N+29.02.2008, Paul Kautz
N+

Im Test:

Weniger ist manchmal mehr - das gilt für die erfolgreiche Diät ebenso wie für den Tanga oder Dinge mit Dieter Bohlen. Konzentriert man sich auf das Wesentliche, die Essenz eines Objektes, kommen hin und wieder ganz wunderbare Sachen dabei raus. Wie z.B. N+.

Wat is dat denn?

N+? Blöder Titel, nicht? Klingt wie eine Programmiersprache, ein Natriumsulfat oder ein verlorenes japanisches Schriftzeichen. Aber ein Computerspiel? Nee, so heißt doch kein Computerspiel!

Doch. Vor ein paar Jahren gönnte Entwickler Metanet dem armen kleinen Flashgame noch nicht mal das Plus, da hieß das gute Teil einfach »N«. N wie Ninja. N+ wie Ninja Plus. Pragmatisch, praktisch, gut: Du spielst einen Ninja, das Spiel bietet mehr als das Ursprungsprogramm. Entwaffnend logisch, irgendwie. Und was ist nun das Plus? Ganz einfach: Mehr Levels, coole Retro-Mucke, großartiger Mehrspielermodus und viel mehr. Aber eins nach dem anderen.

Das Spiel für Spartaner

Die Beschränkung auf das Wesentliche fängt bei N+ beim Spieldesign an: Der Begriff »Jump-n-Run« wird hier sehr wörtlich genommen, denn sehr viel mehr als springen und rennen macht ihr nicht, und das Ganze 250 Levels lang. Öde? Behave! Denn natürlich sind diese 50 Episoden à fünf Levels voller Gefahren und tödlicher als eine Rasiermesserqualle mit Giftlaser: Ihr könnt zu Tode stürzen, von Minen gesprengt werden,  Laser zerbratzen euch, MGs feuern schrecklich präzise in eure Richtung, Raketen kleben euch wie die Zeugen Jehovas im Nacken. Wieder und wieder werdet ihr einen Level von vorn versuchen, sogar so oft,

Jaja, Ninjas und Gold: Durch das Aufsammeln der glitzernden Klunker verlängert ihr das unbarmherzig herunter tickende Zeitlimit.
dass es für 1.000 Tode ein Achievement gibt. Und wofür das alles? Für schnöden Mammon sowie den Sprung in den nächsten Level: In jedem gibt es einen Ausgang sowie einen oder mehrere Schalter, die diesen öffnen - logischerweise sind sie durch erwähnte Todesfallen gut beschützt. Zusätzlich rattert ein fieses Zeitlimit herunter, das durch das Aufsammeln von Gold verlängert werden kann. Das Gemeine daran: Man kann durch den Level hetzen und sicher das Ziel erreichen, oder man kann möglichst viel Zeitverlängerer einsammeln, um den aus diesem Wert errechneten Highscore einzusacken - natürlich ist das Aufsammeln mit explosiven Risiken verbunden, aber wer hat auch behauptet, dass das Leben eines Ninja  einfach sei?

Da das Leveldesign schon vertrackt genug ist, ist es gut, dass die Steuerung so unkompliziert wie nur möglich gehalten wurde: Laufen und Springen sind eure wichtigsten Bewegungen, zusätzlich könnt ihr an Wänden gleiten, um tiefe Abgründe sicher zu erreichen und von Wand zu Wand hopsen, um sie wieder hinauf zu klettern - wichtig ist außerdem noch, dass ihr eure Sprünge präzise in der Luft kontrollieren könnt. All das ermöglicht in Kombination mit einer verspielten Physikengine interessante Manöver: Mit Anlauf an eine Wand hopsen, sich von dort aus mit Schmackes abstoßen, im Flug einen Schalter erwischen, gerade so zwischen zwei gemeingefährlich platzierten Minen hindurch schweben, und all das, während eine verbissene Rakete hinter einem her zischt - alles kein Problem. Diese Art von Geschicklichkeits-um-die-Ecke-Denken ist bitter nötig, denn die Levels werden bereits ab der dritten Episode anspruchsvoll - N+ ist ein klarer Fall für Könner am Pad! Wenn man weiß, was man zu tun hat, dauert ein Abschnitt zwischen fünf und 30 Sekunden. Bis man das rausgefunden hat, kann aber auch schon mal eine frustgeladene halbe Stunde ins Land ziehen.

