von Julian Dasgupta,

Quo Vadis 2012: Vertrauenskrise in der Branche?

Quo Vadis 2012 (Messen) von Aruba Studios / Medienboard Berlin-Brandenburg
Quo Vadis 2012 (Messen) von Aruba Studios / Medienboard Berlin-Brandenburg - Bildquelle: Aruba Studios / Medienboard Berlin-Brandenburg
Am Eröffnungstag der Quo Vadis 2012 wurde gleich ein heißes Thema diskutiert. Aufgrund der DLC-Politik, Kopierschutzmaßnahmen und anderer Restriktionen würden viele Spieler Herstellern eher skeptisch gegenüber stehen. Diese wiederum hätten aufgrund des Raubkopierproblems ein gestörtes Verhältnis zu ihren Kunden.

Dr. Maximilian Schenk sah erwartungsgemäß keine generelle Vertrauenskrise - ganz im Gegenteil: die Spielebranche sei ein Vorreiter der digitalen Welle. Was nicht verwundert: Schenk war als Geschäftsführer des Bundesverbands Interaktive Unterhaltungssoftware schließlich einer der beiden Vertreter der Publisherseite in der Diskussionsrunde. Sina Kamala Kaufmann von der Social-Games-Schmiede wooga fand hingegen: Es gebe derzeit einen Umbruch in der Branche; neue Geschäftsfelder und -modelle würden sich auftun. Die derzeitigen Debatten seien letztenlich nur eine Art Wachstumsschmerz.

Wie schaffte es Electronic Arts, zum "schlechtesten Unternehmen" der USA gewählt zu werden? Markus Beckedahl von Netzpolitik.org führte an, dass viele Spieler eine emotionale Beziehung zum Hersteller haben, die durch eine restriktive Politik und Maßnahmen wie Zusatzinhalte arg beschädigt wurde.

Der ehemalige GEE-Mann Heiko Gogolin, der mittlerweile ein eigenes Plattenlabel hat, verwies auf die Erfahrungswerte der Musikindustrie. CD-Kopierschutz und DRM bei digitalen Daten hätten sich nicht bewährt. Die Kunden würden eine gewisse Flexibilität einfordern.  Die von Beckedahl angesprochene emotionale Beziehung sei ja auch bewusst von den Herstellern aufgebaut worden, da diese versuchen, Marken zu etablieren und Spieler an sich zu binden. Die Debatte um das Ende von Mass Effect 3 hätte dies einmal mehr gezeigt.

Dr. Jeanette Hofmann (Institut für Internet und Gesellschaft) warf ein, dass sich die Rolle des Nutzers verändert hat. Der sei längst nicht mehr der simple passive Konsument, sondern wolle sich selbst einbringen und poche dabei auf ein gewisses Selbstbestimmungsrecht.

Schenk merkte an, dass niemand behaupten würde, dass das Urheberrecht überflüssig ist. Allerdings sei die aktuelle Gesetzgebung nicht mehr zeitgemäß und müsste überarbeitet werden. Werke wie Filme und Bücher würden vielleicht noch abgedeckt - bei Software greife das Urheberrecht ins Leere. Innerhalb der Wirtschaft gebe es keine Einigkeit hinsichtlich der digitalen Verwertung von Werken, so Hofmann. Der Streit zwischen Youtube und der GEMA sei ein Zeugnis dessen.

Das Urheberrecht müsse deutlich vereinfacht werden, so Beckedahl - in der derzeitigen Form hätten nicht mal dafür zuständigen Politiker einen Überblick und würden mit ihren eigenen Webseiten teilweise selbst dagegen verstoßen. Dabei müsse man endlich akzeptieren, dass sich gewisse Dinge einfach nicht kontrollieren lassen. Hofmann forderte zudem eine Reformierung der Verwertungsgesellschaften. Schenk: Man dürfe aber nicht vergessen, an jene zu denken, um die es geht: Die, die Inhalte schaffen.

