Metro: Last Light17.05.2013, Mathias Oertel
Metro: Last Light

Im Test:

Was macht einen guten Shooter aus? Die Story? Die Atmosphäre? Die Kulisse? Die KI? Die Baller-Mechanik? Eine gelungene Mischung aus allem? Je nach den persönlichen Vorlieben dürfte Metro Last Light zwischen allen Stühlen sitzen. Oder kann der erste veröffentlichte Titel aus dem THQ-Vermächtnis für eine Überraschung sorgen?

"Wir werden diesen Krieg nicht überleben..."

"Niemand wird überleben..." Als ob die Situation ein Jahr nach den Geschehnissen aus Metro 2033 nicht bedrohlich genug wäre: Die in die vermeintlich sicheren U-Bahn-Schächte zurückgezogenen menschlichen Überlebenden eines Atomkriegs kämpfen immer noch gegen Mutanten und Radioaktivität an der Oberfläche. Doch zu allem Überfluss sorgen politische Splittergruppen wie die postapokalyptischen Nachfolger der sowjetischen Roten Armee oder die abermals nach Rassenreinheit strebenden Nazis des "Reich" dafür, dass die Menschheit zerstritten bleibt.

Man schlüpft wieder in die Haut des in den U-Bahn-Röhren geborenen Artyom, der nach den Ereignissen des Vorgängers noch mehr in die Rolle des unfreiwilligen Helden gedrängt wird. Nur er und seine telepathische Verbindung mit den mystischen "Schwarzen" scheinen die Menschheit retten zu können. Denn der einzige Überlebende dieser Wesen könnte der Schlüssel zur Rettung sein. Auf den ersten Blick wirkt dies erzählerisch nicht gerade spektakulär. Doch die Elemente, mit denen Metro Last Light (MLL) spielt, werden dank der Mithilfe von Buchautor Dmitri Glukhovsky vor allem gegen Schluss zu einer emotionalen Tour de Force. Ich wurde mitgerissen, schockiert und gerührt, habe Sympathien für die einen Figuren und Hass gegen die anderen aufgebaut.

Das Figurendesign ist gut, Animationen und Mimik haben Luft nach oben.
Das Figurendesign ist gut, Animationen und Mimik haben Luft nach oben.
In dieser Intensität hat Metro bei mir Saiten angeschlagen, die nicht einmal ansatzweise von Elizabeth in BioShock Infinite bedient wurden. Das ist ein himmelweiter dramaturgischer Unterschied zur brachialen und banalen Inszenierung der letzten Call of Duty-Teile.

Die Welt lebt

Dass die Story trotz einer schwachen Anfangsphase, in der zu dick aufgetragen wird und das Gut-Böse-Schema zu plakativ ausgewalzt wird, spätzer zu Hochform aufläuft, ist nicht nur den Themen, sondern auch dem stimmigen Weltdesign, der davon ausgehenden Atmosphäre, dem unter der Oberfläche schlummernden und sich auf die zwei möglichen Enden auswirkenden Moralsystem sowie den gelungenen Tempowechseln zu verdanken. Immer wieder gibt es Ruhephasen, in denen man die Umgebung auf sich wirken lassen oder das Geschehene verdauen kann. Nimmt man sich die Zeit und hört den Leuten zu, die in den unterirdischen Standorten hausen, erfährt man nicht nur packende Einzelschicksale, sondern es ergibt sich ein stimmiges Gesamtbild dieses von Hoffnungslosigkeit geprägten postapokalyptischen Grauens.

