von Michael Krosta,

Game Developers Conference Europe 2016: Creating Stories for Games

Game Developers Conference Europe 2016 (Messen) von
Game Developers Conference Europe 2016 (Messen) von - Bildquelle: UBM Tech Game Network


Bei seinem Vortrag auf der Game Developers Conference Europe befasste sich Matthew Luhn mit der Thematik, wie man das Schreiben von Geschichten für Videospiele angehen könnte. Durch seine langjährige Arbeit im Story Department von Pixar ist er zwar primär ins Filmgeschäft involviert, sieht aber dennoch viele Parallelen bei den Mitteln und der Herangehensweise, wie man eine Geschichte für interaktive Unterhaltung konstruieren kann.

Zunächst gewährte er nicht nur einen kleinen Einblick in seinen Werdegang vom Trickzeichner zum Story-Schreiber, sondern auch in die Arbeitsweise des bekannten Disney-Studios. Zum Beginn der Arbeitswoche setzen sich die Autoren z.B. zusammen und berichten von ihren Erlebnissen am Wochenende, die oft als Inspiration für neue Ideen dienen. Dabei liegt der Fokus innerhalb der Story-Abteilung nicht nur auf dem geschriebenen Wort, sondern die Texte werden umgehend visualisiert. Diese kleinen Comics helfen laut Luhn ungemein dabei, die spätere Umsetzung zu erleichtern, weil sie bereits visuelle Ansätze für die angestrebte Kulisse, Atmosphäre oder Kameraeinstellungen beinhalten.

Für ihn dienen Geschichten nicht nur dazu, die Welt zu verstehen, Ideen zu verbreiten und zu unterhalten. Die größte Aufgabe und Leistung von Geschichten liegt darin, Gefühle zu wecken. Dabei unterscheidet Luhn zwischen der linearen Story-Struktur eines Films wie Star Wars und einer interaktiven Story-Kreation, die durch persönliche Erlebnisse und Erfahrungen bestimmt wird. Erstere vergleicht er mit einer Achterbahnfahrt: Das Publikum begibt sich auf die Reise, hat aber keinen Einfluss auf die Richtung und muss einer linearen Geschichte folgen. Die interaktive Story-Kreation, zu der Luhn auch Videospiele zählt, sei dagegen mehr wie Autoscooter. Dort könne man zwar Richtung und Ereignisse beeinflussen, befinde sich aber durch die Fahrbahngrenzen immer noch innerhalb eines geschlossenen Raums.

Luhn stellte sich die Frage, was beide Ansätze gemeinsam haben und präsentierte seine Herangehensweise, die sich sowohl bei Filmen als auch Videospielen anwenden lässt. Für ihn wird eine gute Geschichte von fünf Säulen getragen: Aufhänger (Hook), Verbindung (Connect), Veränderung (Change), Authentizität (Authenticity) und der Struktur (Structure). Dabei soll der Aufhänger vor allem möglichst früh die Aufmerksamkeit der Leute wecken – sei es durch etwas Ungewöhnliches, Unerwartetes, eine besondere Aktion oder einen Konflikt. Die Fragestellung „Was wäre wenn...“ erweist sich für Luhn als guter Ansatz, um erste Ideen für ein mögliches Szenario zu bekommen. Für Beispiele greift er in die Pixar-Kiste: Was wäre wenn Superhelden plötzlich keine Leute mehr retten dürften? Was wäre wenn eine Ratte ein Chefkoch werden will?

Im nächsten Schritt sollte der komplette Handlungsrahmen auf einen einzigen Satz heruntergebrochen werden. Luhns goldene Regel: „Haltet die Sache so einfach wie möglich!“ Zwar kann sich diese Zusammenfassung über mehrere Zeilen erstrecken, doch erfüllt der Satz vor allem zwei Zwecke: Zum einen konzentriert man sich auf das Wesentliche und verliert sich nicht schon am Anfang in Details. Zum anderen dient der Satz fortan als Kompass, wohin sich die Geschichte entwickeln wird. Was treibt sie an? Wie fängt sie das Publikum ein und entwickelt sich weiter? Es ist die Suche nach dem Aufhänger, die mit diesem Satz abgeschlossen werden soll.

