NFL Tour05.02.2008, Mathias Oertel
NFL Tour

Im Test:

Mit dem Superbowl und den Überraschungssiegern aus New York ging gerade eine spannende American Football-Saison zu Ende. Für EA ist das Jahr der Touchdowns aber noch lange nicht vorbei: Die Sportspielexperten schicken ihre Quarterbacks und Receiver auf offiziell lizenzierte Tour. Leider bleibt der inoffizielle Nachfolger der NFL Street-Serie hinter den Erwartungen zurück. Und zwar deutlich!

Alte Zöpfe müssen ab

Etwas überrascht war ich schon, als EA mitteilte, dass man die NFL Street-Serie zunächst einmotten und stattdessen die exklusive Lizenz nutzen werde, um mit NFL Tour (ab 8,74€ bei kaufen) das hauseigene Arcade-Football in neue Fahrwasser zu bringen.

Nach drei vielleicht nicht erfolgreichen, aber dennoch unterhaltsamen Straßen-Football-Schlachten hat man sich für die Tour entschlossen, vollkommen neue Wege zu gehen: Die Teams, bestehend aus sieben Spielern, kämpfen nicht mehr am Strand oder auf Hinterhöfen um Touchdowns: Ab sofort sind sie in den Metropolen der USA unterwegs, um dort in mit Zuschauern

Touchdowns werden gebührend gefeiert...
prall gefüllten und mit Lichtshow und Feuerwerk angereicherten Freilufthallen eine spektakuläre Arena-Show abzuliefern. So weit die Theorie...

Street minus Spaß...

Doch was sich auf dem Papier noch sehr reizvoll anhört und bei Midway mangels Lizenz auch mit Blitz - The League ansprechend verarbeitet wurde, entpuppt sich bei genauem Hinsehen als magerer Abklatsch von all dem, was bei Street den Unterhaltungswert ausmachte. Denn mit dem "sauberen" Arena-Football sind auch die Tricks, die Gamebreaker und nahezu alles der Schere zum Opfer gefallen, was die Arcade-Footballer ausgezeichnet hatte.

Was ist übrig geblieben? Im Prinzip "normales" Football mit Sieben-gegen-Sieben und einer stark reduzierten Anzahl an Spielzügen, die sich von Team zu Team auch nicht großartig unterscheiden. Doch auch das müsste per se ja nicht schlecht sein, denn durch die Reduzierung auf das Wesentliche besteht immerhin die Chance, dass die Taktik eine stärkere Rolle spielt und dass das Spiel an sich Fahrt aufnimmt.

Wo bleibt die Spielintelligenz?

Weit gefehlt. Sehr weit. Denn um eine  erfolgreiche Taktik durchzubringen, benötigt man Intelligenz - vor allem im Defensivverhalten. Und davon ist bei den sieben Akteuren auf dem Feld nur in Ausnahmefällen etwas zu sehen. Vor allem im Kampagnenspiel, in dem ihr mit einem aus einer verschwindend geringen Anzahl an Möglichkeiten selbst erstellten Akteur quer durch die Staaten jettet, um gegen die NFL-Teams anzutreten, ist die Intelligenz der CPU-Akteure mehr als fragwürdig.

Immer wieder kann ich das gegnerische Team mit ein und demselben Spielzug überlisten. Es folgt keine Reaktion. Vor allem, wenn ich immer wieder ein Pass-Spiel auswähle, mich dann aber entschließe, mit dem Quarterback solo die zehn Yards bis zum nächsten "First Down" zu erlaufen, erwarte ich irgendwann eine Reaktion. Die kommt aber meist erst nach dem vierten oder fünften Mal und damit zumeist zu spät, um den Touchdown zu verhindern. Auch ein Hochschrauben des Schwierigkeitsgrades hilft hier nicht weiter. Im Angriff verhält sich der Computer etwas besser, aber da man sowieso nur

Spektakuläre Szenen wie diese hier gibt es zu selten, um die nur schwerlich in Gang kommende Motivation zu erhöhen...
eine stark eingeschränkte Anzahl an Zügen  zur Auswahl hat, kann man mit etwas Spielerfahrung vergleichsweise gut vorhersehen, mit welchen Mitteln der Gegner zum Ziel kommen will.

