Magna Carta 229.10.2009, Jens Bischoff
Magna Carta 2

Im Test:

Erinnert sich noch jemand an Magna Carta auf der PS2? Trotz weltweiter Veröffentlichung war dem koreanischen Rollenspiel nur mäßiger Erfolg beschieden. Softmax hat sich dennoch nicht unterkriegen lassen und einen Nachfolger auf die Beine gestellt, der mittlerweile auch seinen Weg nach Europa gefunden hat. Ein Grund zum Jubeln?

Unfreiwillige Vergangenheitsbewältigung

Magna Carta 2 (ab 50,52€ bei kaufen) beginnt ganz gemütlich auf einem idyllischen Eiland, wo Protagonist Juto sorglos in den Tag hinein lebt und ein paar Aufgaben für die Dorfbewohner erledigt.

Das Video präsentiert das gelungene Echtzeit-Kampfsystem und erklärt einige Feinheiten.Seinen richtigen Namen und wie er überhaupt hierher kam, weiß er nicht, da ihn eine Amnesie sämtlicher Erinnerungen beraubt hat. Die Insulaner sehen ihn aber inzwischen als einen von ihnen an und kümmern sich nicht weiter um seine verlorene Vergangenheit oder den um sie herum tobenden Bürgerkrieg.

Doch eines Tages erfasst der Krieg auch die kleine Insel und Juto muss mit ansehen wie Melissa, die für ihn wie eine Schwester war, der eindringenden Nordarmee zum Opfer fällt. Zusammen mit der entthronten Prinzessin Rezephillda, die auf der Insel Nachforschungen für die von Adeligen geführte Südarmee angestellt hatte, bleibt nur noch die Flucht. Von Rachegedanken geplagt schließt sich Juto der Einheit der Prinzessin an, um eines Tages Vergeltung an Melissas Peiniger üben zu können. Doch bis dahin ist es ein weiter, steiniger Weg und seine ungewisse Vergangenheit eine Last, die immer schwerer und bedrohlicher wird.

Die erzählerischen Zutaten von Magna Carta 2 sind sicher nicht die originellsten, die Inszenierung der Geschichte hätte deutlich packender gestaltet, die Figuren wesentlich markanter serviert werden können. Trotzdem wird eine gewisse Spannung erzeugt. Warum versucht Juto in seinen Träumen die Prinzessin zu ermorden? Was ist der Grund für sein inneres Widerstreben eine Waffe in die Hand zu nehmen? Und warum verliert er in bestimmten Situationen nahezu jegliche Kontrolle über sich? Diese Fragen setzen in der sonst eher belanglos vor sich hin plätschernden Handlung um Rache, Macht und Verrat angenehme Akzente und Überraschungen.

Eine Frage der Kondition

Gefallen hat mir auch das wie eine Mischung aus Final Fantasy XII und Star Ocean anmutende Kampfsystem: Es gibt keine Zufallsbegegnungen, alle Widersacher ziehen sichtbar durch die Spielwelt. Es gibt keine künstlichen Arenen, gekämpft wird direkt an Ort und Stelle.

Die Auseinandersetzungen laufen direkt an Ort und Stelle in Echtzeit ab - künstliche Arenenbegrenzungen gibt es nur bei Bosskämpfen. Ansonsten kann man Gegner jederzeit umgehen oder notfalls die Flucht ergreifen.
Man kann Gegner umgehen, weglocken, zusammenrotten, von hinten überraschen und im Ernstfall das Weite suchen. Die Auseinandersetzungen laufen in Echtzeit ab, wobei man immer nur den aktuellen Anführer direkt kontrolliert, während die restlichen Teammitglieder eigenständig agieren. Ein Anführerwechsel ist aber jederzeit möglich und auch sinnvoll, um Angriffsketten zu initiieren, die verbrauchte Ausdauer wiederbringen können.