Großartige Geschichten zeichnen sich für Luhn dadurch aus, dass sich Charaktere im Laufe der Handlung verändern und das Publikum diese Veränderungen zusammen mit dem Protagonisten durchmacht. Um dies zu veranschaulichen griff er erneut auf Pixar-Beispiele zurück, darunter die Entwicklung einer naiven zur bewussten Hauptfigur bei der Monster AG, dem Wandel eines arroganten zu einem mitfühlenden Auftreten bei Cars oder ein Blick auf Findet Nemo, wo ein überfürsorglicher Vater im Laufe der Geschichte lernt, endlich loszulassen. „Du musst alles über deine Charaktere wissen, selbst wenn das Publikum nicht alles erfährt“, meinte Luhn und regte an, für jede seiner Figuren einen kleinen Steckbrief anzulegen.

Bei der nächsten Säule – der Verbindung – sollte man sich die Frage nach dem Zielpublikum stellen. Was ist ihm wichtig? Wie kann man dafür sorgen, dass es etwas mit der Geschichte anfangen kann? Der Schlüssel liegt für Luhn darin, eine interessante Welt oder Umgebung zu erschaffen, die auf die Leute anziehend wirkt und die sie verstehen. Bereits am Anfang sollte man die Regeln der Welt erklären. Die Kunst liege laut Luhn aber darin, dies nicht im Stil eines Lehrers zu tun, sondern es möglichst unterhaltsam rüberzubringen. Dabei verwies er auf den Einstieg des Pixar-Films „Alles steht Kopf“, wo bereits innerhalb der ersten Minuten veranschaulicht wird, wie und nach welchen Regeln diese Welt im Kopf funktioniert. Doch das Publikum wolle nicht nur in die Welt eintauchen, sondern auch die Gefühle des Helden teilen.

Ein wichtiger Faktor für eine gute Geschichte ist für Luhn die Authentizität. „Sei nicht clever. Sei verwundbar und ehrlich“, lautet hier seine Maxime, denn erst verwundbare Charaktere können seiner Meinung nach Empathie und Authentizität erschaffen. Anstatt einer Superhelden-Show solle man lieber Schwächen und die Verwundbarkeit der Protagonisten zeigen. Und auch hier hatte er ein Beispiel aus der Filmwelt parat: „Indiana Jones versagt vor allem im ersten Film Jäger des Verlorenen Schatzes eigentlich die ganze Zeit“. Warum er dennoch als Held wahrgenommen wird? Für Luhn ganz klar: „Helden zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie niemals aufgeben.“

Als Todsünde bzw. absolutes No-Go bezeichnet er den Versuch, dem Publikum zu sagen, was es in einem bestimmten Moment fühlen soll. Außerdem regte er an, sich am Vorbild von Pixar zu orientieren und die Verantwortung für Projekte in die Hände von leidenschaftlichen Mitarbeitern zu legen. Der Grund, warum Geschichten von Pixar so viel Herz haben, liegt für Luhn darin, dass in der Regel die Person Regie führt, die sich die Handlung ursprünglich ausgedacht hat.

Hinsichtlich der Struktur verfolgt Luhn einen simplen Ansatz: Zwar räumte er ein, dass er am Anfang seiner Ausbildung mit seinen Geschichten vor allem gängige Regeln und Konventionen brechen wollte, um sich dadurch abzuheben. Mit der Zeit sei er aber zu der Erkenntnis gelangt, dass eine gute Geschichte eigentlich nur konventionell einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende benötige. Dies sei im Hinblick auf unsere Welt und das Leben einfach natürlich, denn genau wie ein Tag am Morgen beginne und in der Nacht ende, spiegelt für ihn auch ein Menschenleben diese klassische Story-Entwicklung von der Geburts bis zum Tod wider.



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