"Transparenz ist nicht genug"

Es sei sicherlich Aufgabe der Hersteller, die Kunden besser über Einschränkungen wie den Online-Pass oder andere Dinge zu informieren, so Schenk. Man wolle transparenter sein. Beckedahl konnte mit jenem Ansinnen allerdings nicht allzu viel anfangen: Der Begriff "Transparenz" werde ja oft in den Raum geworfen, sei ihm aber letztendlich egal. Er wolle das Recht haben, Inhalte weiterzuverkaufen oder auf mehreren Geräten zu nutzen.

Hofmann hat ebenfalls ein Problem mit der "Transparenz" - als Kunde sei man dann vielleicht informiert, habe man trotzdem keine Wahl, wenn einem die Nutzungsbedingungen aufgedrückt werden. Transparenz bedeute ja nicht, dass die Käufer mehr Rechte bekommen - der Grunddebatte könne man damit nur bedingt gerecht werden.

Gogolin forderte abschließend: Der Kunde müsse endlich ernst genommen werden. Hier gebe es oft Defizite, wie man angesichts der Informationspolitik Sonys nach dem PSN-Hack sehen konnte. Produkte müssten außerdem eine flexiblere Nutzung gestatten. Ähnlich wie in der Musikindustrie könnte es sonst irgendwann eine Umsatzkrise geben. Schenk sieht diese Gefahr zumindest derzeit nicht: Hersteller und Spieler seien "nah beieinander." Auch ein Preisproblem gebe es nicht. Im Vergleich zu Filmen würden Spiele einen deutlich besseren Gegenwert bieten.

Nicht ganz klar ist, was Schenk abschließend meinte, als er sagte: Bei der ACTA-Debatte habe ihn noch niemand gefragt, wann er sich mit einem 60-seitigen Dokument auseinandergesetzt hat. Beckedahl nutzte jenen Kommentar als Vorlage und erwidert mit Hinblick auf die übliche EULA-Flut süffisant: Das müsse er selbst ja eigentlich jedes Mal machen, wenn er irgendeine Software installiert.


