Kinect27.08.2010, Michael Krosta
Kinect

Special:

Microsoft und Sony haben etwas gemeinsam: Beide wollen sie in Nintendos Zielgruppen-Gefilden wildern und vornehmlich die Gelegenheitsspieler mit neuen Konzepten von Bewegungserkennung und Steuerungen ins eigene Lager locken. Während Sony mit Move im Prinzip nur die Wii-Remote kopiert, verfolgt man in Redmond einen innovativeren Ansatz: Mit Kinect soll der Spieler selbst zum Controller werden! Führt diese Erfahrung tatsächlich zu einem völlig neuen Spielgefühl oder ist die Idee an sich schon zum Scheitern verurteilt?

Am Anfang war die Kamera

Stylisch sieht es ja aus. Auch inhaltlich hat Kinect auf den ersten Blick einiges für Technik-Freunde zu bieten: Wir haben die finale Version seit einiger Zeit im Büro, ab Montag gibt es erste Spieletests. Hier unser Auspack- und Ausprobier-Video und das Latenzvideo, das die Verzögerungen zeigt!
Erste Erfahrungen mit einer Bewegungssteuerung sammelte Microsoft bereits im Oktober 2006, als man mit der Xbox 360 Live Vision-Kamera versuchte, Sonys EyeToy Paroli zu bieten. Das Vorhaben ging daneben: Bis heute gibt es nur sehr wenige Spiele, die das Accessoire unterstützen. Dabei beschränkten sich die Entwickler meist auf die Möglichkeit, das eigene Gesicht zu scannen (Rainbow Six: Vegas ) oder Schnappschüsse während harter Duelle zu knipsen (Burnout Paradise ). Dagegen waren Titel wie You're in the Movies oder TotemBall, in denen man aktiv mit Bewegungen spielt, die absolute Ausnahme, weshalb die Live Vision-Cam auf der 360 nie die Popularität erreicht hat, wie es bei EyeToy auf der PS2 (und später das PlayStation Eye auf der PS3) der Fall war.

Faszinierende Grundidee

Mit Kinect wagt man im November einen neuen Versuch, doch anstatt wie Sony das Wii-Konzept nahezu 1:1 zu kopieren, geht man in Redmond einen anderen Weg. Zumindest von einem technischen Standpunkt aus betrachtet ist die Idee hinter Kinect faszinierend: Völlig ohne Controller soll man als Spieler mit Gesten und Sprache agieren können - und das mit einer Präzision, die selbst den harten Kern der 360-Gemeinschaft zufrieden stellen soll. Mehr noch, denn neben der Standardkamera wird dank eines zusätzlichen Tiefensensors die Position des Spielers im Raum erfasst und dabei auch auf den Avatar in die Spielwelt übertragen wird. Anstatt wie bei EyeToy oder auch Move nach der Kalibrierung an einen bestimmten Punkt im Raum "gefesselt" zu sein, erlaubt Kinect damit mehr Bewegungsfreiheit für den Spieler.

Wie funktioniert Kinect?

Im Inneren von Kinect arbeitet zum einen ein RGB-Sensor mit einer Auflösung von 640x480 Bildpunkten, der 30 Bilder pro Sekunde einfängt. Dies entspricht der Technik, die man auch in Sonys PlayStation Eye findet. Angesichts der Tatsache, dass die meisten Xbox 360-Spiele eine native Auflösung von 1280x720 (720p) Bildpunkten liefern, kann man sich zurecht fragen, warum sich Microsoft nicht dazu durchgerungen hat, gleich ein HD-Bild von der RGB-Kamera erfassen zu lassen, zumal ein solcher Schritt die Kosten sicher nicht gesprengt hätte. Würde man z.B. das Abbild des Benutzers nach Eyetoy-Vorbild direkt

