Fuse30.05.2013, Mathias Oertel
Fuse

Im Test:

Helikopter explodieren, Menschen werden auf einer molekularen Ebene in Stücke zerrissen - und mittendrin steckt ein Quartett unerschrockener Söldner, die mit experimentellen Waffen großen Anteil an der Zerstörung haben: Herzlich willkommen bei Fuse (ab 9,98€ bei kaufen), dem neuen Spiel der Resistance-Macher. Und Insomniac präsentiert sich erstmals nicht nur auf einer Sony-Konsole, sondern auch auf der Xbox 360.

Explosive Elemente

Fuse ist ein extraterrestrisches Element, das in den vierziger Jahren entdeckt wurde. Wissenschaftler haben allerdings auf Grund seiner unberechenbaren Struktur Jahrzehnte benötigt, um es überhaupt erforschen und einigermaßen stabilisieren zu können. Und dieses Element hat es in sich: Es kann auf subatomarer Ebene Verschmelzungen und Zerstörungen stattfinden lassen. Waffen, die mit Fuse-Modifikatoren ausgestattet wurden, können die Opfer z.B. in schwarze Löcher verwandeln oder die Körperstrukturen so verändern, dass die DNA von leicht zerschmetterbaren Kristallen umgeben wird. Und als Bestandteil eines konventionellen Raketensprengkopfes lässt Fuse Atombomben wie einen Silvester-Kracher aussehen. Natürlich gerät dieser Stoff in die falschen Hände.

Um der Bedrohung ein Ende zu setzen, wird die Söldner-Gruppe Overstrike auf den Plan gerufen. Ein Quartett nicht auf den Mund gefallener, ständig diskutierender oder Kommentare abgebender Waffennarren wird beauftragt, den Weltfrieden zu sichern. Und natürlich schnappen sie sich auch bei erstbester Gelegenheit die besonderen Fuse-Waffen, um es den Terroristen mit gleicher Münze heimzuzahlen.

Army of Four

Man kann mit Ausnahme von Zwischensequenzen jederzeit zwischen den Helden wechseln, um von ihren besonderen Fähigkeiten Gebrauch zu machen, die erst im Team wirklich zur Geltung kommen. Dalton Brooks z.B. verwendet einen Fuse-Schild, der zusätzlich noch eine Schadenswelle auslösen kann, der Gegner verflüssigen und dadurch angreifbarer machen kann. Jacob Kimble hingegen setzt auf einen Bogenwerfer, eine Armbrust, die Bolzen aus einer Quecksilber-Fuse-Legierung verschießt und die Feinde in lebende Magma-Statuen verwandelt. Später kann er die Bolzen sogar auf Befehl detonieren lassen.

Die Waffen führen zu mitunter interessanten Ergebnissen...
Die Waffen führen zu mitunter interessanten Ergebnissen...
Isabelle Sinclair wiederum hat sich ein Gewehr geschnappt, das die Gegner in Kristalle hüllt, sie damit bewegungsunfähig und zu leichten Zielen macht. Als Sekundärfunktion kann sie Heilsonden verschießen, in deren Umkreis die Agenten ihre Lebensenergie aufladen können. Naya Deveraux schließlich ist mit einem Warpgewehr unterwegs, das Fuse nutzt, um Antimaterie-Felder bis hin zu temporär sowie lokal stark eingeschränkten schwarzen Löchern aufzubauen, die Gegner in einer kleinen Nova verschwinden lassen – und sie kann sich in weiterem Verlauf tarnen und die Feinde in einen Hinterhalt locken.

Der Clou: Diese Fähigkeiten und Eigenschaften können kombiniert werden. So können sich z.B. alle hinter Daltons Schild versammeln (wenn man nicht die einfach zu bedienende Knopfdruck-Deckung nutzen möchte) und dann schießen was das Zeug hält. Idealerweise natürlich auf die Gegner, die von Isabelle mit Kristallen zugedeckt und von Jacobs Bogenwerfer mürbe gemacht wurden, bevor Naya ihnen den Rest gibt und dadurch eine gleichermaßen effektvolle wie effektive Nova-Kettenreaktion auslöst, die nicht nur das Erfahrungspunkte-Konto explodieren lässt. Falls irgendwann die Fuse-Energie ausgehen sollte oder wenn man feststellt, dass konventionelle Waffen effektiver sind, hat man zusätzlich Zugriff auf Granaten sowie zwei weitere Bleispritzen, die man weitgehend frei wählen kann. Scharfschützengewehr und Schnellfeuerpistolen? Schrotflinte plus effektiver Revolver? Alles kein Problem.

Insomniac auf Sparflamme

Das Team von Insomniac, das sich mit Fuse erstmals vom bislang heimischen Sony-Terrain wegbewegt und im Auftrage EAs auch für die 360 entwickelt, hat mit den Ratchet & Clank- bzw. Resistance-Serien über Jahre Erfahrung mit ungewöhnlichen Waffensystemen gesammelt. Doch vieles in Fuse deutet darauf hin, dass die Ballerei für die Mannen um Ted Price kaum mehr als eine Auftragsarbeit war.