Kommentare

johndoe1238056 schrieb am
Fiddlejam hat geschrieben:Mit deinen Worten: Quellen? Empirische Belege?
Selbst wenn wir annehmen, was völlig abwegig ist, dass jeder, der das Spiel kauft, dann den Crack runter lädt, hast du noch einige Millionen, die es offenbar nicht gekauft haben - und willst du ernsthaft behaupten, nicht einer dieser Personen hätte es gekauft?
(Womit wir wieder nur beim wirtschaftlichen und nicht beim moralischen Aspekt wären.)
Ich habe ja nie behauptet, es hätte niemand das Spiel gekauft, anstatt es zu saugen. Wie viele Leute das aber wirklich sind, weiß kein Mensch. Insofern sind alle Zahlen, die sich mit Verlusten der Firmen beschäftigen, rein hypothetisch und ich persönlich glaube(was anderes als glauben macht hier ja sowieso keiner), dass die Zahl der möglichen Verkäufe verschwindend gering ist. Andersherum glaube(schon wieder glaube, ich weiß es natürlich auch nicht) ich, dass es inzwischen genügend Leute wie mich gibt, die sich angewidert von den großen Publishern abwenden. Das Problem des illegalen Herunterladens gab es ja sogar mit einem C64 und Akustikkoppler schon und ich denke, dieses Problem wird es auch in 20 Jahren noch geben. Jede Abwehrreaktion der Softwarefirmen wurde gekontert, also werden letztendlich nur die Käufer geärgert. Das ist grundsätzlich kontraproduktiv. Ich könnte hier erzählen, warum ich nach GT Legends SimBin boykottiert habe(kann sich jemand an die tollen Starforce-Treiber erinnern?). Mein Boykott sieht halt so aus, dass ich von denen nichts mehr gekauft (und auch nichts gesaugt) habe. Inzwischen steht aber fast jeder große Publisher auf meiner persönlichen nogo-Liste. So lang ich mit dieser Meinung alleine dastehe, wird es den Publishern egal sein, aber wehe es fangen ein paar andere Leute an, ähnliches zu denken.
Sir Richfield schrieb am
Fiddlejam hat geschrieben:Der Publisher vertritt den Schaffenden in den meisten Fällen nur - recht wenige Autoren verkaufen ihr gesamtes IP einfach so, und viele werden nach Erfolg des Produktes bezahlt, nicht nur einmalig.
Generell nicht unrichtig.
Wenn wir beim Publisher im Bereich Software bleiben, so ist da aber inzwischen eher ein Angestellten Verhältnis gewachsen. Oder besser: Dienstleistung.
Dass die Entwickler dann mehr als für die Erstellung bezahlt werden ist eine Einzelfallrechnung und meist noch an Bedingungen geknüpft.
Was Buchautoren betrifft, fehlen mir die Zahlen.
Interessant finde ich allerdings, dass im Moment gerade die Gruppe Medienwirksam aufheult, die eben genau wie beschrieben bestohlen wird.
Die Tatort Autoren z.B.
Also 1) sind die von einer "Kulturflatrate" bezahlt worden, nämlich unseren Rundfunk-Gebühren und 2) bekommen die nur Geld für's Drehbuch und sonst nix mehr. Wollen die wieder Geld, müssen die wieder ein Drehbuch verkaufen.
Von Zeitungsredakteuren mal ganz zu schweigen. Da nehmen sich die Verlage heraus, den freien Autoren einen Vertrag zu geben, in dem steht, dass sie auch das Recht erhalten, die Dinge auf "noch unbekannte Weise" zu verkaufen - ohne dass der Autor davon einen Cent sieht.
Aus diesem Grund darf man in meiner Gegenwart gerne mit dem Recht kommen - dann aber bitte mit dem richtigen!!! - aber nicht mit der Moralkeule.
Denn solange sich die angeblichen Vertreter so gegenüber denen verhalten, an deren Arbeit sie verdienen, brauchen die von mir keine Gewissensbisse erwarten, weil ich die Produkte nicht kaufe.
PixelMurder schrieb am
Sir Richfield hat geschrieben:
und das gilt auch für sogenannte virtuelle Güter.
Ob Schokoriegel, Audi oder Game, es wurde von Leuten hergestellt und gehört nicht dir, bevor du es bezahlt hast.
Und eben da irrst Du, weil Dir das Spiel nämlich NICHT gehört.
Du erwirbst... oder besser mietest - ein Lizenz, die Daten nutzen zu dürfen.
Ich mag den Ansatz von Robin Hood auch, der die Reichen bestiehlt und es den Armen gibt, aber Raubkopierer und Runterlader sind einfach nur Diebe.
Sind sie weder technisch noch rechtlich, deal with it.
Eben diese Sturheit in der Law and Order Fraktion führt ja zu nix. Dieses Augen schließen von der Wirklichkeit macht alles ja nur viel schlimmer.
Solche Feinheiten wie dass Software Lizenzen sind, sind mir schon klar.
Und da bin ich stur, Raubkopierer und Runterlader sind für mich Diebe. Wie schwere Diebe sie nach Gesetz sind oder ob sie verurteilt werden oder nicht, ist für mich dabei nicht von Belang, wenn ich auch nicht gleich dazu aufrufen würde, Raubkopierer höher zu hängen ;-).