Mit der Live Vision-Cam wollte Microsoft das EyeToy für die 360 bieten - ohne großen Erfolg.
ins Spiel integrieren wollen, müsste man dieses aufgrund der geringeren Auflösung der Kamera bereits hoch skalieren. Noch unverständlicher erscheint dagegen die technische Spezifikation der Infrarot-Kamera, die für die Generierung des Tiefenbildes verantwortlich ist. Dieses ergänzt das optische Bild des RGB-Sensors und macht es damit für die Software überhaupt erst möglich, ein 3D-Abbild des Spielers zu erstellen. Man muss sich das so vorstellen: Zunächst tastet ein Laserstrahl den gesamten Bildausschnitt ab, den die Kamera erfasst. Aufgrund von Licht-Reflexionen weiß daraufhin der Sensor, wie sich die Objekte im Raum verteilen. Dazu muss man wissen, dass die Informationen der IR-Kamera, also quasi jeder Pixel, farbcodiert an das System in Relation zu ihrer Entfernung zurückgegeben werden: Nähere Objekte (wie die Spieler) erscheinen farbig, der Hintergrund dagegen grau. Anschließend ist die Software gefragt, die das Bild durch diverse Filter jagt und danach weiß, welcher Teil davon einen menschlichen Körper darstellt, der gleichzeitig von leblosen Objekten wie Tischen, Schränken etc. abgegrenzt wird. Dabei kennt Kinect die grundlegenden Merkmale, die einen Menschen ausmachen: Bei der Analyse der IR-Bildes sucht das System also nach typischen Mustern wie Armen, Beinen, Kopf etc. und filtert damit die Person aus dem Hintergrund heraus. Selbst längere Haare oder hängende Klamotten sind neben der Körpergröße Faktoren, die das  System berücksichtigt. Interessant wäre an dieser Stelle sicherlich der Versuch, eine Schaufenster-Puppe im Sichtfeld von Kinect zu platzieren. Ob sie wohl als Person durchgehen würde?

Eingeschränkte Spieleranzahl

Laut inoffizieller technischer Daten kann Kinect bis zu sechs Personen gleichzeitig erfassen - aktiv spielen dürfen davon aber parallel anscheinend nur zwei. Als Kinect noch Project Natal hieß, sollten pro Spieler noch 48 Punkte des Körpers erfasst und auf den Avatar übertragen werden. Mittlerweile scheint man bei einem Duo dagegen nur noch 20 Punkte pro Teilnehmer erfassen zu können. Nur, wer alleine vor der Kamera steht, wird mit den vollen 48 Punkten eingescannt und könnte theoretisch mit einer verbesserten Präzision bei den Bewegungen rechnen. Zusätzlich kennt das System bereits 200 typische Posen und Bewegungsmuster. Damit soll gewährleistet werden, dass die Bewegungen auch dann erfasst und umgesetzt werden, wenn man sich nicht komplett im Sichtbereich der Kamera befindet oder Teile des Körpers verdeckt werden. Aus den vorhandenen Daten antizipiert das System in diesem Fall einfach die Bewegung, die man ausführen will.               

Kastrierte Technik

Eigentlich basiert Kinect auf der Technologie von PrimeSense, deren IR-Sensor eine Auflösung von 640x480 Bildpunkten aufweist. Bei Microsoft hat man sich dagegen dazu entschlossen, die Auflösung zu halbieren und damit auf 320x240 zu stutzen. Die Folge: Die Erfassung von Gesten wird stark eingeschränkt. Eine Veränderung der Mimik kann Kinect aus dem Pixelbrei, den die IR-Kamera liefert, genau so wenig erkennen wie Augenbewegungen oder einzelne Finger. Die Auflösung reicht dazu einfach nicht aus, was sicher anders gewesen wäre, wenn man diese wichtige Hardware-Komponente nicht dermaßen kastriert hätte. Damit kann man sich wohl von dem Gedanken verabschieden, Ego-Shooter mit einer Imitation eines Fingers am Abzug zu spielen oder per Zeichensprache zu kommunizieren, wie es z.B. bei einem Taktik-Shooter sinnvoll wäre. Damit erscheint es fraglich, ob sich Kinect als eine sinnvolle Ergänzung zum Controller eignen würde, denn für Core-Spiele scheint die Erfassung der Gesten zu grob zu sein. Und auch wenn Entwickler wie Peter Molyneux versprechen, dass Kinect in