Die Bosskämpfe sorgen für hektische Spannung.
Die Bosskämpfe sorgen für hektische Spannung.
Ja: Man liefert hier mit stetig fordernden, aber gut austarierten Gegnerwellen, passablen Bosskämpfen, gelegentlicher Munitionsknappheit sowie ständigem Zwang zu Positions- und Deckungswechseln handwerklich saubere Deckungs-Action mit typischer Hollywood-Buddy-Story ab. Doch nimmt man das als Maßstab, was die Kalifornier in ihren PS3-Serien bislang ausgezeichnet hat, ist Fuse eine kleine Enttäuschung - was vor allem den Waffensystemen zugeschrieben werden muss, die nur anfänglich interessant, frisch und "anders" sind. Obwohl man die Figuren beim Aufstieg in eine neue Stufe aufwerten darf und man so z.B. mehr Schaden anrichtet, die Sekundärfähigkeiten freischaltet oder aus normalen Granaten Fuse-Geschosse macht, bleibt das Ergebnis für ein Insomniac-Spiel ungewöhnlich gewöhnlich.

Freut man sich bei Ratchet oder Resistance jedes Mal wie ein Schneekönig, wenn die Waffe mit neuen Funktionen, noch größerer Durchschlagskraft und damit auch noch schickeren Effekten versehen wird, passiert hier... weitgehend nichts. Die Grundfunktionen (und damit auch die visuellen Auswirkungen) sind am Anfang des Abenteuers größtenteils identisch zu denen, die man am Ende zu sehen bekommt. Dabei hätte es sich hier auch angeboten, nach und nach neue Funktionen freizuschalten, so z.B., dass sich die Nova-Funktion (oder die Kettenreaktionen) des Warp-Gewehrs erst im Laufe der Zeit entwickeln. Dadurch verkommen die Gefechte von anfänglich interessanten Experimenten schnell zu einer Routineveranstaltung, die nur von Zwischen- und Endbossen mit besonderen Schwächepunkten aufgewertet werden. Denn irgendwann hat man sich auch an den Gegnern sattgesehen, die vor allem im letzten Drittel kaum noch mit Varianten für Abwechslung sorgen können.

Allein. Zu zweit. Zu viert.

Bis zu vier Spieler können gemeinsam antreten - sowohl in der Kampagne als auch im Echelon-Modus.
Bis zu vier Spieler können gemeinsam antreten - sowohl in der Kampagne als auch im Echelon-Modus.
Vor allem solo gelangt man vergleichsweise schnell an den Punkt, an dem das Geschehen  nur noch vor sich hinplätschert - allerdings auf einem ordentlichen Niveau. Schade: Auch die Funktion, auf eine andere Spielfigur zu wechseln, wird solo weder gefördert noch gefordert. Die KI-Gefährten agieren bis auf wenige Ausnahmen gut und sind auch flugs zur Stelle, wenn man niedergeschossen wurde und aufgepäppelt werden muss, so dass ich schließlich nur noch zu ihnen gewechselt bin, um sie bei Levelaufstieg mit neuen Fähigkeiten auszustatten. Die etwa sieben bis acht Stunden, die man für die Kampagne benötigt, sind nicht vergeudet und haben den verregneten Mai verkürzt, aber die Erinnerungs-Halbwertszeit liegt fast unter der des Elements, um das man kämpft. Aber sobald man entweder offline einen zweiten Spieler für Splitscreen-Action oder mit bis zu vier Spielern online auf Terroristenjagd geht, nimmt der Unterhaltungswert zu. Denn so gut die Partner-KI auch reagieren mag, kann sie gezielt abgesprochene Aktionen, wie man sie online erleben kann, nicht replizieren.

Und das ist im Echelon-Modus, einer Art missionsbasierter Horde-Variante, der auch offline bzw. für Solisten zur Verfügung steht, unabdingbar. Spätestens ab der fünften oder sechsten Welle wird man überwältigt, da man der KI nicht einmal rudimentäre Befehle geben kann.

Die Kulisse schwankt zwischen biederen Innenräumen und ansehnlichen Außengebieten.
Die Kulisse schwankt zwischen biederen Innenräumen und ansehnlichen Außengebieten.
Doch selbst mit einem rein menschlichen Quartett wird man trotz interessanter Ansätze maximal einmal die Kampagne in Angriff nehmen und dann vielleicht noch ein paar Mal Echelon starten. Möglicherweise, um mit der dort gewonnenen Erfahrung und der verdienten Kohle für die Figuren die letzten Aufrüstung oder so genannten "Team Perks", passive Aufwertungen, die für alle Charaktere gelten (z.B. erhöhte Erfahrung pro Kill, mehr Gesundheit usw.) zu aktivieren, damit man evtl. noch fehlende Trophäen bzw. Erfolge abgreifen kann.

