Im Test:
Wieder mal Dämonenjäger
Es ist ja nicht so, dass es in der Spielewelt keine mehr oder weniger unsterblichen Dämonenjäger gibt. Devil May Cry’s Dante, die für mich immer noch gleichermaßen unterschätzte wie herausragende Hexe Bayonetta oder auch Krieg aus Darksiders sind nennenswerte Beispiele. Und wenn ein Team versucht, den Stereotypen frische Facetten abzugewinnen, wird meine Neugier geweckt. So geschehen bei NeverDead: Das setzt zwar im Wesentlichen auf die gleiche Formel, die bereits von Capcom und Platinum Games ausgereizt wurde – also Erforschung weitgehend linearer Abschnitte, Kämpfe gegen Dämonen in abgeschlossenen Arealen, dessen Ausgang nach dem Tod des letzten Gegners geöffnet wird und knallharte Bosskämpfe. Doch es gibt auch einige interessante Ideen, die aus NeverDead ein morbides Früjahrs-Highlight machen könnten.
Kopflose Unsterblichkeit
Der Protagonist Bryce ist seit seinem Aufeinandertreffen auf den Dämonenkönig Astaroth vor 500 Jahren unsterblich. Seine Frau kam dabei ums Leben und Bryce ist dazu verdammt, mit seiner Schuld und Reue zu leben – und dem Wissen, dass er ohne die Hilfe eines Mediums (wie seiner damaligen Herzallerliebsten) nur unwichtige Vertreter der Dämonenzunft der ewigen Ruhe zuführen kann, nicht aber die Drahtzieher hinter den Kulissen.
Dieses Element der Unsterblichkeit ist innerhalb des von Dante geprägten und von Bayonetta zum vorläufigen Höhepunkt getriebenen Genre zwar auch nichts Neues und wurde z.B. auch von Namco Bandais Knights Contract thematisiert. Doch meines Wissens ging bislang niemand so weit wie Rebellion: Sie führen die Unsterblichkeit zu neuen Ufern. Denn hier wird der Protagonist von seinen Gegnern oder bei Explosionen im wahrsten Sinne des Wortes auseinander genommen. Arme sowie Beine entfernen sich vom Rumpf und auch der Kopf sitzt nicht fest auf den Schultern und kann abgetrennt werden. An diesem Punkt streichen andere Unsterbliche die Segel, nicht jedoch Bryce.
Spielerisch wertvoll?
Dieses Element hat jedoch nicht nur einen kosmetischen, für einen gewissen Splatterfaktor sorgenden Charakter. Denn auch die Dynamik in den Kämpfen kann dadurch empfindlich geändert werden: Ist man mit zwei Waffen ausgestattet und fehlt z.B. der linke Arm, kann man nur noch mit der rechten Waffe gezielt feuern. Wenn beide Arme fehlen, sind sowohl Projektile als auch das mächtige Schwert als Alternativwaffe nicht mehr nutzbar. Und die Feinde ohne Beine durch Tritte zu schwächen, ist ebenfalls ein Ding der Unmöglichkeit. Doch man hat nicht nur Nachteile durch abgetrennte Gliedmaßen, weswegen man den Vorgang auch eigenständig einleiten kann.
So kann man z.B. einen Arm wunderbar als Köder werfen und die blindwütig hinterher laufenden Standardgegner aus dem „Hinterhalt“ erledigen. Oder man besorgt sich für seine Erfahrungspunkte (quasi die spielinterne Währung, es gibt keinerlei Rollenspiel-Elemente oder Charakteraufstieg) das „Explosions“-Upgrade, mit dem man seine
Unspektakuläre Kulissen
Wenn alle Stricke reißen, kann man in den gerade mal durchschnittlichen Kulissen auch versuchen, die Umgebung einzusetzen, um die Feinde zu besiegen. Säulen brechen ein, Balkone stürzen auf den Boden, Putz fliegt in großen Stücken von den Wänden: Mitunter hat man das Gefühl, dass die Frostbite Engine hier ihren Dienst verrichtet. Bis man feststellt, dass viele Elemente immer nach dem gleichen Schema zerlegt werden, wodurch die physikalische Zerstörung schnell ihren Reiz verliert.
Arm dran oder Arm ab?
Dort ist ein Raum, in dem der Schalter zur nächsten Tür wartet, aber man hat keine Ahnung, wie man reinkommen soll? Vielleicht sollte man probieren, seinen Kopf zu entfernen und in den Belüftungsschacht zu werfen, der (hoffentlich) dorthin führt. Immerhin könnte man sich ja im Raum wieder zusammensetzen und dann den Schalter betätigen.
Wie kriegt man Licht in die zappendusteren Flure, die selbst bei maximalem Gamma-Wert nicht zu navigieren sind? Ganz einfach: Man stellt sich neben eine Feuerquelle und wird so zu einer wandelnden Fackel – sterben kann man nicht.
