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Rise of the Ronin im Test: Open World-Einheitsbrei mit Gourmet-Action

Ein bisschen Nioh, ein bisschen Sekiro, ein bisschen Ghost of Tsushima: Wer sich mit im feudalen Japan angesiedelten Action-Rollenspielen auskennt, der stolpert in Rise of the Ronin von einem Deja-Vu ins nächste. Team Ninjas neues Abenteuer ist eine Amalgamation von Mechaniken und Konzepten, die in genau diesem Setting alle schon mal benutzt wurden. Ist das schlimm? Nicht zwangsläufig. Aber es wirft die Frage auf, warum man sich dem überlaufenen Open World-Genre zugewendet hat, statt der missionsbasierten Linie treu zu bleiben – und was Rise of the Ronin überhaupt noch für Spieler zu bieten hat, die bereits in anderen Titeln als virtueller Samurai unterwegs waren. Um das herauszufinden, haben wir über 40 Stunden im Japan des 19. Jahrhunderts verbracht, uns mal auf die Seite des Shogunats und mal auf die der Rebellen geschlagen, und unser Katana mit literweise Feindesblut besudelt. Unsere Ergebnisse könnt ihr im folgenden Test nachlesen.

© PlayStation Studios, Team Ninja

Rise of the Ronin: Zwei Klingen, ein Schicksal
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Bevor ihr auf die Hügel und Täler Japans losgelassen werdet, gibt es erstmal die klassische Tutorial-Mission, die euch die Grundlagen erklärt. © 4P/Screenshot
Wir schreiben das Jahr 1853:

Als eine Zwillingsklinge wachst ihr zusammen mit eurem Gegenstück im Dorf der verborgenen Schneide auf. Ihr gehört einer ausgebildeten Einheit von Elitekämpfern an und werdet in Rise of the Ronin maßgeblich daran beteiligt sein, das Land wie ein weiches Stück Ton zu formen

– durch Schlachten, Intrigen, Dialoge

. Doch ein besonders pikanter Auftrag, der uns auf die aus dem Westen gekommenen Schwarzen Schiffe führt, läuft aus dem Ruder, und schon bald werdet ihr von eurem Partner in Crime getrennt. Eure Suche nach ihm führt euch heraus aus dem Dorf in die Weiten Japans, in Regionen rund um bekannte Städte wie Yokohama, Edo (das damalige Tokio) oder Kyoto.

 

Hier ist der Wandel derweil nicht mehr aufzuhalten: Aufgrund der angereisten Amerikaner plant das Shogunat, das eigentlich verschlossene Land für den Handel mit der Außenwelt zu öffnen, während eine Reihe von nationalistischen Rebellen dies verhindern und die aktuelle Regierung stürzen möchte. Als selbstständiger Spielball landet ihr zwischen den Fronten und nehmt die Zügel für die Zukunft Japans selbst in die Hand: Helft ihr dem Shogunat unter der Führung von Yoshinobu Tokugawa dabei, den Austausch mit den Amerikanern voranzutreiben und den aufkommenden Widerstand im Keim zu ersticken? Oder greife ihr eben jenen Aufständischen unter die Arme und versucht, Japan wieder abzunabeln?

 

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Bei einigen Dialogen könnt ihr nicht nur entscheiden, in welchem Tonfall ihr antwortet, sondern auch, ob ihr eurem Gegenüber droht oder gleich einen Streit vom Zaun brecht. © 4P/Screenshot

Wer sich mit den historischen Ereignissen rund um die sogenannte Meiji-Restauration ein wenig auskennt, der weiß natürlich schon, was genau ab 1868 im Land der aufgehenden Sonne passiert und trotz einer Menge einflussnehmender Entscheidungen scheint Rise of the Ronin die Geschichte nicht vollständig umzuschreiben. Trotzdem steht ihr immer wieder vor der Wahl, welcher Fraktion ihr die Klinge schwört und könnt in der Gunst historischer Persönlichkeiten aufsteigen – oder ihr Leben vorzeitig beenden. Der starke Fokus auf die Geschichte und seine Figuren steht dem Spiel gut zu Gesicht und fungiert inmitten der Open World oft als treibender Motor.

