Naruto: The Broken Bond05.12.2008, Mathias Oertel
Naruto: The Broken Bond

Im Test:

Dass Lizenzspiele nicht automatisch im Sumpf der Mittelmäßigkeit versinken müssen, hat Ubisoft vor gut einem Jahr mit Naruto - Rise of a Ninja bewiesen. Dementsprechend war ich auch nicht überrascht, dass dieses Jahr bereits der nächste Teil in den Startlöchern steht. Allerdings muss "The Broken Bond" nicht nur beweisen, dass letztes Jahr keine Eintagsfliege war. Hat es das Team von Ubi Montreal auch geschafft, die Fehler und Mankos des Vorgängers auszumerzen?

Berührungsängste?

Ich muss gestehen: Bis zum letztjährigen Naruto von Ubisoft war ich froh darüber, dass ich zwar mit Anime im Allgemeinen einiges, aber mit Serien wie Naruto nicht viel anfangen konnte.

Im Rahmen der Recherche zum Test von Rise of a Ninja (4P-Wertung: 80%) hatte ich mir dann einige Folgen angeschaut und war fasziniert. Nicht unbedingt ob der Serie an sich, sondern, weil Ubisoft Montreal es geschafft hatte, die Kulisse und die Charaktere wunderbar stimmig einzufangen. Und weil man dies nicht nur zum Selbstzweck genutzt hatte, sondern um ein funktionierendes Spielkonzept zu präsentieren, das sich positiv von den bis dahin veröffentlichten, auf Prügeleien fokussierten Naruto-Titeln unterschied. Und weil das Abenteuer des Ninja-Zöglings konzeptionell auch ohne die Lizenz im Hintergrund funktionierte.

Düster, mythisch, spannend und gut in Szene gesetzt: Die Story ist interessant, erfordert aber Vorkenntnisse, wenn man alle Facetten erfassen möchte.
Dementsprechend zogen sich meine Mundwinkel freudig nach oben, als das Muster zu Naruto - The Broken Bond (BB) auf meinem Schreibtisch und kurze Zeit später im Laufwerk der 360 landete.  Seit dem Test des ersten Teils habe ich aus verschiedenen Gründen weitere Naruto-Folgen nur ausschnittweise verfolgt. Und gerade deswegen war ich auch gespannt, ob und wie das neue Ninja-Abenteuer auf mich wirken würde. Bleibt die Faszination des ersten Teils erhalten? Hat sich irgendwas am Konzept geändert?

Klares Konzept

Die Antworten auf diese Fragen lauten "Ja!" und "Nein!" - wobei man bzgl. der konzeptionellen Änderungen geteilter Meinung sein kann. Ich sehe die Abweichungen von der Erfolgsformel des Vorgängers eher als Verfeinerungen und Ergänzungen bestehender Mechanismen.

Denn im Wesentlichen verlässt sich BB auf das, was mit Teil 1 eingeführt wurde: Viel Erforschung und Entdeckung, so wie es sich für ein Action-Adventure ziehmt und drumherum spektakulär inszenierte sowie leicht zu kontrollierende Kämpfe. Und das alles in einer ebenfalls auf Hochglanz polierten Comic-Kulisse, die mit zum Besten sowie Stimmigsten in dieser Richtung gehört, was die Technik im Allgemeinen und die Lizenz im Besonderen zu leisten im Stande ist.

Natürlich kann man sagen, es sei ein Leichtes, sich am Design einer Comic-Serie und ihren "reduzierten" Animationen zu orientieren. Doch die Leistung, die das Designteam hier abliefert, ist bemerkenswert.

