Im Test: X-Wing vs. Tie Fighter
Tech-Demo statt Weltraum-Sim
Erinnert ihr euch daran, was auf der Packung des fast 30 (!) Jahre alten X-Wing geschrieben stand? „Space Combat Simulator“ lautete das Versprechen, welches sowohl das Original als auch seine Nachfolger einlösten, weil man mehr tun musste als einen Joystick zur Seite zu kippen und die Tasten für Laser oder Rakete zu drücken. Doch anspruchsvolle Weltraumaction kam aus der Mode und mit ihr auch der Prototyp aller modernen Weltraumjäger. Für mich war das ein Jammer, denn mit Arcade-Blendern kann ich in den unendlichen Weiten nur wenig anfangen. Selbst Wing Commander – holt ruhig die Steine raus – hat mich vor und nach Teil vier kaum gerockt.
Was ich damit sagen will: Ich war höchst skeptisch und hatte befürchtet, dass das relativ neue Studio EA Motive einen zwar hübschen, spielerisch aber sehr überschaubaren Shooter entwickelt hat. Immerhin war Motive schon an Battlefront 2 beteiligt und dessen Cockpit-Einsätze entsprechen kaum mehr als einer hübschen Tech-Demo.
Flotte und Flotten-Gefechte
Richtig, als Solist erlebt man auch hier eine kleine Kampagne. Im Kern ist Star Wars: Squadrons (ab 9,99€ bei kaufen) aber ein Multiplayer-Spiel, in dem zwei fünf Piloten starke Teams gegeneinander antreten. Sie tun das entweder in flotten Dogfights, wo einzig und allein die gegenseitigen Abschüsse zählen, oder in Flottengefechten, wo feindliche Trägerschiffe die Ziele sind. Letzteres ist als zentraler Modus gedacht, in dem auch Ranglisten-Partien ausgetragen werden. Man kann die Flottengefechte aber auch ohne Zählung starten sowie kooperativ gegen ein KI-Team und sogar alleine an der Seite von KI-Mitstreitern, was vor allem zum Üben geeignet ist.
In einer weit entfernten Galaxie
Ja, das wirkt auf den ersten Blick komplex, kann anfangs gar chaotisch sein. Aber hier erlebt ihr ganz großes Star-Wars-Kino! Ich kann mich jetzt schon an etliche Momente erinnern, die sich wie in einem der Filme abgespielt haben. In denen es nicht nur famos aussah, wenn sich ein X-Wing als torkelnder Feuerball langsam aufgelöst hat, sondern mein Tie Interceptor auch mit seinem ikonischen Kreischen aufs nächste Ziel zu schoss. Schon der Anflug auf das Lasergewitter zwischen einem Sternzerstörer und seinen Angreifern ist eine Augenweide. Rollt man seinen Jäger durch die engen Trümmer früherer Schlachten, kommt man dann endgültig in einer weit entfernten Galaxie an.
Zu einem großen Teil liegt das auch an den erstaunlich abwechslungsreichen Schauplätzen, denn ob man über Yavin in einer Wolkendecke Schutz sucht, durch ein Asteroidenfeld rast, in den Schächten einer Raumstation an die Todessterne erinnert wird oder vor einem riesigen Raumhafen unterwegs ist: Jede Karte verlangt Kenntnis von der Umgebung, fliegerisches Geschick sowie den Einsatz der richtigen Ausrüstung. Entscheidenden Anteil am Star-Wars-Feeling hat außerdem das Flugverhalten der Jäger und Bomber, denn wenn man den Flieger mit aktiviertem Boost zu einer Poe-Dameron-Gedächtnis-Kehre zwingt, ist das ein ausgesprochen lässiges Manöver.
Kreisfrei
Überhaupt ist Motive vor allem die Steuerung absolut klasse gelungen! Die steht den alten X-Wing-Spielen nämlich in nichts nach und ist noch dazu komplett frei konfigurierbar. Man regelt ja nicht nur die Energieverteilung manuell und stellt sich damit auf verschiedene Situationen ein, sondern schiebt die Schilde bei Bedarf auch komplett von hinten nach vorne oder umgekehrt, um sich etwa vor Verfolgern zu schützen. Tie-Piloten, die ja meist ohne Schutzschirme auskommen, kippen stattdessen ihre Antriebsenergie in die Waffen oder umgekehrt, um z.B. schnell einen Boost zur Verfügung zu haben. Das verlangt jeweils eigene Herangehensweisen aufseiten des Imperialen und der Republik.