Ich gehöre keineswegs zur Law and Order-Fraktion und ich traue mir sogar zu, zu wissen, welche Gesetze ich verletzen kann, das sind alles solche, die niemandem anderen weh tun. Diebstahl gehört aber nicht mehr dazu, seit ich zuletzt vor 30 Jahren mit meinen Kollegen beim Ladendiebstahl erwischt wurde. Ich habe nur irgend wann mal gemerkt, dass meine Eltern Recht damit hatten, als sie mich über mein und dein aufklärten.
Fiddlejam schrieb am
Es geht nicht bloß um irgendeinen wirtschaftlich Aspekt? Warum ist es dir dann nicht völlig egal, ob deine Bücher/Bilder von irgendeinem Penner fotokopiert, oder von irgendeinem anderen Penner bei amazon verkauft werden? Da geht es doch ganz offensichtlich nur um den wirtschaftlichen Aspekt.
Nein, denn als Macher eines Werkes muss mir das Recht eingeräumt werden, es zu kontrollieren.
Ich muss Geld dafür verlangen dürfen, ich muss es versteckt halten dürfen, ich muss das Recht haben, es gegen Veränderung und/oder Kopie zu schützen, wie ich auch das Recht haben muss, von all diesen Dingen genau das Gegenteil zu tun.
Das ist keine wirtschaftliche Angelegenheit, das ist eine moralische.
Die ganzen Drucke von da Vinci, Cézanne, Monet, Warhol und co. haben die Kunst also kaputt gemacht und der Louvre macht auch bald dicht, weil sich kein Mensch mehr die Originale ansehen will.
Alles, was du aufzählst muss bezahlt werden. Im Übrigen besteht ein Unterschied zwischen dem Druck eines Bildes und des Originals, wohingegen die Kopie eines Spiels exakt dieses Spiel, nur eben losgelöst von einem physischen Datenträger ist.
Wenn ich beim nächsten Konzertbesuch am Einlass erstmal eine aufs Maul kriege und danach gezwungen werde, mich komplett auszuziehen, war das für mich persönlich mein letzter Konzertbesuch.
Bitte, dann war es dein letzter, aber legitimiert das das Einschleichen ins Konzert/eine Schwarzkopie?
Würde ich ein Restaurant boykottieren wollen, weil die Preise zu hoch und die Bedienung zu unfreundlich sind, könnte ich genauso versuchen, an das Essen ranzukommen.
Womit du Diebstahl begehst, und was noch dazu, wie bereits gesagt, hochgradig heuchlerisch ist.
Wie gesagt: Euch gefällt etwas nicht? Dann verzichtet darauf. Ihr saugt es trotzdem? Dann kann es so schlecht nicht sein.
Hast du nur dann Recht, wenn man davon ausgehen könnte, dass auch nur eine einzige Raubkopie gekauft worden wäre, sollte kopieren unmöglich sein.
Fixed.
Die Höhe des Schadens ist irrelevant, und...
Sir Richfield schrieb am
PixelMurder hat geschrieben:Der Unterschied dabei ist rechtlich nur das Strafmass, da man für das zweite mehr kriminelle Energie und Vorrsatz braucht, moralisch ist es das selbe
Rechtlich ist es das selbe, aber nicht das gleiche, richtig.
Vorsatz ist übrigens wieder ein ganz anderes Ding, das ist eine extra Wertung.
Oft ist aber der Preis entscheidend.
und das gilt auch für sogenannte virtuelle Güter.
Ob Schokoriegel, Audi oder Game, es wurde von Leuten hergestellt und gehört nicht dir, bevor du es bezahlt hast.
Und eben da irrst Du, weil Dir das Spiel nämlich NICHT gehört.
Du erwirbst... oder besser mietest - ein Lizenz, die Daten nutzen zu dürfen.
Das ist ein großer und technischer Unterschied zu "Ich kaufe einen Schokoriegel und werfe ihn weg oder esse ihn oder schenke ihn meinem Freund... Bzw. im Falle von Twix oder Kitkat: Ich teile ihn mit meinem Freund."
Ich mag den Ansatz von Robin Hood auch, der die Reichen bestiehlt und es den Armen gibt, aber Raubkopierer und Runterlader sind einfach nur Diebe.
Sind sie weder technisch noch rechtlich, deal with it.
Eben diese Sturheit in der Law and Order Fraktion führt ja zu nix. Dieses Augen schließen von der Wirklichkeit macht alles ja nur viel schlimmer.
Zu den immateriellen/virtuellen Gütern: es braucht nur spezielle Gesetze dafür, weil immer mehr Leute flächendeckend meinen, es seien keine echten Güter und weil die Justiz ein Problem hätte, würde sie die selbe Energie für Game-Diebe, wie für Audi-Diebe aufbringen müssen.
Häh? Wir HABEN spezielle Gesetze für Urheberrechtsverletzungen, Produktpiraterie, Patentverletzungen, Geschmacksmusterverletzungen, Beleidigung, Ehrverletzung und was auch immer.
Die Justiz sollte eigentlich mal das Problem haben, aber das haben sie ja wunderbar der Wirtschaft überlassen. Rechtlich müsste jeder Torrent Upload zur Anzeige gebracht werden und dann auch verfolgt werden.
Aber alle Beteiligten lehnen sich lieber zurück und lassen Anwälte massenhaft Briefe schreiben.
Warum werden die nicht alle...
schrieb am