Da die Entwickler sich dazu entschlossen haben, Tricks und jegliche Schnörkel zu entfernen, fehlt NFL Tour der Hauch des Spektakulären. Ja: Die Tacklings sehen dank fehlender Protektion immer noch knackig aus. Und ja: Man kann an den Wänden der Arena einen kleinern Hüpfer machen und sich bei Bedarf auch mit gutem Timing aus einer Umklammerung lösen.

Doch da eine Prämisse wohl auch war, den Sport American Football einer möglichst großen Masse nahezubringen, ist die Steuerung sehr einfach und erlaubt keine großartigen Finessen. Die Zeiten, in denen man das Schweineleder auf seinem Finger balancierend über die Endzonen-Linie bugsierte und damit den vorzugsweise menschlichen Gegner düpierte, sind auf jeden Fall vorbei - leider!

       

Siegbedingungen

Für Auflockerung sollen die unterschiedlichen Siegbedingungen sorgen, die euch in den Städten erwarten. Vom "normalen" Sieg nach Punkten für jeden Touchdown (plus einen oder zwei Conversion-Punkte) bis hin zu "Touchdowns zählen nur nach einem Pass-Spiel" findet man eine Reihe von Siegzielen. Das macht die Karriere zwar etwas interessanter, doch dafür gibt es keinerlei weitere Extras, wie sie z.B. einige der anderen "Street"-Spiele (auch in der NBA usw.) bieten. Man kann keinerlei Spieler von anderen Teams in seine Mannschaft integrieren. Es gibt auch keine Möglichkeit, über gekaufte Extras

Nicht nur das Arena-Spielfeld wirkt spartanisch: Die gesamte Tour wirkt wie ein "NFL Street minus Spaß"...
sein Team oder die Leistung einzelner Spieler zu verbessern. Selbst die Option, seinen eigens kreierten NFL-Star über eventuelle Bonuspunkte zu verbessern gibt es nicht. Reduktion auf das Nötigste nennt man das glaube ich. Nur: In diesem Falle ist das Nötigste zu wenig. Denn auch die zwei mitgelieferten Minispiele reichen beileibe nicht aus, um die Motivationskurve wieder nach oben zu führen.

Technisches Einerlei

Manche Titel schaffen es über eine ausgefeilte Technik und einen Haufen Eye-Candy, spielerische Unzulänglichkeiten zu verschleiern - oder wenigstens, über das eine oder andere mittlere bis schwere Manko hinwegzutrösten. Leider kann NFL Tour diese Trumpfkarte nicht ziehen. Die Städte, in denen die allesamt sehr ähnlich aussehenden Football-Arenen aufgebaut wurden, könnten von Konsolen der letzten Generation stammen. Gleiches gilt für einige der Effekte wie das nur einmal interessante Feuerwerk, das immer wieder abgefackelt wird.

Einzig die geschmeidigen Bewegungen sowie die detaillierten Spielermodelle, denen allerdings der Wiedererkennungswert immer wieder abzusprechen ist, deuten auf Rechenpower hin, die nur aus einer 360 oder PlayStation 3 kommen können. Die Unterschiede zwischen den beiden Versionen halten sich in sehr engen Grenzen und haben keinerlei Einfluss auf die Gesamtwertung. Denn was die PS3 durch leichtes Ruckeln der im Hintergrund stattfindenden Kamerafahrten bei der Spielzugauswahl verliert, macht sie durch die schnörkellos und intelligent eingebundene Motion-Kontrolle wieder wett. Anstatt euch irgendwelchen Schnickschnack auf die Bewegungssensoren zu legen, müsst ihr das Pad schütteln, um einem angesetzten Tackling zu entkommen. Gut, unkompliziert, aber letztlich nicht mehr als eine nette Zugabe, die in keiner Form hilft, die Spielmechanik aufzuwerten.

Coole Beats & Anzuganalysen?

Doch zurück zur Tour. Spielerisch eher mau, grafisch bieder - dann kann doch bestimmt die Akustik versöhnlich stimmen, oder? Sicher. Wenn ihr auf nervige englische Kommentatoren abfahrt, die sich für keinen dummen Spruch zu schade sind und glauben, damit komisch zu sein, ist die Football-Tour einen Blick wert. Die Auswahl an lizenzierten Musik-Tracks geht in Ordnung, reißt aber auch keine Bäume aus.