Mal bieder, mal wunderschön

Dass Fuse aus dem gleichen Hause stammt wie die Ratchet & Clank- oder Resistance-Serien, sieht man der Action nicht immer an. Denn wo dort stimmungsvolle Welten und sorgsam eingepasstes Figurendesign dafür sorgen, dass man sich gerne dort aufhält, passiert hier... viel zu wenig. Vor allem in der Anfangsphase lässt man durch das zwar saubere, aber auch austauschbare Leveldesign mit seinen Laborräumen, dunklen Metallwänden usw. viele Atmosphärepunkte liegen. Das Aussehen der Figuren versucht, Realismus mit einem Hauch von comichafter Überzeichnung zu verbinden und schafft es so tatsächlich bei mir, Erinnerungen an Free Radicals TimeSplitters zu wecken. Doch unter dem Strich bleibt ein biederer Gesamteindruck, in den sich die allenfalls durchschnittlichen Explosionen nahtlos einreihen.

Man kann auch versuchen, den Gegnern schleichend den Garaus zu machen.
Man kann auch versuchen, den Gegnern schleichend oder getarnt den Garaus zu machen.
Einzig die Partikel- und sonstigen Effekte, die mit dem instabilen Fuse-Element zu tun haben, sind zeitgemäß.

Doch dann, etwa nach der Hälfte der Kampagne, sobald man in Außenareale kommt, zeigt Insomniac auch seine visuelle Expertise: Weitläufige Landschaften, dichtbewachsene Wälder, Schneegestöber - mitunter fühle ich mich, als ob mir gleich Nathan Drake oder eine um ihr Überleben kämpfende Lara Croft entgegen kommen könnten. Leider geht es gegen Ende wieder deutlich eingeengter und nicht mehr so eindrucksvoll weiter. Doch diese visuellen Höhepunkte schaffen es tatsächlich, mich wieder versöhnlich zu stimmen und sogar über den einen oder anderen Clipping-Fehler hinweg zu sehen. Zumal die Anzahl der Details auch im Splitscreen-Betrieb nicht nennenswert eingeschränkt wird.

Fazit

Fuse ist von Insomniac? Wirklich? Okay: Die experimentellen Waffen sind tatsächlich beinahe abgefahren genug, um in einem Atemzug mit Ratchet & Clank oder Resistance genannt werden zu können. Und im mittleren Drittel kommt auch die ausgewiesene Grafikexpertise endlich zur Geltung, wenn man von den ansehnlichen Außengebieten an Uncharted oder Tomb Raider erinnert wird. Doch abseits dessen wirkt die Koop-Action, deren Spaßfaktor parallel zur Mitspielerzahl steigt und mit einem eingespielten Team fast in gute Bereiche abdriftet, austauschbar und zu oft zu gewöhnlich. Handwerklich solide und ausgestattet mit einer brauchbaren Partner-KI, die allerdings zu Lasten der tumben Gegner-Intelligenz geht, plätschert die Action vor sich hin und punktet lediglich mit dem einen oder anderen Bosskampf. Nach etwa acht Stunden Kampagne und ein paar Ausflügen in den Echelon-Modus hat man zwar nicht das Gefühl, seine Zeit vergeudet zu haben. Doch auch wenn das Quartett den Army of Two-Söldnern derzeit seinen Rang abläuft, bleibt der Eindruck einer soliden Auftragsarbeit, die das letzte Herzblut von Insomniac vermissen lässt.

Pro

handwerklich routiniert inszenierte Koop-Action...
Design erinnert an TimeSplitters-Serie
mitunter abgefahrene Alien-Waffen
nette Stealth-Elemente...
passable Boss-Kämpfe
jederzeit Wechsel zwischen den Spielfiguren möglich...
mit vier Spielern unterhaltsames Baller-Fastfood...
wuchtige Akustik
passabel reagierende Partner-KI lässt einen nicht im Stich
Figurenaufstieg und rudimentäres Fähigkeitensystem
ordentliche Lokalisierung

Kontra

... ohne nennenswerte Überraschungen
schwache Story
Echelon-Herausforderungen solo mit KI nahezu unschaffbar
... die jedoch an der generell schwachen Gegner-KI scheitern
zu wenig Gegner-Variation
... aber es gibt eigentlich keinen Grund dafür
... solo bleibt die Motivation überschaubar
Grundträgheit bei der Bewegung der Figuren
größtenteils biedere Kulisse mit nur wenig Höhepunkten

Wertung

360

Solide Koop-Ballerei, die es nicht einmal mit den experimentellen Waffensystemen schafft, sich aus dem Action-Durchschnitt abzusetzen.

PlayStation3

Insomniac liefert handwerklich solide Action ab, doch die Klasse von Titeln wie Ratchet & Clank oder Resistance wird trotz interessanter Waffensysteme nie erreicht.

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