„Brotkrümel18 hängt mir im Nacken.“
„Ich bin dran!“
Als cleveren Kniff empfinde ich aber vor allem zwei Besonderheiten der Zielerfassung bzw. der Kommunikation unter den Mitgliedern des eigenen Teams. In Squadrons markiert man nämlich nicht wie sonst üblich einfach den nächsten Gegner – was mich anfangs gehörig ins Schwitzen gebracht hat. „Wie finde ich denn sonst möglichst schnell das nächste Ziel?!“, empörte sich das Gewohnheitstier in mir. Ganz einfach: Per Doppel“klick“ auf die Zielauswahl wird jenes Schiff ausgewählt, das mich gerade angreift – und mit einem weiteren Tastendruck wird es fürs ganze Team markiert. Alle Mitstreiter können dieses Ziel dann übernehmen und wisst ihr, wie gut es sich anfühlt, wenn vier Leute mit so einer Nervensäge kurzen Prozess machen?
Zielsicher
Und auch um die Zielerfassung hat sich Motive Gedanken gemacht, da man nicht nur das Schiff in der Mitte des Fadenkreuzes auf- oder sämtliche anderen Schiffe nacheinander durchschaltet. Vielmehr kann man dieses Durchschalten über ein Kreismenü so beschränken, dass man nur Flieger des feindlichen Teams, alle Raketen, die Angreifer des aktuellen Ziels, Systeme eines Sternzerstörers oder andere Ziele anwählt. Alles in allem hat man dadurch immer das im Blick, worauf es gerade ankommt, was besonders im Flottengefecht wichtig ist.
Falls ihr euch jetzt Sorgen macht, dass man selbst als erfahrener Weltallbummler in Elite Dangerous oder Kapselpilot des inhaltlich sehr ähnlichen Eve: Valkyrie zunächst viel Neues verinnerlichen muss: Das ist tatsächlich so. Squadrons ist keine unhandliche oder gar komplexe Simulation! Es hat aber so viel Tiefe und ist so genau auf seine Bedürfnisse zurechtgeschnitten, dass man sich in die Besonderheiten hineinarbeiten sollte. Als Belohnung winken viele grandiose Star-Wars-Momente. Und das gute Gefühl einen coolen Raumjäger zu beherrschen.
Fortschritt ohne Mikrotransaktionen
Das hört beim eigentlichen Fliegen ja nicht auf, sondern geht bei den Schiffen weiter, von denen es auf jeder Seite zwar nur vier gibt (X-, Y-, A- und U-Wing sowie Tie Fighter, Bomber, Interceptor und Reaper), die aber nicht nur die erwähnten Unterschiede zwischen Neuer Republik und Imperium aufweisen, sondern sich vor allem durch den Einbau verschiedener Waffen, Schilde und mehr teils deutlich von anderen Konfigurationen gleicher Bauart unterscheiden. Ob man die Selbstreparatur verwendet oder eine Rakete, die man nur aus weiter Entfernung auf Großkampfschiffe abfeuern kann, macht jedenfalls einen ähnlich großen Unterschied wie die Wahl zwischen Laser und Ionen-Kanone.
Man kann auch ein langsames Triebwerk einbauen, dass dafür automatisch den Boost auflädt, sowie verschiedene Gegenmaßnahmen. Das alles erfordert verschiedene Spielweisen, an die man sich erst gewöhnen muss, zumal den einzelnen Schiffen auch z.T. exklusive Module zur Verfügung stehen. So können ausschließlich Support-Schiffe ihre Kollegen mit zusätzlichen Schilden versehen und im Wesentlichen nur Bomber besonders mächtige Torpedos abfeuern. A-Wing und Interceptor sind hingegen rasend schnell, aber so zerbrechlich wie C-3POs Nervenkostüm.