Die gesamte Umgebung wirkt wie aus einem Guss und schafft nahtlos eine Gratwanderung zwischen Realismus und Comic. Nehmen wir z.B. die Gebäude im Blätterdorf Konoha-Gakure, die kurz vor knapp an Fotorealismus grenzen, aber dennoch niemals den Bezug zu den Anime-Wurzeln der Serie verlieren und damit dafür sorgen, dass die zahlreichen Kamerafahrten sowie die Ausflüge durch die Kleinstadt zu einem optischen Vergnügen werden. Hier ist allerdings bedauerlich, dass die Location zwar mit ihrem Tag- bzw. Nachtwerk nachgehenden Bewohnern bestückt wurde, die man auch ansprechen kann, diese aber zumeist nur einsilbig antworten und so die Idylle einer vollends lebendigen Umgebung wieder trüben.

Auch in den Wäldern, den Seengebieten und den anderen Arealen setzt sich dieses Bild fort: Auf den ersten Blick umwerfend und stimmig, auf den zweiten immer noch schön, aber auch steril.

Beim Figurendesign hat man ebenfalls einen interessanten Kompromiss gewählt: Die aufwändigen Polygonmodelle haben den Sprung aus der 2D-Comic-Dimension abermals überzeugend in die dreidimensionale Spielwelt geschafft und wurden durch die Bank weg fein sowie sauber animiert, was sich vor allem bei den geschmeidigen Kämpfen mit ihren imposanten Spezialeffekten zeigt, die einen Tick eindrucksvoller als im Vorgänger wirken.

Die Kämpfe werden teils spektakulär in Szene gesetzt.
Bei der Mimik im Speziellen jedoch bietet man die aus Naruto und anderen einschlägig bekannten Serie gewohnten Minimal-Animationen, bei der aus einem leichten Lächeln im nächsten Moment umgehend und ohne Zwischenstufen ein böser Blick werden kann. Und selbstverständlich werdet ihr hier auch nicht so viele Artikulationsphasen bei gesprochenen Texten vorfinden, wie man in HD-Zeiten erwarten könnte. Stilisierte 2D-Animationen eben, die nahezu unheimlich passend auf dreidimensionale 3D-Körper aufgetragen wurden.

Doch bei aller grafischen Stimmigkeit findet sich auch der eine oder andere Fehler, der auf die Netzhaut springt: In seltenen Momenten kann es mal zu einem kurzen Einbruch der Bildrate kommen. Doch dies wirkt sich ebenso selten auf das Spiel aus wie die gelegentlichen Clippings oder die immer noch etwas sensible Kollisionsabfrage im Zusammenspiel mit der gelegentlich nervös zuckenden Kamera, die versucht, in engen Orten einen optimalen Darstellungswinkel zu finden.

Wenig auszusetzen gibt es an der Akustik: Die Sprecher der englischen Version -es gibt nur gut übersetzte deutsche Untertitel- sind passend ausgewählt und erledigen ihren Job richtig gut. Alternativ können die Hardcore-Fans auch die Sprachausgabe auf das japanische Original schalten. Die Musik, die sich im Vorgänger noch mit starken Wiederholungen plagte, ist jetzt deutlich variantenreicher, dynamischer und damit interessanter.

    

Fortschritt auf halbem Wege

Die Technik kann also trotz der einen oder anderen Einschränkung auf ganzer Linie punkten. Und die Inhalte? Auch hier konnte ich erfreut einige Fortschritte feststellen, obwohl man im Kern immer noch an den in Teil 1 bewährten Mechanismen festhält - vielleicht in dem einen oder anderen Punkt sogar zu sehr.

Erzählerisch hat man deutlich zugelegt: Spannend, nicht mehr so allgemein auf Naruto fixiert wie im Vorgänger und mit atmosphärisch dichten Zwischensequenzen erzählt, die allesamt mit der Spielengine angetrieben werden, zieht mich Broken

Klasse Figurendesign, stimmige Kulissen: Visuell reizt Naruto - The Broken Bond sowohl die Hardware als auch die Lizenz aus.
Bond schnell in seinen Bann. Ich kenne allerdings auch den Vorgänger und weiß rudimentär, worum es in der Serie geht. Hätte ich diese Vorkenntnise nicht, würde die Story in BB mich zwar nach wie vor ausreichend motivieren, aber auch sehr viele Fragen offen lassen. Die Beziehungen zwischen vielen der Figuren sowie deren Vergangenheit wird als bekannt vorausgesetzt, während der Vorgänger sich gerade in dieser Hinsicht mehr Zeit gelassen hat und auch die eine oder andere Erklärung lieferte.

