Im Test:
Abgefahren, aber interessant
Inversion macht erzählerisch zu Beginn neugierig. Die Zivilcops Davis und Leo möchten vor Beginn ihrer Schicht Davis' Tochter einen Besuch abstatten, um ein Geburtstagsgeschenk zu überbringen. Doch auf dem Weg dorthin bricht die Hölle in der Metropole Vanguard City los: Die Erde bebt, die Schwerkraft wird punktuell aufgehoben und zu allem Überfluss fallen auch noch die so genannten Lutadore, muskelbepackte sowie schwerbewaffnete Nomaden, über die Stadt her. Wer oder was dahinter steckt, wird an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel sei gesagt: Dialoge und Charakterzeichnung lassen Schauspieler wie Steven Seagal, Jean Claude Van Damme oder Chuck Norris wie Mitglieder der Royal Shakespeare Company aussehen. Dennoch birgt das B- bzw. C-Film-Niveau auch einige amüsante Szenen, die mich neugierig gemacht haben, wie es weiter geht.
Allerdings verliert sich die Handlung irgendwann: Die Suche von Davis nach seiner Tochter ist eigentlich ein starker erzählerischer Motivator, wird aber schließlich abstrus konstruierten sowie schlecht inszenierten SciFi-Theorien geopfert. Titel wie die Gears of War-Serie oder Bulletstorm haben auch nicht gerade mit Oscar-reifen Drehbüchern und
Generische Action-Kopie
Geschichte? Figuren? Erzählstruktur? Geht’s noch? Das ist Action, da braucht man so etwas nicht! Bis zu einem gewissen Grad könnte ich diesen Einwand nachvollziehen - oder würde ihn vielleicht sogar selbst anführen. Vor allem, wenn die Action über alle Zweifel erhaben wäre. Doch da dies nicht der Fall ist, hätte die Geschichte in manchen Momenten Wunder wirken können, um von dem Standard-Geballer abzulenken, das sich zu einem Großteil an bekannten Größen orientiert.
Die Perspektive, die Waffenauswahl, das Deckungssystem und die stark verwackelte Kamera beim Laufen kennt man woher? Richtig: Gears of War! Doch dies ist nicht der einzige Shooter, an dem sich Inversion zu orientieren versucht und dabei mal mehr, mal weniger erfolgreich ist.
Allerdings hat Saber Interactive mit Titeln wie Will Rock oder TimeShift eine nicht von der Hand zu weisende Baller-Kompetenz vorzuweisen. Und diese wird in den Gefechten (vor allem in den Bosskämpfen) konsequent ausgespielt. Sprich: Die Action per se ist solide, leistet sich abseits tumber KI kaum Schnitzer, reißt einen aber auch wahrlich nicht vom Hocker und bietet einige nervende Trial&Error-Sequenzen. Damit meine ich nicht einmal die gegen Ende herben Bosse, bei denen man leider zu sehr auf das Wiederkäuen (und das Multiplizieren) bereits besiegter Feinde setzt.
Schwerkraft-Spielereien
Um sich vom Kugelhagel-Einerlei abheben zu können (vor allem, wenn man derart viele Titel zitiert), ist etwas Besonderes nötig. Und Inversion hat tatsächlich eines dieser besonderen Elemente: Gravitation - genauer: die Manipulation derselben.
Weiterhin kann man das Gimmick auch als Inversion-Variante der Half-Life’schen Gravity Gun nutzen. Schwebende Gegenstände können aufgenommen und als Projektil auf Gegner geworfen werden. Die Gravitations-Manipulation wird auch als Grundlage für das eine oder andere "Rätsel" angewandt: Hier kann man sich einen Durchgang schaffen, dort an fetten Drahtseilen hängende Container dank erhöhter Schwerkraft zu Boden bringen und als zusätzliche Deckung nutzen. Doch in dieser Hinsicht wäre sicherlich mehr möglich gewesen. Denn so ist es nicht mehr als eine sicherlich gut gemeinte, aber deutlich der Action untergeordnete Spielerei, die einem zwar in bestimmten Situation hilft, aber dem Ballern keine wesentliche neue Facette hinzufügt.
"What’s our vector, Victor?"
Für Abwechslung sorgen anfänglich auch die Schwerelosigkeitszonen sowie die "Vektorwechsel". Hinter Ersterem verbergen sich Gebiete, in denen man sich zwischen schwebenden Plattformen bewegt und sich dabei mitunter Gefechte mit den Lutador liefert. Und bei Letzterem wird durch das Betreten bestimmter "Schwerkraft-Portale" der Vektor gewechselt, der letztlich für die Gravitation verantwortlich ist.
Das Problem mit beiden Elementen: Die Schwerelosigkeitszonen werden überstrapaziert, so dass ich bereits mittelfristig innerlich gestöhnt habe, als Davis wieder einmal abhob. Und die Vektorwechsel, die grundsätzlich ein richtig cooles Element sind, werden später gar nicht mehr aufgegriffen - abgesehen davon, dass mich die Einschränkung durch vorgegebene Portale stört. Wie cool wäre es denn, wenn es einen Abschnitt gäbe, in dem man selbstständig den Wechsel initiieren und sich damit neue Taktiken und Deckungen schaffen könnte? Doch leider muss man auf solche Elemente verzichten, die Inversion deutlich von anderen Ballereien abgegrenzt hätte.
Zahnloser Säbelzahntiger
Gefühlt werden 95% der Actionspiele auf PS3 und 360 von Unreal-Technologie angetrieben. Das wäre vielleicht auch hier eine probate Lösung gewesen. Das soll nicht heißen, dass die proprietäre Saber 3DEngine (mit Havok-Physik) nichts auf dem Kasten hat. In TimeShift hat sie in einer ähnlichen Kombination akzeptable bis sehenswerte Erlebnisse abgeliefert.
Fazit
So oft die Veröffentlichung verschoben wurde, so sehr passt der europäische Juli-Termin: Kein anderer Shooter weit und breit, der Inversion gefährlich werden könnte. Und das ist auch gut so. Denn abseits einer häufig zu selten, dann wiederum zu redundant genutzten Gravitations-Veränderung hat die Ballerei nichts Herausragendes zu bieten. Die Kulisse ist größtenteils durchschnittlich. Die anfänglich wenigstens noch auf B- bzw. C-Film-Niveau liegende Story verliert gegen Ende auch noch das letzte Selbstwertgefühl, wird unzusammenhängend und lässt ihre Figuren im Stich. Und die Action? Die bemüht sich, das Gears of War-Konzept samt Deckungssystem zu replizieren, macht dies nicht einmal schlecht und garniert das Ganze mit Gegnerdesign irgendwo zwischen Borderlands und Rage. Dabei möchte man allerdings einen eigenständigen Eindruck hinterlassen, was angesichts der zu häufig generisch wirkenden Ballereien nur gelingt, sobald die Gravitation bzw. der Wechsel von Vektoren ins Spiel kommen. Es gibt schlimmere Machwerke als Inversion, aber Saber Interactive ist nur noch ein Schatten seines TimeShift-Selbst.
Pro
Kontra
Wertung
360
Action von der Stange mit anfänglich interessanter, dann aber absurder Story sowie viel versprechenden Gravitations-Manipulationen, deren Potenzial allerdings größtenteils ungenutzt bleibt.
PlayStation3
Action von der Stange mit anfänglich interessanter, dann aber absurder Story sowie viel versprechenden Gravitations-Manipulationen, deren Potenzial allerdings größtenteils ungenutzt bleibt.
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