Auch Video-Chats und die Dashboard-Navigation sollen zum Aufgabenbereich des Systems zählen. Allerdings lässt sich das normale Dashboard mit der finalen Hardware nicht navigieren - warum kann Kinect das nicht
Zukunft auch die Unterhaltung von großen Spielen bieten wird, bin ich nach den ersten Testläufen mit Kinect-Titeln auf der gamescom enorm skeptisch. Wie will man ernsthaft den Controller ablösen, wenn die optische Erfassung der Bewegungen kaum über dem Niveau einer EyeToy-Kamera liegt?

Zu große Verzögerung

Ein ganz anderes Problem stellen zudem die massiven Verzögerungen dar, die man momentan noch bei allen Kinect-Titeln zwischen der Bewegung und der Umsetzung auf dem Bildschirm beobachtet. Sogar das Navigieren durch die Menüs ist schon eine Tortur und alles andere als intuitiv: Bis man den lahmen Cursor auf die Stelle seiner Wahl bewegt und die Auswahl bestätigt hat, wäre man mit Move oder einer Standard-Controller schon längst im Spiel. Dort sieht es auch nicht viel besser aus, denn egal ob Kinect Adventures, Kinect Sports oder Dance Central: Das Lag ist allgegenwärtig - und das nicht nur in der Rolle des passiven Zuschauers, sondern auch in der des aktiven Spielers (siehe Videoanalyse). Es wirkt einfach

Deutschlands Nationaltorhüter der WM 2006, Jens Lehmann, machte sich auf Microsofts PlayDay ein eigenes Bild von Project Natal...ähhm...Kinect.
falsch, wenn man springt und der Avatar auf dem Bildschirm die Bewegung erst eine gefühlte Sekunde später ausführt, auch wenn die Latenz laut einiger Entwickler bei "nur" 150 Millisekunden liegen soll. Das ist für mich genau so unerträglich wie das Ansehen eines Videos, bei dem Bild und Ton asynchron nebeneinander herlaufen. Die möglichen Gründe für die große Latenz sind vielfältig: Zum einen müssen die von Kinect erfassten Daten erst durch das USB-Kabel zur Konsole gejagt werden. Zum anderen werden die Berechnungen mittlerweile an die Prozessorkerne der Xbox 360 ausgelagert - bis zu 15 Prozent der Prozessorleistung soll das Bewegungssystem dabei maximal beanspruchen. Der ursprüngliche Plan sah dagegen vor, dass Kinect selbst mit einem Prozessor ausgestattet wird, der die Berechnungen übernimmt. Doch auch hier griff Microsoft zugunsten von Einsparungen zum Rotstift. Ich fühlte mich stellenweise veräppelt, als mir Microsoft-Designer während einer Präsentation allen Ernstes einreden wollten, dass Kinect die Bewegungen in Echtzeit und ohne spürbare Verzögerungen auf den Monitor zaubert. Unter welchem Realitätsverlust muss man leiden, wenn man die offensichtliche Latenz nicht wahr haben und sogar verleugnen will?

Ich will Natal zurück!

Dabei wirkte die Technologie noch so viel versprechend, als wir sie im letzten Jahr auf der gamescom und anschließend auf der Tokyo Game Show erstmals ausprobieren konnten: Zwar waren bei dem Ballspiel die Latenzprobleme bereits offensichtlich, doch steuerte sich die Burnout-Techdemo erfreulich präzise und ohne störende Verzögerungen. Kein Vergleich zu dem, was man jetzt bei Kinect Joy Ride erlebt, das nahezu mit den gleichen Gesten funktioniert. Wenn ich mir vorstelle, welches Potenzial in Natal gesteckt hat, werde ich schon etwas wehmütig, wenn ich jetzt sehe, was bei Kinect daraus geworden ist.    