Diese kleinen Rätsel lockern die mitunter frenetische Action, die aufgrund der unglücklich reagierenden Kamera schnell hektisch und unübersichtlich werden kann, immer wieder angenehm auf. Aber sie kommen für meinen Geschmack etwas zu kurz und werden leider zu wenig variiert. Auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel: Ich war von NeverDead quasi konditioniert, den Kopf irgendwohin zu werfen, so dass ich bei einem (im Nachhinein
Grau ist alle Theorie
Konzeptionell kann ich an all diesen Elementen nichts aussetzen. Jeder Mosaikstein passt grundsätzlich und hat das Zeug, die angesprochenen Anführer der Dämonenjäger-Front ins Schwitzen zu bringen. Doch ziemlich schnell wird deutlich, dass hier zwischen Anspruch und Wirklichkeit, sprich Bryce auf der einen und Dante bzw. Bayonetta auf der anderen Seite, ein verdammt großer Abstand besteht – in nahezu jeder Hinsicht.
Obwohl die Gefechte angenehm hektisch sind und man problemlos zwischen Fernkampf (auf den Schultertasten) und Schwert (auf dem rechten Stick) wechseln kann, ist man ein gutes Stück von der Dynamik entfernt, die man von anderen Titeln in diesem Bereich kennt. Und das ist vor allem der unglücklich gelösten Schussmechanik zuzuschreiben.
Erzählerisches Stückwerk
Hinsichtlich Inszenierung und Charakterzeichnung liegt man ebenfalls hinter dem Standard zurück. Wo Capcoms Dante mit Coolness punkten konnte und Platinum Games‘ Edelhexe mit Sex Appeal und Wortwitz glänzte, bleibt Bryce zumeist farblos. Mit seinem Sidekick Arcadia (eine naive Agentin einer Dämonenjäger-Firma) liefert er sich zwar Wortgefechte, die in seltenen Fällen sogar mal mit witzigen Einzeilern enden. Doch das erzählerische Potenzial, das in seiner 500 Jahre dauernden Tortur schlummert, kommt nur in den aufwändig produzierten CG-Sequenzen zum Tragen, die zeigen, wie er zu seiner
In der Theorie unterstützt NeverDead Mehrspieler-Herausforderungen für bis zu vier Teilnehmer. In der Praxis war es leider nicht möglich, Spieler zu finden. Daher fließt dieser Bereich nicht in die Wertung ein. Unsterblichkeit kam. Hier bekommt man einen Einblick in seine Persönlichkeit. Doch selbst hier verschenkt man Potenzial: Ich hätte gerne in diese Sequenzen eingegriffen und aktiv an der Erzählung teilgenommen.
Denn das selbst minimale Aktivität im richtigen Moment effektiv eingesetzt werden kann, zeigt Rebellion in einer kurzen Sequenz kurz vor Schluss: In einer Ruhephase ist man in Arcadias vor Dämonen sicherer Wohnung und hat die Möglichkeit, mit verschiedenen alltäglichen Einrichtungsgegenständen zu interagieren und so eine andere Seite von Bryce kennenzulernen. Eine unwichtige vielleicht, aber dennoch ist das der Weg, den man auch an anderen Stellen hätte einschlagen müssen, anstatt sich immer wieder auf die gleichförmige Action zu konzentrieren. Denn wer hätte gedacht, dass der unsterbliche Protagonist Gefallen an Judge Dredd-Comics findet, um sich die Zeit zu vertreiben?
Fazit
Was Rebellion und Konamis Shinta Nojiri sich haben einfallen lassen, klingt konzeptionell richtig gut: Das Prinzip des untoten Dämonenjägers ist zwar nicht neu, doch die buchstäbliche Unsterblichkeit exzessiv auszureizen, indem man seine abtrennbaren Körperteile bei Rätseln gezielt einsetzen kann, um in neue Bereiche vorzustoßen, ist bemerkenswert. Aber in der Umsetzung wirkt vieles ebenso zusammengestückelt wie der Held: Die Kamera z.B. wird in den hektischen und trotz aller Ansätze letztlich weitgehend gewöhnlichen Gefechten immer wieder zum Stolperstein. Die skurrile Charakterzeichnung schafft im Gegensatz zu Bayonetta leider nicht den Spagat zwischen Komik, Selbstironie und Coolness, so dass die Dialoge gezwungen witzig klingen. Und die sich anbietenden Rätsel werden nur sporadisch eingestreut. Zur Ehrenrettung muss ich allerdings sagen, dass sie dann durchweg gelungen sind. So wandelt Bryce stets mit einem seiner ausreißbaren Beine an der Grenze zur Belanglosigkeit. Die andere Seite, die mich jedoch immer wieder ans Pad gelockt hat, besteht aus passablem Leveldesign, fordernden Bosskämpfen und hektischer Action zu treibenden Hammer-Gitarren u.a. von Megadeth. Bryce hätte das Zeug gehabt, Dante und Bayonetta zu einem heißen Tanz aufzufordern, aber dazu fehlt ihm mehr Eleganz und Charakter.
Wertung
360
Konzeptionell hat Rebellion gute Arbeit geleistet. In der Umsetzung leistet sich aber vor allem die Schussmechanik herbe Aussetzer, so dass Dante und Bayonetta nie in Gefahr geraten.
PlayStation3
Was nutzt das interessante Konzept, wenn bei der Umsetzung handwerkliche Fehler gemacht werden? Vor allem die Ballermechanik hat Luft nach oben...
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