Während man also ein erzählerisch kompletteres, allerdings auch verwirrendes Paket geschnürt bekommt, wurde hinsichtlich der Spielmechanik komplettiert, ohne zu verwirren und ohne die alt bekannten Pfade zu verlassen.

Nach wie vor bietet Naruto eine ausgewogene Mischung aus klassischem Action-Adventure, in dem Erforschung und mitunter fordernde Sprungsequenzen an erster Stelle stehen, sowie einem nicht unbedingt umfangreichen, aber sehr soliden Kampfsystem.  

Gut umgesetzt wurde der Team-Aspekt: Das bedeutet, dass ihr zumeist mit einer oder zwei weiteren Figuren unterwegs seid, zu denen ihr jederzeit wechseln dürft. In den meisten Fällen wird die Zusammenstellung allerdings vom Spiel vorgegeben, da es auch auf die jeweiligen Spezialfähigkeiten ankommt, die ggf. auch kombiniert werden müssen, wenn man innerhalb der Kampagne Erfolg haben will.

Bei bestimmten Punkten z.B. kann Naruto mit seinem Schatten-Jutsu eine Brücke bilden. Wenn aber gleichzeitig Fallen von den Gegnern platziert wurden, solltet ihr das "Entdeckungs"-Jutsu eines Freundes aktivieren, das euch die Standorte von z.B. mit Bomben versehenen Fallstricken offenbart, denen ihr jetzt gut ausweichen könnt.

Durch diese Kombinations-Mechanik bekommen die Rätsel für ein Spiel dieser Art eine durchaus interessante Dimension und es wird etwas von der Wiederholungsanfälligkeit der vorrangig auf Hol- und Bringdienste angelegten Missions-Strukturen abgelenkt.

Viel drum, einiges dran

Vor allem in diesem Bereich hat Ubi Montreal für einen möglichen Nachfolger Luft nach oben. Das Drumherum im Action-Adventure-Anteil von BB hingegen lässt nur wenige Wünsche offen: Die Baumsprungsequenzen wurden deutlich komfortabler und visuell eindrucksvoller gestaltet, es gibt zahlreiche gut gelungene Minispiele, die sinnvoll und unauffällig eine optionale Rolle bei der rudimentären Charakter-Entwicklung spielen und dank der gelungenen Kulisse sowie der überzeugenden Zwischensequenzen kann ich sogar über die Missionsproblematik hinweg sehen.

Kein Auge zudrücken hingegen kann ich bei den unnötigen Wegen, die ich mit Naruto und seinen Mitstreitern hin und wieder gehen muss. Anstatt mir die Möglichkeit anzubieten, direkt von Punkt A zu Punkt E zu gelangen, oder zumindest nur mit einem kurzen Abstecher über Punkt D, werde ich zu häufig auch noch durch Gebiet B und C gelotst. Durch dieses Backtracking wirkt nicht nur die Spieldauer von gut zwölf bis 14 Stunden unnötig aufgedunsen, auch die Spannungskurve leidet darunter.

Wie der Vorgänger "Rise of a Ninja" bietet einen sorgsam abgestimmten Mix aus klassischem Action-Adventure und Prügler. 
Das wird jedoch durch die guten Kämpfe aufgefangen, die vor allem mit einer eingängigen und in ihren auf den ersten Blick sehr eingeschränkt scheinenden Steuerung (zwei Knöpfe für Schläge, jeweils einer für Block, Wurf und Sprung) erstaunlich viele Kombo-Möglichkeiten ermöglichen. Diese Kombos sowie die Jutsus (besondere Kampftechniken, die meist in einem kleinen Reaktions-Spielchen enden) gab es zwar auch schon im ersten Teil, doch wie viele der Mechaniken scheinen sie in BB einen kleinen Schritt weiter an ihr Optimum geführt zu werden.

