Im Test:
Holz im Weltraum
Der Untertitel »Broken Alliance« bezieht sich vermutlich auf den Bruch des ursprünglichen Entwicklers Ascaron mit der Gegenwart, denn Ascaron gibt's bekanntermaßen seit einiger Zeit nicht mehr. Eine andere Existenzberechtigung hat der Untertitel von Darkstar One (nachfolgend DSO abgekürzt) nicht, denn das Spiel ist von Anfang bis Ende identisch. Nur dass jetzt das Namen gebende Super-Raumschiff nicht mehr mit Tastatur und Maus, sondern mit einem anfangs erdrückend vollgestopften Gamepad gesteuert wird. Aber habt keine Angst, Feinde ausufernder Optionsmenüs, dieser Eindruck täuscht - denn die Kontrolle über Ringmenüs wirkt nur zu Beginn fummelig, nach kurzer Eingewöhnungszeit zischt und lasert man fröhlich und schnell wie der junge Kirk durch das bunte Universum.
Dieser täuschende Eindruck ist übrigens nicht allein, denn DSO gibt sich zu Beginn erstaunlich viel Mühe, den von fulminanten Renderintros verwöhnten Spieler (der direkte Konkurrent Project Sylpheed kommt von Square Enix, mehr muss dazu wohl nicht gesagt werden) möglichst schnell vom Fernseher zu verscheuchen: Das Intro ist schrecklich, die steifen Bewegungen der Holzklotz-Figuren erinnern an die späten 90er Jahre - in einem von Wing Commander & Co. so cineastisch geprägten Genre sind derartige Bilder eine mittelschwere Zumutung. Steht die Xbox 360 auf Englisch, gesellt sich auch noch ein Ohrentest dazu: Ich weiß nicht, ob man die deutschen Sprecher gleich im Studio behalten und sie englische Texte hat aufsagen lassen, aber das Resultat schrammt in vielen Fällen, besonders beim Protagonisten, nur ganz knapp an der »Nau vi mast flei to fait ze ehliens!«-Grenze entlang. Noch nicht ganz Alarm für Cobra 11, aber für mich dennoch Grund genug, meine 360 auf Deutsch zu stellen - was eigentlich nie passiert. Steht sie auf Deutsch, ist alles gut: Die Texte passen, die Sprecher machen einen guten Job, das Klingeln in den Ohren verschwindet.
Die Säulen der Macht
An jeder Raumstation gibt es ein Auftrags-Terminal, das zum Geldverdienen einlädt. Die Zahl der Nebenmissionen geht zwar in die Hunderte, allerdings gibt es nur eine Hand voll unterschiedlicher Typen: Kopfgeldjagd, Sabotage und Geleitschutz sind die drei großen Pfeiler des Missionsdesigns. Hin und wieder muss man auch etwas transportieren, was aber grundsätzlich darauf hinaus läuft, dass man am Abholort von Piraten überfallen wird und sich verteidigen muss, bevor es mit der wertvollen Fracht weiter geht - Abwechslung ist nicht gerade die Stärke des Spiels. Der Großteil der Aufträge spielt im Vakuum des Raumes, nur hin und wieder begibt man sich auf die Oberfläche eines Planeten. Man kann übrigens immer nur eine Mission gleichzeitig verfolgen, bevor die nächste angenommen werden darf. Die einzigen Ausnahmen dieser Regel stellen die seltenen »Sidequests« dar, die oftmals an den Storyverlauf gebunden sind. Die meisten Aufträge sind sehr kurz (fliege da hin, mache alle Gegner platt, vielen Dank), längere Missionen verfügen über Checkpunkte. Hin und wieder darf man sogar Moral-Entscheidungen treffen - etwa wenn ein Frachterkapitän, den man eigentlich abschießen soll, um sein Leben fleht. Pfeift man darauf, knallt ihn ab und kassiert die Belohnung, oder hört man auf sein Gewissen, verschont ihn und legt sich stattdessen mit dem Auftraggeber an?
Mein Schiff, mein Schiff und mein Schiff!
