Im Test: Mit neuer Dynamik zum Super Bowl
Unverhofft kommt… bei Madden nicht so oft
Ich gebe es offen zu: Als EA auf der gamescom während der Präsentation zu FIFA 16 einen ominösen Modus namens "Ultimate Draft" aus dem Hut zauberte, war ich skeptisch. Alles wirkte wie ein abgespecktes und stark zufallsabhängiges Ultimate Team. Und auch wenn ich mich sowohl bei FIFA als auch bei Madden in den letzten Jahren viel mit dem "Sammelkarten"-Modus und dem dortigen Motivationsstrudel beschäftigt habe, hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt, dass "Draft Champions", wie es hier heißt, für Spaß sorgen könnte.
Planbare Zufälligkeit
Da die Saisons hier nur kurz sind und man sich nur wenige bis gar keine Niederlagen leisten darf, kommt der leicht glücksabhängigen Spielerwahl (in meinem ersten Anlauf hatte ich tatsächlich Fortuna auf meiner Seite und durfte mir Tom Brady als Quarterback angeln) eine enorme taktische Bedeutung zu. Im Gegensatz zu Franchise oder Ultimate Team hat man nicht die Zeit, um Fehler durch cleveres Taktieren auszubügeln. Ebenfalls schön: Man muss nicht alle Spiele erfolgreich beenden, um Belohnungen (z.B. Packs für den Ultimate-Team-Modus) zu bekommen. Auch wenn man die Saison nach zwei Siegen mit einer Niederlage beendet, springt eine Belohnung raus. Zudem sind hier die einzelnen Viertel auf drei Minuten Spielzeit festgelegt, so dass American Football als flotter sowie durchweg unterhaltsamer Zeitvertreib inszeniert wird.
Alles unter Kontrolle
Da man sowohl in der Offensive beim Passspiel und dem Annehmen des Balles als auch in der Verteidigung weniger auf Automatismen setzt, sondern dem Spieler noch mehr Kontrollmöglichkeiten in die Hand legt, ist man so aktiv wie noch nie dabei. Der Quarterback hat jetzt fünf Optionen, seine Pässe zu spielen, wobei sogar Modifikationen wie extrem flache oder hohe Anspiele möglich sind. Diese Möglichkeiten gewinnen jedoch erst mit den frischen Fähigkeiten der Receiver an Reiz. So lange der Ball in der Luft ist, kann der Spieler per Tastendruck festlegen, ob das Fangen auf Sicherheit, Risiko oder das schnelle Weiterlaufen konzentriert wird. Dabei ist immer wieder Timing gefragt. Denn wer einen flachen Pass z.B. mit RAC (run-after-catch) annimmt und in der falschen Position ist, riskiert im schlimmsten Fall ein "Fumble" beim sicheren Tackle, muss aber im Bestfall zumindest mit dem Laufen in die falsche Richtung fertig werden, bis sich der Receiver wieder gefangen hat. Auf der anderen Seite können die Risiko-Annahmen allerdings zu enormen Glücksgefühlen führen, wenn ein Hail-Mary-Pass in der Endzone mit einem waghalsigen Sprung einhändig gefangen wird und man durch diesen Touchdown in letzter Sekunde das Spiel gewinnt. Dass zusätzlich die Schiedsrichter den Videobeweis suchen und dadurch das Nervenspiel noch spannender machen, sorgt für weitere Atmosphäre.
Merkwürdige Verrenkungen
Auch das Laufspiel wurde angepasst und mit einigen kleinen Ergänzungen versehen, die zusammen mit den bekannten Funktionen wie Spielanpassungen in letzter Sekunde sowohl für taktische Vielfalt als auch spannende Dynamik auf dem Spielfeld sorgen. Unter dem Strich bleibt zwar das Gefühl zurück, dass die Offensive in diesem Jahr wieder einmal mehr Verbesserungen abbekommen hat als die Defensivabteilungen. Doch dies wird durch eine in vielen Punkten optimierte KI, die besser auf Laufwegänderungen etc. reagiert, einigermaßen wettgemacht. Mitunter kann es zwar vorkommen, dass ein bestimmtes Laufspiel drei oder viermal hintereinander erfolgreich beendet werden kann, bevor die KI sich darauf einstellt. Doch Madden NFL 16 fühlt sich trotzdem auch in dieser Hinsicht deutlich reifer an als die Versionen der letzten Jahre.
Spielzug-Chaos?
Bei der Auswahl der Spielzüge hat man wie immer mehrere Basis-Einstellungen zur Auswahl, die vom Durchforsten der übersichtlichen Menüs bis hin zu Vorschlägen reichen, die basierend auf vorherigen Matches, den Playbooks der Gegner oder Empfehlungen der Community reichen. Und wem die Spielzug-Bücher der jeweiligen Teams bzw. Coaches nicht reichen, kann sich sowohl defensiv als auch offensiv individuelle Bücher zusammenstellen und dort sogar die Beliebtheit bestimmter Züge festlegen. Leider gibt es aber immer noch nicht die Möglichkeit, komplett eigene Taktiken auszutüfteln - eine Tafel, auf der man Positionen und Laufwege bestimmen und abspeichern kann, fehlt nach wie vor.
Alte Systeme nur altes Eisen?
Fazit
EAs Tiburon-Studio hat etwas Anlaufzeit gebraucht, um auf PS4 und One in die Gänge zu kommen, doch mit dem dritten Versuch starten die American Footballer durch. Auf den ersten Blick sind die Veränderungen so klein wie in den letzten Jahren, doch die Auswirkungen sind umso spürbarer. Man hat deutlich mehr Möglichkeiten in Offensive und Defensive zur Verfügung, so dass es zu taktisch fordernden, spannenden sowie dynamischen Duellen im Kampf um Yards und First Downs kommt. Die Verbesserungen an der Connected Franchise und dem Ultimate-Team-Modus sind ebenso sinnvoll wie die mechanischen Erweiterungen, verblassen aber neben dem ebenso kurzweiligen wie langfristig motivierenden Draft Champions, der in einer ähnlichen Form auch in FIFA 16 auftauchen wird. Verbesserte KI und Physik, die aber trotz Optimierung gelegentlich Aussetzer zeigen, runden ein gelungenes Spielerlebnis ab. Wer bislang mit Madden auf den aktuellen Systemen gezögert hat, hat alles richtig gemacht und bekommt dieses Jahr die bislang ausgereifteste virtuelle Variante des amerikanischen Publikumsmagneten. Die Versionen für PS3 und 360 werden ebenso stiefmütterlich behandelt wie letztes Jahr und bekommen lange nicht alle Verbesserungen ihrer großen Geschwister spendiert. Aber sie können sich dank Draft Champions von den letztjährigen Versionen absetzen.
Pro
Kontra
Wertung
360
Die alten Systeme profitieren von einigen Verbesserungen sowie dem Draft-Champions-Modus, stagnieren aber in vielerlei Hinsicht.
PlayStation4
Sinnvolle Verbesserungen in nahezu allen Bereichen und vor allem der Modus Draft Champion machen aus Madden NFL 16 einen Meisterschafts-Anwärter.
XboxOne
Sinnvolle Verbesserungen in nahezu allen Bereichen und vor allem der Modus Draft Champion machen aus Madden NFL 16 einen Meisterschafts-Anwärter.
PlayStation3
Die alten Systeme profitieren von einigen Verbesserungen sowie dem Draft-Champions-Modus, stagnieren aber in vielerlei Hinsicht.
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