Und was die Entwickler bei der Präsentation geritten hat, entzieht sich meiner Erklärungsfähigkeit. Dass die Menüs sehr spartanisch sind, geht sogar noch in Ordnung und kann als stilistisches Mittel geltend gemacht oder mit dem Begriff

Die Football-Tour führt euch zwar durch zahlreiche Städte, doch die Stadien ähneln sich stark.
"übersichtlich" kaschiert werden. Doch was die merkwürdigen Zwischensequenzen in der Karriere sollen, kann ich nicht nachvollziehen. Ein im Anzug gekleideter -und damit seriös wirkender- Sportanalyst (?) will euch auf die nächsten Aufgaben einstimmen.

An sich eine weitere dieser Ideen, die auf dem Papier vielleicht noch gut klingt. Doch die Umsetzung ist einfach nur billig. Nicht mal mehr trashig - wobei ich leider vermute, dass die Entwickler eigentlich genau da hin wollten. Doch der Anzugheini, der nicht einmal vor einem Blue- oder Green Screen agiert, sondern einfach vor einer Leinwand steht, so dass er Kernschatten wirft, für die jeder Filmbeleuchter standrechtlich erschossen würde, ist kein Trash. Das ist nur lahm und billig. Ich jedenfalls kann mit den Spielszenen, die nicht nur auf die Leinwand hinter ihm, sondern auch auf seinen Anzug projiziert werden, ganz und gar nicht warm werden. 

Die Unterschiede zwischen PS3 und 360 halten sich in sehr engen Grenzen und haben keinerlei Einfluss auf die Gesamtwertung. Denn was die PS3 durch leichtes Ruckeln der im Hintergrund stattfindenden Kamerafahrten bei der Spielzugauswahl verliert, macht sie durch die schnörkellos und intelligent eingebundene Motion-Kontrolle wieder wett. Anstatt euch irgendwelchen Schnickschnack auf die Bewegungssensoren zu legen, müsst ihr das Pad schütteln, um einem angesetzten Tackling zu entkommen. Gut, unkompliziert, aber letztlich nicht mehr als eine nette Zugabe, die in keiner Form hilft, die Spielmechanik aufzuwerten.

Fazit

Man nehme: Ein viel versprechendes und sowohl erfolgreiches als auch unterhaltsames Spielkonzept namens NFL Street. Und dann entferne man alles, was den Erfolg ausgemacht hat, mische das Ganze mit einer schwachen Präsentation und was bekommt man? Richtig: NFL Tour. An sich ist die Idee, sich vom "Over-The-Top"-Football der Street-Serie zu verabschieden, begrüßenswert. Doch anstatt im Gegenzug ein auf Hochglanz poliertes Arena-Football mit krachigen Kollisionen und spektakulären Spielzügen vom Stapel zu lassen, das Midways Blitz - The League Paroli bieten kann, hat die Tour Probleme, ein Bein auf den Boden zu bekommen. Denn bei der Reduzierung auf das Wesentliche hat man eines vergessen: Den Spaß. Der stellt sich nämlich nur kurzfristig ein und ist ebenso schnell wieder verschwunden wie er kam - schwache KI, in der Karriere eine sehr billig wirkende Präsentation sowie eine spartanische Spielzugsauswahl. NFL Tour ist eines dieser Spiele, das auf dem Papier einen guten Eindruck hinterlässt, in der Praxis aber zu viele Wünsche offen lässt. Als Bonus in einem Madden-Titel wäre die Tour geeignet, um den Simulations-Alltag erfrischend aufzulockern. Als eigenständiges Vollpreis-Produkt hingegen ist die Lizenz vollkommen verschenkt. Holt euch lieber Blitz - The League...

Pro

zahlreiche Sieg-Parameter einstellbar
saubere Animationen
einfache Steuerung

Kontra

billig wirkende Präsentation
wenig Spielzüge
nerviger (englischer) Kommentar
magerer Spieler-Editor
mitunter sehr schwache KI
keine Gamebreaker mehr

Wertung

360

Die Tour bietet einige gute Ideen, aber dennoch bleibt das Arcade-Football nur ein blasser Ersatz der Street-Serie

PlayStation3

NFL Tour ist trotz guter Ideen leider nicht mehr als ein nur kurzzeitig spaßiges Weichspül-Football!

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