Als großes Plus greift aber auch hier wieder die Team-Mechanik: Seid ihr mit Kollegen des Ninja-Nachwuchs unterwegs, könnt ihr die Mitstreiter nicht nur einwechseln, wenn ihr in Gefahr seid, zu kollabieren, sondern auch in bestimmten Situationen verheerende Team-Attacken beim Wechsel abrufen.

Um gegen die Computer-Gegner eine Chance zu haben, solltet ihr auch tunlichst von allen euch zur Verfügung stehenden Möglichkeiten Gebrauch machen. Und dazu gehört nicht nur der clevere Einsatz von Kombos, die ihr auch für jeden Charakter im Dojo trainieren dürft, sondern auch die Benutzung von Heilpillen im Kampf. Gerade in den Bosskämpfen kann eine Pille über Leben und Tod entscheiden.

Vor allem auch, da die KI sich als sehr wankelmütig zeigt: Gegner, die teilweise keine oder nur geringe Gegenwehr leisten, geben sich die Klinke in die Hand mit Feinden, die scheinbar übersinnliche Fähigkeiten haben, da sie Blocken, Kontern und ihr Jutsu nutzen, bis kein Gras mehr wächst und ihr das Zeitliche gesegnet habt. Der dadurch aufkommende Frust hält sich aber dennoch in Grenzen, da dies die Regel bestätigende Ausnahme ist.  

Fazit

In den ersten Stunden ist Naruto - The Broken Bond auf klarem Award-Kurs. In jeder Hinsicht seinem Vorgänger überlegen, überzeugen auf den ersten Blick sowohl Kulisse, Story als auch Spielmechanik der cleveren Mixtur aus Prügler und Action-Adventure. Doch nach dem pompösen Einstieg und den ersten Missionen wird deutlich, dass unter dem Strich nur die visuelle Pracht das hohe Niveau beibehält. Die Geschichte ist zwar spannend und vielschichtig, aber nur für Spieler mit Vorkenntnissen komplett nachzuvollziehen. Die neuen Team-Mechaniken sowohl während der Kämpfe als auch während der Action-Adventure-Sequenzen sorgen für ein runderes Erlebnis. Und mit zahlreichen Minigames sowie Nebenaufgaben wird man ansprechend unterhalten  Daher ist es bedauerlich, dass sich die Missionsstruktur zu einer überwältigenden Mehrheit auf einfache Hol- und Bringdienste verlässt und man unnötig durch Abschnitte gelotst wird, um Spielzeit zu schinden. Dennoch: Naruto - The Broken Bond ist eine konsequente und nicht nur für Fans unterhaltsame Fortsetzung der letztjährigen Überraschung. Und nach wie vor ist es ein gutes Beispiel dafür, dass man mit Kreativität, einem schlüssigen Konzept sowie visueller Kraft nicht vor Lizenzen zu Kreuze kriechen muss.

Pro

stimmungsvolle Kulisse im stilsicheren Comic-Look
leicht erlernbare Steuerung
spannend erzählte Geschichte
gut integrierte Minispiele
umgebungsbezogene Rätsel
Team-Mechaniken in Kampf und Erforschung
wahlweise mit japanischer Sprachausgabe
sauber übersetzte deutsche Texte
Offline-Duelle und -Turniere für bis zu vier Spieler möglich
lagfreie Online-Kämpfe

Kontra

Story ohne Vorkenntnisse schwer nachzuvollziehen
vergleichsweise wenige Möglichkeiten in den Kämpfen
Missionen fokussieren zu sehr auf Hol
und Bringdienste
zu viele unnötige Level-Wiederholungen

Wertung

360

Gelungener Mix aus Prügler und Action-Adventure, der vor allem mit seiner nahezu perfekten Kulisse punkten kann.

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