Die hauseigene 4A-Engine zaubert u.a. wunderschöne Panoramen auf den Bildschirm.
Die hauseigene 4A-Engine zaubert u.a. stimmungsvolle Panoramen auf den Bildschirm.
Dass dabei sogar Themen wie Sex angesprochen werden, ohne zu überdrehen und dadurch lächerlich zu wirken, rechne ich den Entwicklern hoch an. Doch bei der Umsetzung ist die Physik mit ihnen durchgegangen: Denn sobald es um Bewegung von barbusigen oder nur leicht bekleideten jungen Damen geht, reißt einen die Physik aus der Illusion. Was dort mitunter an animierter weiblicher Anatomie auf den Bildschirm gebracht wird, spottet jeder Beschreibung und stellt selbst das "Boob-Bouncing" der Dead or Alive-Prügelspiele in den Schatten. Auch die in einem Zimmer herumliegenden Bücher wie Metro 2033, Metro 2034 oder Metro 2035 reißen mich aus der Illusion raus - sie gehören für mich nicht in diese Welt. Genausowenig möchte ich in Telltales The Walking Dead Werbeplakate für die Comics von Robert Kirkman sehen. Im Gegensatz dazu habe ich die Varieté-Darbietungen im Bolschoi-Abschnitt genossen - abgesehen vom eröffnenden Can Can, bei dem Tänzerinnen peinlich wackeln. Ebenfalls zweifelhafte Ergebnisse haben die (wenigen) Abschnitte abgeliefert, in denen ich mit einem Begleiter unterwegs bin. Im Kampf zwar eine nicht zu unterschätzende Hilfe, haben mich die Kommentare vor allem von Pawel irgendwann genervt, da sie ab und an konträr zur vorher aufgebauten Stimmung verlaufen. Negativer Höhepunkt war der Moment, in dem man das erste Mal die verstrahlte Oberwelt betritt:
Die düster-bedrückende Atmosphäre ist einer der Stützpfeile des Spielerlebnisses.
Die düster-bedrückende Atmosphäre ist einer der Stützpfeile des Spielerlebnisses.
Der erste Eindruck, den die Ruinen Moskaus hinterlassen, während sie von einer freundlichen Sonne bestrahlt werden, die jedoch schnell fauchenden Gewitterwolken Platz macht, ist atemberaubend. Dass Pawel mir nun zuraunt, dass wir mit den an den schützenden Gasmasken befestigten, sich schnell abnutzenden Filtern haushalten müssen, ist noch in Ordnung. Doch wenn ein derartiger Zeitdruck besteht, wieso schleicht der Kerl dann und erklärt mir die Welt? Diese inhaltlichen Mankos finden sich jedoch vorrangig in der Anfangsphase - später wird alles zunehmend harmonisch und wirkt authentischer integriert. Allerdings zeigt sich die Interaktion mit der Umgebung durchweg als wankelmütig und inkonsequent: Während manche Behältnisse geöffnet und entleert werden können, sind andere verschlossen, wieder andere sind ebenfalls nicht zugänglich, werden aber nicht durch ein entsprechendes Symbol markiert.

Konkurrenz für Crytek, Epic, Dice & Co?

Die hauseigene 4A-Engine zaubert aber nicht nur stimmungsvolle Wetterlandschaften und bedrohliche Häuserschluchten auf den Schirm. Auch die düsteren schmutzigen U-Bahn-Schächte, von Spinnweben bedeckte Höhlen, in denen die Arachniden ekelhaft schön vor mir fliehen oder auf den ersten Blick freundliche Morast-Gebiete sind kein Problem.

Die radioaktiv verseuchte Oberwelt ist ebenso schön wie bedrohlich.
Die radioaktiv verseuchte Oberwelt ist ebenso schön wie bedrohlich.
Ganz zu schweigen von sehr guten Licht- und Schatteneffekten, Partikeln und aufwändig modellierter Wasser-Darstellung. Sprich: Was die Kulisse betrifft, beweist Metro Last Light, dass nicht nur in westlichen Gefilden eindrucksvolle Grafikmotoren entstehen. Da machen die Figuren keine Ausnahme - einzig bei ein paar Animationen und vor allem der wächsernen Mimik kann man Unterschiede zu den Markt dominierenden Engines ausmachen, dies allerdings mitunter recht deutlich. Selbst die sporadischen Clipping-Fehler, die aber eher mit der Physik als mit der Grafikengine zusammenhängen und u.a. dafür sorgen, dass Leichen zum Teil in Wänden verschwinden oder untrennbar mit einem Stuhl oder Tisch verschmelzen, können den überragenden Gesamteindruck nur wenig schmälern. Abhängig von der Konfiguration wird von Bildratenproblemen berichtet, die ich allerdings nicht bestätigen kann.

Das Schöne: Auch auf Konsolen bleibt ein sehr rundes, gelungenes Bild. Im Detail sind die Texturen zwar nicht so hoch aufgelöst und die Partikeleffekte oder Rauch nicht ganz so aufwändig, üppig oder hübsch, die PS3 neigt zudem gelegentlich zu Tearing. Doch unter dem Strich zählt das Gesamtbild. Und das muss sich dem PC zwar geschlagen geben, gefällt mir aber z.B. in Bezug auf die Abbildung von Wasser besser. Am Rechenknecht wirkt die Flüssigkeit "zu" realistisch und wirkt dadurch künstlich, während die reduzierten Details auf den Konsolen in diesem Bereich einen homogeneren Eindruck hinterlassen. Der zeigt sich auf allen Systemen übrigens auch auf der akustischen Seite: Sowohl die englischen als auch die deutschen Sprecher machen ihre Sache gut, werden lediglich von der unaufdringlichen, aber intensiven dynamischen Musikuntermalung sowie den wuchtigen Soundeffekten übertrumpft.