Rakete auf sechs Uhr!

Der Einzelspielermodus ist bereits enorm umfangreich, aber das war noch lange nicht alles - denn im Hauptmenü steht ja noch »Mehrspieler«. Dahinter verbergen sich Online- und Offline-Modi, die es in sich haben: Da gibt es speziell designte, teilweise schweineschwere Koop-Maps für bis zu vier Spieler, die räumlich getrennt auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten müssen. Da gibt es Rennen, in denen man auf trippeligen Ninja-Füßen schnellstmöglich und idealerweise am Stück zuerst das Ziel erreichen muss. Da gibt es den »Survival«-Modus, der aus Räumen besteht, die bis zum Bersten mit fiesen Fallen sowie Gold

Das Grafikdesign ist so minimalistisch, wie es nur geht - und das anfangs so simple Leveldesign wird schon nach kurzer Zeit haarsträubend komplex!
gefüllt sind - wer das meiste davon aufsammelt und möglichst wenig stirbt, gewinnt. Ein Riesenspaß, der online jedoch durch immer wieder unvermittelt auftretende Lags getrübt wird - da verändern Raketen plötzlich die Flugbahn oder menschliche Gegner scheinen über Minen laufen zu können. Nicht den Spielspaß ruinierend, aber auch nicht schön. Im Zweifelsfall könnt ihr ohnehin auch noch zum beiliegenden Leveleditor greifen, mit dem sich in Ninjaeile neue Gemeinheiten aus dem Boden stampfen lassen.

Wie bereits mehrmals erwähnt, beschränkt sich N+ in vielerlei Hinsicht auf das nötige Minimum - in Sachen Präsentation sieht es nicht anders aus: Der wundervoll-simple Grafikstil besteht aus nicht viel mehr als klaren Strichen sowie einer Handvoll Farben, ähnlich dem kommenden Echochrome , aber komplett zweidimensional. Bizarr, aber übersichtlich (drei Zoomstufen bringen Klarheit), wundervoll oldschoolig, für so manchen sicher gewöhnungsbedürftig. Das gilt auch für die Musik, die hier in der Redaktion wieder und wieder für wippende Füße und rhythmisch zuckende Köpfe sorgt - aber auch ein gewisses Faible für Chipsounds voraussetzt. Es sind nur wenige Stücke, aber die fiepsen und zirpen so herrlich, dass sie weder langweilig werden, noch auf die Nerven gehen.      

Fazit

Meine Retro-Seele lacht, meine Retro-Seele jubelt, meine Retro-Seele frohlockt: N+ hat mich vom ersten Moment an gefangen, allein die Titelmusik ist die 800 Punkte wert - und dabei mag ich noch nicht mal Chipsounds! Das Spiel ist in Sachen Präsentation so wunderbar bizarr, aber gleichzeitig vom Design her so wunderbar auf den Punkt gebracht, dass man es lieben muss. Wenn, ja wenn man kein Problem mit Frust hat: Die Levels entpuppen sich schon nach wenigen Lacher-Episoden als harte Nüsse, der unbeabsichtigte Sprung in den Fall-, Minen- oder Raketentod gehört zum ständigen Begleiter - genau wie die Lags im ansonsten prima Online-Mehrspielermodus. N+ ist mit Sicherheit kein Spiel für die breite Jump-n-Run-Masse, stattdessen ein klarer Fall für Liebhaber abstrakter interaktiver Kunst. So ziemlich dieselben Leute also, die vor wenigen Wochen bereits zum stilistisch recht ähnlichen Rez HD gegriffen haben.

Pro

minimalistischer Grafikstil
exzellentes Leveldesign
motivierende Mehrspielermodi
wundervoller Soundtrack
stetig ansteigender Schwierigkeitsgrad

Kontra

minimalistischer Grafikstil
gelegentliche Lags im Online-Modus
simpler Spielverlauf

Wertung

360

Herrlich bizarres, abstraktes und dabei wunderbar spielbares Jump-n-Run.

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