Star Trek26.04.2013, Jan Wöbbeking
Star Trek

Im Test:

Die Qualität von Star-Trek-Spielen schwankt historisch stark: Zwischen Strategie-Perlen wie Armada und Gurken wie New Worlds klafft eine riesige Lücke. Namco Bandai versucht es gemäß dem Branchen-Trend mit einem actionreicheren Ansatz. Kurz vorm Start des Kinofilms kämpfen Kirk und Spock in einem Deckungs-Shooter gegen Reptilienwesen.

Die Legende lebt

Die Szene ist nicht nur bei Trekkies beliebt: Auf einem felsigen Planeten liefert sich Kirk einen Ringkampf gegen ein erstaunlich behäbiges Reptilienwesen, das einen gewaltigen Felsbrocken werfen kann. Die Entwickler bei Digital Extremes fanden das legendär langsame Duell offenbar derart faszinierend, dass sie die Gorn kurzerhand zu Antagonisten ihres Shooters gemacht haben. Im Spiel sind die Biester zwar immer noch nicht die schnellsten, wuseln aber um einiges flotter vor dem Phaser herum als in der Vorlage.

Als die kriegerischen Gorn entdeckt haben, dass eine von Vulkaniern gebaute Energie-Station Risse im Raum erzeugt, versuchen sie, die Technik in die Finger zu bekommen, um sie für Invasionen zu missbrauchen. Also ballert sich das Duo von der Enterprise im Stil von Gears of War durch diverse Sorten der grünen Biester, um ihr Vorhaben zu vereiteln. Zu Beginn darf man sich für eine Figur entscheiden. Je nach Wahl erlebt man die Mission manchmal aus einem etwas anderen Blickwinkel, weil die beiden sich immer wieder helfen. James deaktiviert z.B. einen Laser, damit der Vulkanier unbeschadet am Vorsprung entlang klettern kann. Oder man lädt sich einen Freund ein und legt kooperativ los. Das klappt offline im Splitscreen, online mit einem Freund oder mit vermittelten Partnern aus der Spielersuche. Der Koop-Modus funktionierte bei unseren Testspielen sauber und flüssig - zumindest auf den Konsolen. Auf dem PC konnte die Spielersuche bisher keine Verbindung herstellen.

Erstaunliche Verschmelzung

Gestatten, Gorn!
Gestatten, Gorn!
Falls Digitital Extremes auch den Trash-Faktor von Kirks erstem Kampf gegen den Gorn einfangen wollte, ist ihnen das vorzüglich gelungen. Das Gruselkabinett beginnt schon bei den Gesichtern: Sie sehen ähnlich unheimlich und zombiehaft aus wie im ersten Fifa auf der Xbox 360. Erstaunlich, wenn man bedenkt, wie gut die Mimik in The Darkness II gelungen ist.

Auch scharfe Texturen und Effekte sind auf der Enterprise Mangelware. Ein „Highlight“ sind die Animationen:  Die stocksteifen Passanten drehen sich wie Holzpuppen auf einer Achse und Spock tanzt sogar den Moonwalk, wenn er an einem Tisch hängen bleibt. Auch die enge freundschaftliche Bindung zwischen den Protagonisten wird mit einer innovativen Bildsprache dargestellt. Wer will, kann die beiden sogar miteinander verschmelzen lassen: Spaziert einfach mit Kirk in Spock hinein und schon könnt ihr ganz ohne Kollisionsabfrage ein waberndes Konstrukt aus beiden Körpern bewundern. Mein Tipp: Bewegt die Kamera ein wenig umher, dann habt ihr einen guten Blick auf die in der Luft schwebenden Augäpfel und die zuckenden Kiefer.