Wing Commander, Privateer, die X-Spiele oder Freelancer boten über kurz oder lang einen beeindruckenden Flugpark - anfangs gurkte man im Raumschrott mit Propeller herum, später gab man im Weltall-Ferrari Vollgas. Hier ist das anders: Die Darkstar One ist von Anfang an ein gutes Schiff und sie bleibt auch das einzige. Natürlich darf man sie mit immer neuen Antrieben, Waffen, Schutzschilden oder sonstigem Schnickschnack ausstatten, aber das Schiff selbst wird nie gewechselt. Das richtig interessante Tuning gibt's über die im ganzen Weltall verstreuten Artefakte: Das sind grün leuchtende Klumpen, die an bestimmten Asteroiden kleben und einfach aufgesammelt werden können. Das Schiff darf in den Bereichen Rumpf, Antrieb und Flügel aufgerüstet werden. Konzentriert man sich auf Ersteres, widersteht das Schiff u.a. weitaus mehr Gegnerbeschuss. Ein verbesserter Antrieb erlaubt höhere Geschwindigkeit und bessere Manövrierbarkeit, in die Flügel investierte Artefakte bringen z.B. zusätzlichen Platz für noch mehr Waffen. Das Suchen der Artefakte artet dankbarerweise nicht in Kleinstarbeit aus, denn betritt man einen Sektor, bekommt man gleich angezeigt, dass sich hier ein Artefakt befindet. Das muss man dann nur noch aus der Zielliste auswählen, den entsprechenden Asteroiden anwählen, den Nachbrenner einschalten, kurz abwarten und dann einsacken.
Der Wechsel zwischen den Systemen erfolgt ausschließlich per Hypersprung, ein direktes Fliegen ist nicht möglich. Der Sprung ist insofern umständlich, als dass man nicht einfach ein Ziel direkt ansteuern kann, sondern immer auf den Maximalradius des Antriebs achten muss - das endet in mehreren Hopsern zum Ziel, die dadurch in die Länge gestreckt werden, als dass das Sprungtriebwerk nach jeder Benutzung kurz neu laden muss.
Von den Schrecken der Zwischensequenzen abgesehen macht DSO gar keine schlechte Figur: Okay, die matschigen Texturen der Raumstationen sollte man nicht aus allzu naher Distanz betrachten, außerdem ist der Weltraum gelegentlich etwas zu bunt, was die Übersicht erschwert, aber das grundsätzliche Völlig-losgelöst-Gefühl ist überzeugend: Dichte Meteoriten-Felder, an allen Ecken und Enden herumschwirrende Raumschiffe und Frachter, gigantische Planeten, glühende Sonnen - eine sehr ansehnliche Leere. Die Entwickler reiten sehr darauf herum, dass das Spiel in voller HD-Auflösung läuft, in der es auch tunlichst gespielt werden sollte - denn in 720p sind die Texte schlecht lesbar, die Fontgröße wird nicht richtig nach unten skaliert. Unabhängig davon gibt es aber einen deutlichen Bruch zwischen Spiel und Zwischensequenz - Letztere sind deutlich niedriger aufgelöst. Davon abgesehen existieren einige Störenfriede im Grafikbereich: Gelegentlich geht die Framerate in die Knie (beim Kampf gegen viele Gegner, etwa beim Ausheben eines Piratennests oder in der Nähe einer großen Raumstation), die Anzeigen für Plasma- und Schubenergie sind kaum erkennbar, innerhalb der Rassen gibt es immer die gleichen Figurenbilder: Piraten, Kapitäne, Reptilien- , Insekten- und Froschwesen werden immer mit der gleichen Animation dargestellt, was spätestens beim Dialog mehrerer Vertreter einer Spezies albern aussieht.
Fazit
Vier Jahre sind eine lange Zeit: Hat Marcel damals die Zwischensequenzen von Darkstar One noch gelobt, waren sie im Jahr 2010 für mich ein Grund für heftiges Brilleputzen. Der erste Eindruck ist wichtig, und glaubt man diesem, ist DSO ein hässliches und zumindest in der englischen Fassung scheußlich klingendes Spiel. Übersteht man diesen Eröffnungsschock und gewährt dem Spiel einen zweiten oder dritten Blick, offenbart sich ein solider und erstaunlich fesselnder Laser-Shootout bester Wing Commander- und Privateer-Schule: An die Steuerung hat man sich schnell gewöhnt, danach herrschen wunderbar spaßige und unkomplizierte Weltraum-Ballereien vor. Wer unbedingt möchte, kann auch den Taschenrechner zücken und den All-Buchhalter mimen, auch wenn mir der übersimple Handelspart gar nichts sagte. Allerdings mangelt es auf Dauer an Abwechslung: Es gibt nur eine Hand voll unterschiedlicher Missionsarten und die Beschränkung auf ein Schiff ergibt zwar durch das Upgrade-System durchaus Sinn, wirkt aber trotzdem fad. Für Darkstar One spricht vor allem der bemerkenswerte Umfang, das launige Spielprinzip sowie die Tatsache, dass es gerade mit Ausnahme von Project Sylpheed (das nur die Grafiknase vorn hat) keine Konkurrenz hat, was es zur derzeit besten Space Opera auf der Xbox 360 macht. Lange nicht perfekt, aber auch weit von einem Reinfall entfernt.
Pro
Kontra
Wertung
360
Schöpft sein spielerisches Potenzial lange nicht aus, außerdem ist die Präsentation veraltet - aber das Zischen und Ballern durch die unendlichen Weiten macht sehr viel Spaß!
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