Klassischer Shooter

Die Shooter-Mechanik ist solide und eingängiger als im Vorgänger.
Die Shooter-Mechanik ist solide und eingängiger als im Vorgänger.
Natürlich darf bei all dem Jubel über erzählerische oder visuelle Qualität der spielerische Kern nicht vernachlässigt werden. Und der ist weit weniger bejubelnswert. Das soll nicht heißen, dass die Baller-Action schlecht ist. Doch zu mehr als "solide" reicht es nur selten. War der Vorgänger mit seiner leicht trägen Mechanik noch sperrig, ist Last Light deutlich eingängiger, direkter, einfach zeitgemäßer. Drei Waffen können jederzeit mitgeführt werden, die beliebig aus den fünf grundlegenden Typen gewählt werden dürfen. Beibehalten wurde die Währung in Form von hochklassigen Militärpatronen, die man bei Händlern gegen Standardmunition eintauschen oder im schlimmsten Fall sogar als sehr effektive Geschosse einsetzen kann. Während angesichts einer enorm hohen Ausschüttung an Patronen, die man getöteten Gegnern abnehmen kann, der Kauf von Nachschub meist nur für Wurfgeschosse sinnvoll ist (deren Einsatz aber hinsichtlich Dynamik und Flugkurve nicht überzeugt), wird die Militärmunition nicht ganz entwertet. Denn man kann sich dafür auch neue Schießprügel anschaffen oder sein vorhandenes Arsenal in zahlreichen Punkten aufrüsten. So kann man seine lieb gewonnenen Knarren immer stärker an seine Bedürfnisse anpassen. Ich habe z.B. fast alle Waffen mit einem Nachtsichtzielfernrohr sowie Schalldämpfer ausgerüstet.

Denn diese zwei Hilfsmittel habe ich bei den rudimentär eingeflochtenen Schleich-Elementen sehr zu schätzen gelernt. Wie im Vorgänger kann man Lichtquellen zum Versiegen bringen. Aber nicht nur durch den Einsatz von Gewalt, sondern auch, indem man z.B. einer Funzel das Gas abdreht oder eine Glühbirne aus der Fassung schraubt - das ist subtiler und vor allem leiser. Effektiv ist auch das Ausschalten von Sicherungen, so dass gleich ein ganzer Trakt dunkel wird. Schafft man es, sich unbemerkt heranzuschleichen (geduckt macht man weniger Lärm), kann man den Feind um die Ecke bringen oder ausknocken.

Man kann auch versuchen, sich der Feinde im Schutz der Dunkelheit zu entledigen - die Stealth-Elemente funktionieren.
Man kann auch versuchen, sich der Feinde im Schutz der Dunkelheit zu entledigen - die Stealth-Elemente funktionieren.
Da jeder der häufig überschaubaren Abschnitte, in denen man sich gegen menschliche Kontrahenten beweisen muss, zahlreiche Winkel, Ecken oder Verstecke anbietet, steht einem die Wahl frei, ob man eher schleichend oder frontal angreifend an sein Ziel kommen möchte.Für PC-User -und dort vor allem für die Vertreter der Maus-/Tastatur-Fraktion- ärgerlich ist allerdings, dass auch am Rechenknecht eine automatische Zielhilfe aktiviert sein soll, die deutlich der Multiplattform-Entwicklung geschuldet ist und scheinbar nur über einen manuellen Eingriff in die config-Datei abgeschaltet werden kann. Aber dafür fehlt uns ebenso wie für die bei einigen auftretenden Grafikfehler die Bestätigung.

Unklassische KI

Wenn die KI mitspielt, entwickeln sich auch tatsächlich unterhaltsame Projektil-Schlachten oder spannende Katz- und Maus-Spielchen in der nur von Taschenlampen erhellten Dunkelheit. Leider ist dies aber nur selten der Fall. Denn das Gros der Feinde verhält sich, als ob sie doch zu häufig ohne schützende Gasmaske die Oberfläche besucht haben – wobei die passabel reagierende "Wach-KI" eine Ausnahme darstellt und auf Entdeckung Artjoms entsprechend aggressive Schritte einleitet. Doch ab diesem Moment beginnt das Elend. Denn nicht nur, dass die zahlenmäßig meist überlegenen Gegner kein Interesse zu haben scheinen wie beim Baller-Klassiker F.E.A.R. (aus dem 4A auch den einen oder anderen inszenatorischen Kniff entleiht) zusammen zu arbeiten und mich in die Enge zu treiben. Sie lassen sich auch häufig wie Hühner auf der Stange einer nach dem anderen aus dem Weg räumen. Oder sie rennen verzweifelt von einer Deckung zur nächsten, dann wieder zurück undsoweiter, bis ich sie von ihrer Dummheit erlöse.

