehr als gelungen. Die Liebesbeziehung zwischen Bill und Frank fühlt auch nicht an wie das Abhaken einer LGBTQ+ To-Do-Liste. Ganz im Gegenteil. In der Serie kann eben wesentlich mehr Tiefgang umgesetzt werden. Das ist Mazin und Druckman bisher hervorragend gelungen. Gerne weiter so! Das erzählerische Niveau finde deutlich höher als bei the walking dead. Die Serie habe ich jetzt 3 mal angefangen und wegen Langeweile vorzeitig abgebrochen...
Wortakrobat schrieb am
kneudel hat geschrieben: ?03.02.2023 09:52
Wingclip hat geschrieben: ?02.02.2023 12:55 Die Serie hat hier das Spiel erzählerisch hier ganz klar überflügelt und verbessert. Keine Ahnung wer da die Entscheidungen bei der Serie trifft, aber die Person(en) machen das richtig gut.
Neil Druckmann. Genau der Gleiche der auch Spiele Part I und II geschrieben hat. Ich finde der Typ ist ein Genie. Ich mag einfach wie er Geschichten erzählt. Es wirk alles sehr natürlich. Und ne Plotarmor hat auch keiner.
Nope, Craig Mazin ist der Showrunner. Neil Druckman hat mitgeschrieben. Ich denke aber, dass Mazin die klar kreativ - treibende Kraft dahinter ist. Steht auch im Vorspann, dass er die Episoden geschrieben hat.
Neil ist leider kein besonders guter Ideenmensch, meiner Meinung nach, denn sein gesamter Kosmos ist ein Sammelsurium an bereits bekannter Popkultur. Auch seine Dialoge sind oft mit dem Holzhammer erzählt, das fällt nur niemandem auf, wenn man geile Grafik sieht und einen Controller in der Hand hält.
Wortakrobat schrieb am
Spannender Beitrag. Ich hätte mir tatsächlich einen ähnlich subtilen Umgang mit dem Thema gewünscht, wie im Spiel ursprünglich transportiert.
So ist es leider eine ziemlich banale, enorm klischeehafte und nach typischem Muster ablaufende Liebesgeschichte mit tragischem Ausgang geworden. Da waren die meisten Teenie-Liebesfilme mit ähnlicher Thematik schon wesentlich einfallsreicher - und auch mutiger.
Denn mutig war an der Episode gar nichts, sondern für mich wirkte die Folge wie ein Anbiedern an kommende Awards. Leider.
Und warum der Charakter in der Nacht in weißem Hemd mitten auf der Strasse mit einer Schrotflinte ballert, hat sich mir auch nicht erschlossen?
Trotzdem war das Schauspiel gut anzuschauen. Nur die Kameraarbeit war auch in dieser Folge wieder sehr einfallslos. Überhaupt hangelt man sich momentan in der Serie von Klischee zu Klischee. Würde die Serie anders heissen, würden alle sofort gähnend feststellen, dass man doch schonmal alles irgendwo anders gesehen hat.
In Walking Dead fand ich die zwischenmenschlichen Momente übr wesentlich intensiver, dramatischer, packender und vor allem: einfallsreicher.
Ich suche immer noch nach einer Erklärung für diese absurd hohen IMDB-Wertungen. Und mich wundert immer mehr, wie seltsam einfach man Serienzuschauer mitlerweile begeistern kann und ihnen vorgaukeln kann, sie hätten etwas total Neues gesehen. Die Psychologie ist da enorm spannend.
LeDöp schrieb am
Hatte eigentlich null Lust auf die Serie, aber nun muss sie wohl mal geguckt werden. Ich gebe ihr eine Chance.
schrieb am