Nicht alle Systeme stehen dabei von Beginn an zur Verfügung; vielmehr muss man sie Stück für Stück freispielen, indem man an Dogfights oder Flottengefechten teilnimmt. Über eine zweite Währung schaltet man außerdem Lackierungen, Wackelfiguren fürs Cockpit, Pilotenanzüge, Siegergesten und sonstige Artikel frei – im Gegensatz zu anderen Spielen übrigens ohne den Einsatz irgendeiner Echtgeld-Währung. Gleichzeitig hoffe ich durchaus, dass EA in Zukunft zumindest Erweiterungen, etwa in Form neuer Schiffe, anbieten wird, denn ich würde gerne viel Zeit in diesen Space Combat Simulator stecken. Sogar eine kooperative Kampagne oder ebenfalls im Team spielbare prozedural erstellte Missionen kann ich mir vorstellen, weitere kompetitive Varianten ebenso.
PC-Piloten bekommen Probleme
Abgesehen davon hätte man der PC-Version ganz allgemein mehr Feinschliff spendieren müssen, denn wer mit einer Bildrate jenseits der 60 unterwegs ist, erlebt mitunter ein sehr ärgerliches Stotterfest. Und das dürften aufgrund der Hardware schonenden Technik recht Viele sein. Nun kann man das beheben, indem man die Bildrate auf 60 beschränkt. Die Abhilfe beseitigt allerdings nicht ein ähnlich großes Problem, denn exklusiv am PC begleitet in manchen Situationen ein ständiger Schluckauf das Geschehen. Das ist nicht nur traurig anzusehen, es stört auch empfindlich die Genauigkeit und Orientierung.
Noch schlimmer beeinflusst dieser Schluckauf sogar das Erlebnis in der Virtual Reality. Wenn das Geschehen ständig kurz angehalten wird, wirkt sich das jedenfalls höchst negativ auf mein Vergnügen aus, weshalb ich zumindest die Rift-Version im aktuellen Zustand kaum empfehlen kann. Mitunter lässt sie sich ja nicht einmal starten. Nein, technisch fehlt der PC-Version leider der entscheidende Schliff, weshalb sie zum Zeitpunkt unseres Tests schlechter abschneidet als die Konsolen-Fassungen.
„Hey, R2!“
Dabei ist es grundsätzlich natürlich ein Traum, in den berühmten Cockpits Platz zu nehmen! Besonders in den Schiffen der Republik gehen Träume in Erfüllung, wenn man bis zu den Schultern in den kruden Schaltern eines X-Wings versinkt und sich zu seinem Astromech-Droiden umdreht.
Gleichzeitig könnte der VR-Eindruck an sich bedeutend stärker sein. Denn so wenig ich eine Verzerrung der bekannten Vorlage wünsche, so deutlich fällt beim vergleichenden Spielen von Eve: Valkyrie doch auf, wie viel mehr Tiefe die extra fürs VR-Gefühl gestalteten Cockpits sowie der Blick auf das rundum erkennbare Schiff vermitteln und wie viel leichter man dem Verlauf der Gefechte folgen kann. Im besten Fall stellt man also fest, dass die Arbeitsplätze der Star-Wars-Piloten erschreckend konsequent an den Bedürfnissen echter Fliegerasse vorbei entworfen wurden...
Mehr dabei statt mittendrin
Hinzu kommt ein Blick auf die Sterne, der seltsam deutlich als flache und erstaunlich nahe Wand erkennbar ist. Und ich verstehe auch nicht, warum das Erreichen eines Einsatzgebietes sowie andere Übergänge als Filmszenen auf einer Leinwand gezeigt werden – für ein gutes VR-Erlebnis müsste man all das im Cockpit erleben. Bedauerlich finde ich nicht zuletzt, dass es bis auf eine Ausnahme keine Start- bzw. Landesequenz gibt. Auch hier war doch seit Eve: Valkyrie klar, wie sehr diese das Mittendrin-Gefühl stärken. Erwähnenswert ist schließlich noch, dass die grafischen Details beim Spielen mit PlayStation VR recht deutlich gegenüber denen am Bildschirm zurückgeschraubt werden, weshalb die Virtual Reality schon deshalb nicht gerade überwältigend ist.