 

Mithilfe von verschiedenen Dialogoptionen könnt ihr eure Gesprächspartner belügen, überzeugen oder einschüchtern, eine friedliche Lösung aushandeln oder Blut fließen lassen – und euch so neue Wege eröffnen oder verschließen. Wer inmitten der politischen Unruhen nicht vorzeitig ins Gras beißt, steht euch für das Vertiefen von Bindungen zur Verfügung: Hier ist das Auswählen der richtigen Antwortmöglichkeiten genauso wichtig wie das Verteilen von Geschenken oder das Erfüllen von Charakter-spezifischen Missionen. Als Belohnung warten intime Momente der Zweisamkeit, verbesserte Kampfstile und natürlich nützliche Gegenstände auf euch; die Dialoge wirken authentisch, wenn auch aufgrund der historischen Umstände mitunter etwas gestelzt.

 

Open World-Ohnmacht

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Zu den vielen belanglosen Nebenaktivitäten in der Open World von Rise of the Ronin gehört zumindest auch das herzerwärmende Streicheln von felligen Vierbeinern. © 4P/Screenshot

Wenn ihr bereits Erfahrungen mit den letzten Team Ninja-Titeln wie Nioh oder Wo Long: Fallen Dynasty gesammelt habt, dann dürft ihr euch bei Rise of the Ronin spielerisch auf ein neues Framing einstellen. Statt pointierter Missionen in schlauchartigen Gebieten mit der ein oder anderen Abzweigung, Abkürzung und Ablenkung, bekommt ihr hier eine klassische Open World vorgesetzt, die sich dank den neueren Assassin’s Creed-Spielen, Horizon Zero Dawn und Forbidden West, The Witcher 3 oder Ghost of Tsushima in den letzten Jahren zum dominierenden Genre-Trend gemausert hat – und zwar wirklich klassisch.

 

An jeder Ecke wartet Sammelkram auf euch, häufig mit dem entsprechenden Symbol auf eurer Karte markiert: An Schreinen beten, Katzen streicheln, Fotos schießen; Flüchtige Ronin besiegen, Pappziele mit dem Gleiter durchfliegen, Schießübungen mit dem Gewehr oder Pfeil und Bogen, stehend oder auf dem Rücken meines treuen Rosses. Auch die typischen Banditenlager dürfen nicht fehlen, stellen dank des genialen Kampfsystems (dazu später mehr) aber immerhin noch den spaßigsten Zeitvertreib dar. Ab und an bricht am Wegesrand ein Streit vom Zaun, ein Händler wird überfallen oder ein Meister will seinen Schüler im Schwertkampf testen – die spontanen Ereignisse beleben die sonst stagnierende Open World, sind spielerisch aber genauso wenig innovativ wie der Rest des Genre-Gulaschs.

 

Zwar sorgt das Aufräumen von Banditenlager dafür, dass die öffentliche Ordnung wieder hergestellt wird, was neue Aktivitäten auf der Karte aufdeckt und später auch die Stärke der Pro- und Anti-Shogunat-Fraktionen beeinflusst; letztendlich handelt es sich hier aber um reine Prozentzahlen im Menü, die keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Wer gerne einen kilometerlangen Einkaufszettel abarbeitet und Prozenten beim Steigen zusieht, wird hier immer noch glücklich, aber angesichts der Open World-Fließbandarbeit, die uns seit zehn Jahren von der Industrie vor die Füße gespült wird, dürften sich hier bei vielen Spielern Ermüdungserscheinungen einstellen.

 

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Marker, Marker und noch mehr Marker: Links bekommt ihr serviert, wo es als nächstes hingeht, rechts, was ihr schon erledigt habt. Befriedigend, aber eben auch stumpf. © 4P/Screenshot

Zumal Rise of the Ronin wirklich keine Bemühungen unternimmt, die bekannte Formel auf irgendeine Art aufzulockern, wie es ein Breath of the Wild oder Elden Ring geschafft haben. Entsprechend verkommt auch die eigentlich spaßige Fortbewegung per Pferd oder Gleiter irgendwann zu einem überwiegenden Navigieren per Schnellreise, um Markierungen möglichst effizient abzuhaken: Abseits der dynamischen, aber repetitiven Ereignisse und der malerischen Landschaft Japans für etwaigen Videospieltourismus gibt es deshalb keinen wirklichen Grund, die Umgebung zu erkunden. Die offene Welt steht dem Rest des Spiels eher im Weg und bläht es unnötig auf, als für einen tatsächlichen Mehrwert zu sorgen.

 

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