Familienunterhaltung

Das mag auch am Software-Lineup liegen, das Microsoft und die Dritthersteller zum Start im November auffahren: Fitness-Programme und Familienunterhaltung in Form von Minispielen reichen sich hier die Hand. Software für Fans von epischen Abenteuern, krachenden Action- oder fordernden Strategiespielen? Fehlanzeige. Microsoft hat mit diesem Startaufgebot lediglich Gelegenheitsspieler im Visier. Dabei ist es fraglich, ob man diese Zielgruppe bei einem happigen Verkaufspreis von knapp

gamescom-Eindrücke:

Note befriedigend:

Fighters Unchanged

Kinect Sports

Note ausreichend:

Kinect Adventures

Kinect Joy Ride

MotionSports

Ab Montag, den 8. November gibt es die Tests zu Kinect-Spielen!150 Euro überhaupt erreichen kann - vor allem, da ein Großteil sicher schon eine Wii-Konsole samt Balance-Board in den eigenen vier Wänden stehen hat. Klar, das neue Bundle mit Kinect und der überarbeiteten Arcade-Variante für knapp 200 Euro klingt reizvoll - aber sehen das Familien auch so? Das Weihnachtsgeschäft wird es zeigen...

Nichts für Core-Gamer

Bis auf die faszinierende Technik im Inneren hat Kinect für Core-Gamer nicht viel zu bieten - und auch für die Zukunft ist trotz des angekündigten Forza-Ablegers keine Besserung in Sicht. Wenn ich mir z.B. Joy Ride ansehe, fühle ich mich teilweise wie vor einem iPod-Spiel: Automatisches Gasgeben und Bremsen? Was soll der Mist? Aber genau darum geht es: Einfache, leicht zugängliche Spiele, bei denen man sich vielleicht körperlich anstrengen muss, die aber inhaltlich nur oberflächlich ausfallen. In der Natur der Sache liegt zudem, dass Kinect keine Form einer physischen Rückmeldung bietet. Man führt lediglich eine Reihe von Gesten und Bewegungen aus, ohne dabei ein Feedback in irgendeiner Form zu bekommen. Neben dem Controller bereichern selbst Move und Wii-Remote mit Vibrationen und Knöpfen das Spielgefühl oft ungemein. Gleichzeitig bieten sie eine Rückversicherung: Drückt man einen Knopf, dann weiß man, dass man ihn betätigt hat. Führt man lediglich eine Geste aus, bleibt immer die Ungewissheit, ob sie auch von Kinect erkennt wird. Lässt man die Lags außen vor, funktioniert das insgesamt sogar erstaunlich gut - Beispiele wie Joy Ride zeigen aber auch, wie es anders sein kann. Mit diesen Einschränkungen erscheint es fraglich, ob wir irgendwann tatsächlich klassische Videospiele sehen, die sich perfekt mit Kinect bedienen lassen.

Vorteil: Kinect

Der große Vorteil des Systems bleibt auf der anderen Seite trotzdem die Tatsache, dass im Gegensatz zu den Ansätzen von Nintendo und Sony hier der komplette Körper zur Steuerung zum Einsatz kommt. Gerade Sportspiele wie Golf, bei denen es neben den Schlagbewegungen auch auf die Körperhaltung ankommt, dürften in Zukunft mit Kinect für eine weitaus realistischere Abbildung des Sports sorgen als es Move und Wii ermöglichen. Gleiches gilt für Tanzspiele wie Dance Central: Während die Bewegungscontroller für die PS3 und Wii lediglich die Armbewegungen erfassen können, kann die Kinect-Kamera die Bewegungen wesentlich genauer studieren, obwohl auch hier feine Details aufgrund der niedrigen Kamera-Auflösung nicht berücksichtigt werden können. Auch wenn Microsoft es immer wieder dementiert, könnte auch das Spielen im Sitzen Probleme bereiten, da Kinect hier Schwierigkeiten hat, das künstliche Skelett zu erstellen, über das auch die Avatare gestülpt werden. Bisher durfte man alle Titel ausschließlich im Stehen spielen - angeblich aus