Auf Konsolen gibt es weniger Details und Effekte zu sehen, der Gesamteindruck ist dennoch sehr stimmig.
Auf Konsolen gibt es weniger Details und Effekte zu sehen, der Gesamteindruck ist dennoch sehr stimmig.
Und dass ich mit einer schallgedämpften Pistole fünf, sechs Feinde per Kopfschuss erledige (mitunter durch eine zerberstende Glasscheibe hindurch) und dennoch keiner auf mich aufmerksam wird, senkt das Spannungsniveau zusätzlich. Immerhin gibt es bei menschlichen Kontrahenten Trefferzonen und ordentliches Feedback. Bei den Mutanten, denen man an der verstrahlten Oberwelt begegnet, muss man häufig sogar darauf verzichten – ein Problem, das auch der Vorgänger hatte. Die Reaktionen der Viecher auf Kugeleinschlag hätten durchaus deutlicher sein können - ob sie nun durch Strahlung abgehärtet sind oder nicht. Immerhin sorgen Railsequenzen sowie die wenigen hier stattfindenden Bosskämpfe für Abwechslung vom Balleralltag - auch wenn diese weit davon entfernt sind, die Intensität oder den Ideenreichtum klassischer japanischer Action-Bosse zu erreichen.

Fazit

Hinsichtlich Storytelling und Atmosphäre spielt Metro Last Light ganz vorne mit. Mit einfachen, aber effektiven Mitteln hat mich die Endzeit-Action vor allem nach dem etwas dick auftragenden ersten Drittel emotional am Schlawittchen gepackt - auch wenn die sexuellen Bezüge überbetont und von einer peinlichen "Boob-Physik" unterstützt werden, gegen die die vorstechenden Merkmale der Dead Or Alive-Damen absolut real wirken. Dennoch konnte ich nicht nur dank der zahlreichen ruhigen Momente, die sich die Erzählung gönnt, in die Welt eintauchen und musste einige Male angesichts der Kompromisslosigkeit schwer schlucken. Das haben in dieser Intensität bei mir nur wenige Spiele ausgelöst - nicht einmal BioShock Infinite gelang es, diese Saiten bei mir anzuschlagen. Großen Anteil daran hat die Kulisse: Auf einem potenten Rechner (und mit verschmerzbaren Einschränkungen auf Konsolen) zieht die hauseigene Engine alle Effekt- und Beleuchtungs-Register, sorgt so für beeindruckende Bilder und muss sich eigentlich nur hinsichtlich Mimik den Platzhirschen von Crytek, Epic oder id geschlagen geben. Doch sobald es in den eigentlichen Kern geht, die Action, gibt es starke Probleme: Angeführt von einer unterirdischen KI werden die Gefechte sowohl gegen menschliche als auch gegen monströse Gegner schnell zur lästigen Routine. So wird ein Titel, der eigentlich das Zeug hätte, die Action-Schwergewichte gehörig unter Druck zu setzen, vollkommen unnötig degradiert.

Pro

stimmungsvolle Kulisse mit nur leichten Abstrichen auf Konsole
gelungene Licht- und Partikeleffekte (vor allem PC)
gut funktionierende Schleich-Elemente
solide Shooter-Mechanik
spannende Endzeit-Story
Welt wird u.a. über NPC-Gespräche glaubhaft aufgebaut...
effektvolle wuchtige Akustik
nimmt sich auch die Zeit für ruhige Momente
passable Entdeckungs-KI
umfangreiches Waffenarsenal inkl. Aufrüstung
übersichtliche Benutzerführung
trotz Schlauchlevels einiges zu entdecken
Leveldesign unterstützt spannende Katz- und Maus-Spiele

Kontra

bei Monstern nur wenig Trefferfeedback
nur wenig sowie inkonsequente Interaktion mit Umgebung
sehr schwache Kampf-KI
Mimik mitunter starr
wenig Gegner-Variation
... lässt aber die letzte Konsequenz vermissen
Währung und Munition zu üppig ausgeschüttet
Geschichte trägt vor allem im ersten Drittel mitunter zu dick auf
peinliche weibliche "Boob-Physik"

Wertung

360

Kulisse, Atmosphäre und Story sind erstklassig. Als Shooter ist Metro allerdings gerade mal solide und wird zudem von unterirdischer KI gepeinigt.

PC

Es sieht klasse aus, die Atmosphäre ist ebenso packend wie die Story. Doch der solide Shooter-Kern wird von einer unterirdischen KI geplagt.

PlayStation3

Hinsichtlich Story, Kulisse und Atmosphäre spielt Last Light ganz vorne mit. Mechanisch wird die solide Action von einer grottigen KI nach unten gezogen.

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