Das schwere Los der Kreativen

Der Spieler schlüpft in die Rolle von Spock oder Kirk.
Nicht hübsch aber selten: In dem Deckungs-Shooter ballern Spock oder Kirk Seite an Seite. Auch manche Terminals werden in Minispielen zusammen gehackt.
Die Dialogschreiber müssen ziemlich sauer auf den Rest des Teams sein, denn im Gegensatz zu ihnen haben die Kreativen ordentliche Arbeit abgeliefert: Wenn Kirk und Spock sich immer wieder mit schnippischen Kommentaren aufziehen, fängt das die Star-Trek-Atmosphäre gut ein. Auch Pille bringt immer wieder Seitenhiebe: „Ohne eure Proben könnten auch wir infiziert werden und zu kalten, herzlosen Wesen ohne menschliche Emotionen werden…also im Wesentlichen wie Spock.“ Spocks Antwort darauf: „Menschliche Emotionen sind stark überbewertet.“

Die ständigen Unterhaltungen der englischen Originalsprecher erinnern ein wenig an Uncharted, die lockere Stimmung wird aber immer wieder von den öden Schießereien verdorben. Ähnlich wie dort schlägt man sich per Knopfdruck in Deckung, hier fühlt sich das Ganze aber schrecklich hakelig an. Immer wieder starte ich versehentlich eine Ausweichrolle ins offene Feuer, da sie mit dem gleichen Knopf ausgelöst wird und ich nicht nah genug an der Deckung stand. Auch das Wechseln hinter eine andere Wand funktioniert zu träge und fehlerhaft. Wenn ich mit dem Zielkreuz auf eine Deckung  ziele, akzeptiert das Spiel nur wenige Punkte. Ist das Symbol endlich erschienen, muss ich den Knopf eine quälend lange Sekunde gedrückt halten. Erst wenn sich die ringförmige Leiste gefüllt hat, laufe ich weiter zur nächsten Deckung – manchmal sogar auf die falsche Seite.

Unendliche Dummheit

Auch ein weiblicher Vulkanier-Captain hilft den beiden auf ihrer Mission.
Auch ein weiblicher Vulkanier-Captain hilft den beiden auf ihrer Mission.
Glücklicherweise werden die Steuerungsprobleme ein wenig durch die grottige Gegner-Intelligenz ausgeglichen: Im Bosskampf gegen einen ranghohen Gorn hing mein Gegner z.B. unter einer Treppe fest. Eigentlich sieht das Spiel vor, dass er von Terminal zu Terminal läuft und das System hackt. Mein Partner und ich sollten seine Tarnung abwechselnd mit dem Tricorder aufheben und ihn unter Beschuss nehmen. Da er sich aber unter einer Treppe verhedderte und panisch im Kreis drehte, war keine Taktik mehr nötig. Einfach draufhalten – fertig.

Auch mein KI-Partner Spock ist für einen Vulkanier erstaunlich beschränkt: Zu seinen Lieblingsbeschäftigungen zählt panisches Im-Kreis-Rennen. Gern auch flitzt er direkt ins Feuer eines tödlichen Automatik-Geschützes. Auch wenn ich dem Gegner eine Falle stelle, sabotiert er mich. Nachdem ich eine Mine durch einen Tricorder-Hack umgepolt habe, warte ich darauf, dass eine Wache in die Falle tappt. Dumm nur dass auch Spock wie angewurzelt neben der Mine stehen bleibt: Nach der Explosion muss ich ihn erst einmal

Zwischendurch kämpft man auch auf der Brücke der Enterprise.
Zwischendurch kämpft man auch auf der Brücke der Enterprise.
wiederbeleben. Dauert das zu lange, geht es zurück zum letzten Checkpoint.

Willkommene Abwechslung

Das Abenteuer führt mich über die Raumstation des mies gelaunten Commodore Daniels, auf fremde Planeten und in die Schwerelosigkeit des Alls. Zwischendurch bediene ich auch mal die Geschütze der NCC-1701 oder schwebe mit Spocks Hilfe durch die Erinnerungen eines Gorn. Trotz allem Ärger gibt es durchaus schöne Momente – und zwar meist dann, wenn die misslungene Steuerung und die debile KI nicht dazwischen funken. Der Weltraumspaziergang auf einem riesigen Relais z.B. ist stimmungsvoll inszeniert, vor allem dank des mal bedächtigen, mal dramatisch pompösen Orchestersoundtracks. Mit Hilfe der kleinen Beam-Kanone „ETT“ teleportiere ich das Spitzohr durch kleine Lücken in verschütteten Zugängen. In die ruhigen Momente des Spiels wurden ein paar durchaus unterhaltsame Puzzles eingebaut. Meist beschränken sich die Aufgaben auf Minispiele sowie zu simple Schalterrätsel. Auch die wenigen Schleich-Passagen machen aufgrund der allgegenwärtigen künstlichen Dummheit keinen Spaß.