Bei Fitnessprogrammen sowie einigen Sport- und Tanzspielen könnte sich die Technik hinter Kinect theoretisch als Vorteil gegenüber Move & Co erweisen. In der Praxis der ersten Spieletests zeigen sich aber auch Defizite - dazu mehr ab Montag!
dem Grund, weil sie so mehr Spaß machen sollen oder aufgrund der Aktivitäten bewusst so angelegt wurden. Ich glaube dagegen erst dann, dass man Kinect auch ohne Einbußen im Sitzen bedienen kann, wenn ich es selbst ausprobieren kann...

Kannst du mich hören?

Einige Probleme scheint Microsoft momentan außerdem die Spracherkennung zu bereiten: Ein Telefon hat z.B. den Luxus, dass der Sprecher sich in der Regel nah am Mikrofon befindet. Kinect muss dagegen die Aufgabe bewältigen, nicht nur verschiedene Dialekte und Sprachen zu beherrschen, sondern diese auch über größere Entfernung in einem Raum herauszufiltern, in dem nebenbei ein Film oder Spiel mit Surround-Sound läuft. Deshalb finden sich an der Unterseite des Geräts vier Mikrofone, die Geräusche aus allen Richtungen und Entfernungen aufschnappen müssen. Nachdem man Kinect an die Konsole anschließt, gehört es deshalb zu den ersten Aufgaben, eine Audio-Kalibrierung durchzuführen, damit das System ein Klangprofil des Raums erstellen kann. Dies dürfte ähnlich funktionieren wie die Surround-Kalibrierung bei einem modernen AV-Receiver. Wer neue Möbel kauft oder sein Zimmer umgestaltet, wird nicht drum herum kommen, die Audio-Kalibrierung erneut durchzuführen. Ein großes Fragezeichen ist außerdem, wie gut die Erkennung funktioniert und welche Sprachen Kinect überhaupt verstehen wird.   

Unter Strom

Als Besitzer einer Xbox 360 Slim-Konsole dürfte einem aufgefallen sein, dass dort von "Kinect ready" und einem zusätzlichen USB-Port die

Die neuen Slim-Konsolen sind bereits auf Kinect vorbereitet - ältere Modelle benötigen wahrscheinlich einen Stromadapter, um das System mit ausreichend Energie zu versorgen.
Rede ist. Und was ist mit den alten 360-Konsolen? Sollte Kinect nicht an allen Modellen funktionieren? Ja. Allerdings benötigt die Kamera anscheinend mehr Strom als ihr ein normaler USB-Anschluss liefern kann. Schuld daran dürfte u.a. der Motor sein, mit dessen Hilfe die Kamera den Bewegungen des Spielers folgen soll, wenn er sich aus dem Sichtfeld bewegt. Besitzer älterer Konsolen werden deshalb auf einen Adapter zurückgreifen müssen, der Kinect wohl kostenlos beigelegt werden soll. Außerdem findet sich auch ein Lüfter im Inneren, der ebenfalls mit Energie versorgt werden will. Nach dem Red Ring-Desaster geht man in Redmond scheinbar auf Nummer Sicher, dass sich ein solches Überhitzungs-Debakel mit Kinect nicht wiederholen soll.