Ermüdende Plaudertaschen
Und ja, wie erwähnt gibt es auch eine Kampagne: ein ausgedehntes Tutorial, in dem man nacheinander alle Schiffe fliegt, die wichtigsten Systeme mal ausprobiert, dessen erzählerische Intention man aber unter „Alibi“ verbuchen kann. Man erlebt ja durchaus aufregende Gefechte, deren Schauwerte denen der Online-Kämpfe in nichts nachstehen! Und für Manche ist das schon die halbe Miete. Ich finde es nur schade, dass die Missionen allzu knappe Ausflüge sind, bei denen man praktisch direkt an den Einsatzort versetzt wird und anschließend auch selten zum Mutterschiff zurückkehren muss. Es entsteht nie die Illusion im weiten All unterwegs zu sein.
Auch die Geschichte ist nicht der Rede wert, da weder Charaktere noch Motive oder der große Plan wirklich interessant sind. Die Entwickler bemühen sich zwar den Figuren Leben einzuhauchen, weshalb man sich an Bord der Trägerschiffe mit ihnen unterhalten kann. Das Anhören ihrer drögen Erklärtexte, während man ihnen stur entgegen blickt, hatte ich allerdings schon nach den ersten Zeilen satt.
Fazit
Wie gesagt: Die Kampagne ist ein imposantes Feuerwerk, dessen Missionen aber nur eine Art Zusammenfassung cooler Höhepunkte sind, anstatt ausführliche und erzählerisch interessante Ausflüge in die Weiten einer fernen Galaxie zu inszenieren. Ganz groß trumpft Squadrons dafür in den Team-Duellen auf, wo man kurze Scharmützel gegen feindliche Teams oder fordernde Schlachten an der Seite von Großkampfschiffen und KI-Staffeln austrägt. Sowohl akustisch als auch visuell wird man dabei voll ins Cockpit gesogen und erlebt filmreife Momente, die man quasi eigenhändig choreografiert. Überhaupt zeichnet Squadrons vor allem das überzeugende Gefühl aus, als Pilot im Cockpit zu sitzen. Man stattet Tie Fighter, X-Wing und Co. ja nicht nur gemäß taktischer Anforderungen und eigener Vorlieben aus, sondern hat im Flug auch die volle Kontrolle über Energieverteilung, Schildzuweisung und mehr. Hinzu kommt in Verbindung mit dem cleveren Ping-System eine durchdachte Zielmarkierung, dank der das Teamplay auch in der dritten Dimension hervorragend aufgeht. Die sehr verschiedenen und individuell konfigurierbaren Schiffe stärken das Teamplay zusätzlich. Nichts davon ist Hexenwerk und die technischen Fehler der PC-Piloten sind besonders im VR-Modus ein mächtiger Dämpfer! Den Dogfights würde zudem ein Matchmaking guttun und obwohl es natürlich ein Erlebnis ist, in den ikonischen Cockpits Platz zu nehmen, ist das VR-Erlebnis für sich genommen nicht auf dem Niveau vergleichbarer Spiele. Abgesehen davon bringt Motive aber Bekanntes und eigene Ideen so geschickt zusammen, dass dieses heimliche X-Wing vs. Tie Fighter ein Versprechen einlöst, das es offiziell gar nicht gegeben hat: Squadrons ist endlich wieder ein Space Combat Simulator im Star-Wars-Universum!
Pro
Kontra
Wertung
OculusRift
Technische Probleme machen die aktuelle VR-Version am PC zu einem zweifelhaften Vergnügen.
PlayStation4
Furiose Star-Wars-Action mit tollem Cockpit-Feeling und packenden Team-Gefechten.
VirtualReality
Ein wahr gewordener Kindheitstraum, im Vergleich zu ähnlichen Spielen aber eine inkonsequente VR-Einbindung.
PC
Technische Probleme ärgern PC-Piloten. Abgesehen davon gleicht die Windows-Version den Konsolen-Fassungen.
XboxOne
Furiose Star-Wars-Action mit tollem Cockpit-Feeling und packenden Team-Gefechten.
PlayStationVR
Ein wahr gewordener Kindheitstraum, im Vergleich zu ähnlichen Spielen aber eine inkonsequente VR-Einbindung.
Echtgeldtransaktionen
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