Gut gefallen hat mir dagegen, dass gewaltarmes Vorgehen belohnt wird – ähnlich wie in SOCOM: US Navy SEALs - Fireteam Bravo 2. Immer wieder treffe ich auf infizierte Opfer,

Die Weltraumspaziergänge gehören zu den wenigen Highlights des Spiels.
Die Weltraumspaziergänge gehören zu den wenigen Highlights des Spiels.
welche mich wie ferngesteuert angreifen, aber gleichzeitig darum bitten, sie zu verschonen. Der Pazifismus wird nicht vorausgesetzt, doch wenn ich alle Gegner in einem Abschnitt mit dem Phaser betäube, wird das mit Erfahrungspunkten belohnt.  Letztere kann ich auch in das Aufmotzen der Betäubungs-Funktion investieren – oder ich rüste ein paar reguläre Waffen und ein paar Fähigkeiten des Tricorders auf. All zu viele Upgrades gibt es zwar nicht, sie verschaffen mir im Kampf aber einen kleinen Vorteil. Auch Granaten und Alienwaffen lassen sich aufheben, darunter eine Art Schrotflinte, Sturm- und Strahlengewehre mit Granatwerfer.

Kaum Versionsunterschiede

Inhaltlich unterscheiden sich die drei Fassungen nicht. Die Konsolen-Versionen sehen nicht gerade hübsch aus, laufen aber immerhin konstant flüssig. Mit ein wenig Tearing muss man allerdings leben. Die PC-Fassung  ist zwar ähnlich hässlich, trotzdem profitiert sie bei Gesichtern und anderen Objekten von deutlich schärferen Texturen. Auch Metall-Spiegelungen und die Beleuchtung wirken etwas feiner.

Fazit

Was ist nur mit Digital Extremes los? Wie kommt dieser eklatante Qualitätsunterschied zwischen The Darkness II und dieser hingeschluderten Auftragsarbeit zustande? Die plausibelste Erklärung ist Zeit- oder Ressourcenmangel. Das stupide Baller-Abenteuer von Kirk und Spock wirkt zu großen Teilen unfertig: Die Technik erinnert an die ersten Xbox-360-Spiele, die Reptilien-Gegner verhalten sich schrecklich dämlich und sogar der computergesteuerte Partner bringt mich durch debiles Umherirren ständig in Schwierigkeiten. Dazu kommen jede Menge Grafikfehler, eine schrecklich hakelige Steuerung und eine Deckungsmechanik, die man am besten ignoriert. Schade um die guten Ansätze, vor allem im kreativen Bereich: Die ruhigen Erkundungen und Weltraumspaziergänge haben mir sogar richtig Spaß gemacht. Auch die ständigen Seitenhiebe der englischen Original-Sprecher verbreiten gute Laune. Doch all das nützt wenig, wenn das Spiel-Design in den wichtigsten Punkten versagt.

Pro

Handlung fängt Star-Trek-Atmosphäre gut ein
lustige Dialoge zwischen Kirk und Spock mit englischen Originalsprechern
stimmungsvoll ruhige Raum-Spaziergänge und Entdeckungs-Touren
gewaltarmes Vorgehen wird belohnt
passend pompöser Soundtrack
flüssiger Online-Koop für zwei Spieler (360, PS3)

Kontra

Feuergefechte sind meist simpel gestrickt
dämliche KI bei Freund und Feind
schlecht funktionierende Schleich-Passagen
meist einfache Schalterrätsel
unscharfe Texturen und kaum Effekte
starke Clipping-Fehler
hölzerne Steuerung
einfache Animationen
Raumstationen wirken unbelebt und Passanten stehen steif herum
keine deutsche Sprachausgabe (nur Untertitel)
Online-Koop noch nicht spielbar (PC)

Wertung

360

Schwache KI, veraltete Technik, öde Schießereien: Auch die authentisch eingefangene Star-Trek-Atmosphäre kann den misslungenen Shooter nicht retten.

PlayStation3

Schwache KI, veraltete Technik, öde Schießereien: Auch die authentisch eingefangene Star-Trek-Atmosphäre kann den misslungenen Shooter nicht retten.

PC

Die PC-Version profitiert von schärferen Texturen und Oberflächen, im Gegenzug funktioniert der Online-Koop noch nicht.

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