Kinderkrankheiten

Nach dem aktuellen Stand kann ich Kinect nicht sonderlich viel abgewinnen. Das liegt nicht nur an dem bescheidenen Start-Lineup mit seinem Fokus auf Familien- und Fitnessspielchen, sondern auch an den vielen Kinderkrankheiten, an denen das System anscheinend noch leidet. Ich weiß nicht, wie oft ich während Microsofts PlayDay gesehen habe, dass ein Reset an der Kamera durchgeführt werden musste. Auch Fehlermeldungen wie "Konnte den Fußboden nicht erfassen" sind mir nicht entgangen. Zudem weiß man oft nicht, welchen der beiden Spieler das System gerade zum "Anführer" auserkoren hat, denn nur einer von beiden darf die Menüs bedienen. Was mich aber tatsächlich schockiert hat, ist die bescheidene Vorstellung von Kinect im laufenden Betrieb: Die Latenz zwischen der Erfassung einer Bewegung und deren Umsetzung auf dem Bildschirm ist immer noch viel zu groß! Als Folge dessen fühlt sich die Körper-Steuerung meist extrem schwammig und ungenau an. Selbst eine Wii-Remote reagiert schneller auf die Eingaben - von einem Standard-Controller ganz zu schweigen. Bei Microsoft war man aber anscheinend bereit, diesen Preis zwecks Kostenreduzierung zu zahlen.

Die Vision, die auf der E3 mit Project Natal der Öffentlichkeit präsentiert wurde, war faszinierend. Die gezeigten Interaktionen bei Milo and Kate ließen auf die Umsetzung von revolutionären Spielideen hoffen, die der Industrie einen neuen Schwung voller Innovationen hätte bescheren können. Gemessen daran wirkt das, was man bisher von Kinect gesehen hat, ernüchternd: Die technischen Möglichkeiten

Das Dashboard wird für die Verwendung mit Kinect angepasst. Doch selbst hier ist die Latenz auch mit der finalen Hardware noch störend.

wurden durch die Kastrierung der Hardware stark limitiert und das Softwareangebot beschränkt sich hauptsächlich auf oberflächliche Familienbespaßung, wie man sie schon von Wii und Eyetoy kennt. Von der ursprünglichen Vision einer neuen Ära ist hier nichts mehr zu sehen.

Deshalb sehe ich momentan keinen Grund, mir im November Kinect für 150 Euro umgehend ins Wohnzimmer zu stellen. Warum? Weil es zum jetzigen Zeitpunkt für mich als Core-Gamer rein gar nichts zu bieten hat und ich mittlerweile auch für die nähere Zukunft in dieser Richtung nicht viel erwarte. Titel wie Kinect Sports oder die Adventures mögen zwar in der Gruppe ganz spaßig sein, doch sorgt dabei die Limitierung auf zwei aktive Spieler genau so für einen Dämpfer wie Latenz- und Erfassungsprobleme. Im direkten Vergleich mit Move zieht Kinect nach aktuellem Stand eindeutig den Kürzeren, denn Sony bietet nicht nur das breiter gefächerte Software-Lineup, sondern auch das Maß an Präzision, das man von einem modernen Motion-System erwarten kann.

Eindruck: ausreichend   

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Update vom 5. November 2010:

Mittlerweile haben wir die finale Hardware von Kinect inklusive erster Spiele in der Redaktion testen können. Bevor wir ausführlicher in einem Vergleich zu Move und Tests berichten, gibt es  ein Video, das euch vom Auspacken bis zur Installation einen kleinen Eindruck verschafft. Wie fällt unser Eindruck bisher aus? Durchwachsen bis ernüchtert. Schon auf der gamescom in Köln haben wir die Probleme bei der Erfassung, die Lags in diesem Latenzvideo sowie die dürftige Qualität der Spiele angesprochen. Immerhin sind die Lags im Dashboard nach einer detaillierten Erfassung des Spielers nicht mehr ganz so stark ausgeprägt - trotzdem spürt man die Verzögerungen bei einigen Titeln noch zu deutlich. Bisher hinterlässt die finale Hardware zwar einen etwas besseren Eindruck als in Köln, aber  zeigt nicht nur Schwachpunkte hinsichtlich der Präzision: Selbst eine komplette Dashboard-Steuerung oder deutsche Sprachbefehle zur Navigation sind über Kinect derzeit nicht möglich.  

 
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