Bei Magna Carta 2 zehrt jede Aktion an der Kondition des Ausführenden, was den Kämpfen eine taktische Note verleiht, da ausgepowerte Mitstreiter vorübergehend inaktiv werden. Um dies zu vermeiden, muss man seine Kräfte einteilen oder besagte Kettenangriffe ausführen, welche die Ausdauer der Beteiligten komplett wiederherstellt, wenn alles richtig gemacht wurde. Allerdings ist damit natürlich auch ein gewisses Risiko verbunden, denn schlägt ein entsprechender Kettenangriff fehl, stehen plötzlich zwei Mitstreiter wehr- und regungslos da. Hat man das Timing aber erst mal raus, klappt die Rückgewinnung der Ausdauer meist reibungslos. Lediglich besonders schnelle Gegner oder feindliche Flächenangriffe bringen einen gelegentlich ins Straucheln.        

Von Dummheit umgeben

Das größte Handicap ist aber die durchwachsene KI eurer Kameraden, die sich nur durch drei spärliche Verhaltenstypen beeinflussen lässt, an die sich sowieso niemand zu halten scheint. Zudem ziehen sich eure Mitstreiter teilweise völlig überraschend zurück, bleiben an irgendwelchen Hindernissen hängen oder greifen überhaupt nicht erst ins Geschehen ein. Fairerweise legen eure Gegner teils dasselbe Fehlverhalten an den Tag, was die teils gravierenden KI-Aussetzer aber nicht entschuldigt.

Juto leidet unter Amnesie - seine verloren geglaubte Vergangenheit holt ihn aber schon bald erbarmungslos ein.
Ansonsten gibt sich das Kampfsystem keine nennenswerten Blößen. Das auf klassisches Mana verzichtende und stattdessen auf elementare Umgebungs- und Angriffsenergien setzende Magiesystem versprüht sogar eine ganz eigene, erfrischende Dynamik. Man kann auch jederzeit die Zusammenstellung der Party ändern oder andere Waffen ausrüsten, um sich den Anforderungen bestimmter Gegner anzupassen.

Jeder Charakter hat zwar sein eigenes Waffenarsenal, aber je nach ausgerüsteter Waffengattung ändert sich der Kampfstil des Benutzers. Juto kann beispielsweise zwischen eher defensivem Einhandstil mit Schwert und Schild sowie aggressiven Zweihandklingen wählen, andere entscheiden sich zwischen Nah- und Fernkampfwaffen oder zwischen Heil- und Angriffszaubern. Oftmals kann der richtige Waffeneinsatz eine Schlacht enorm verkürzen. Dicken Panzerungen fügt Argos Hammer nur leichte Beulen zu, greift er aber zur Axt, kann er sie durch einen gezielten Treffer aufbrechen und den Träger leicht verwundbar machen. Weicht ein Gegner ständig aus, kann man ihn hingegen mit entsprechenden Zaubern betäuben oder zum Taumeln bringen. Das Auffinden und Ausnutzen individueller Schwachstellen ist jedenfalls gut implementiert, auch wenn rohe Gewalt und Geduld meist ebenfalls an Ziel führen.

Nur keine Hektik

Stress kommt auf dem Schlachtfeld jedenfalls kaum auf - egal ob beim Auswechseln von Gruppenmitgliedern und Waffen, beim Einsatz von Gegenständen oder dem Auswählen von Spezialangriffen, das Kampfgeschehen wird bei jedem Menüzugriff pausiert.

Zauberer wirken Magie mithilfe aus Umgebung und Attacken gewonnener Elementarteilchen. Bei der Auswahl übers Kampfmenü wird das Kampfgeschehen pausiert. Die Ausführung geschieht hingegen in Echtzeit.
Selbst Anführerwechsel sind via Menü möglich, auch wenn ein alternativer Druck aufs Steuerkreuz deutlich komfortabler ist. Reaktionsschnelle ist dennoch gefragt, denn in bestimmten Situationen lassen sich individuelle Sonderaktionen ausführen, wenn man rechtzeitig die entsprechende Taste drückt. Celestine kann so einen kurzzeitigen Schutzschild aktivieren, Rue zu einem Todesstoß ansetzen oder Zephie die Essenz von Gegner in Form so genannter Kamods extrahieren, die sich später in Waffen einarbeiten lassen.

Es gibt auch ein Crafting-Element, das aber kaum der Rede wert ist, da es gerade mal zwölf Gegenstände umfasst, die, sobald das entsprechende Rezept samt Zutaten vorliegt, beliebig oft angefertigt werden können. Das an Final Fantasy VII erinnernde Einschmieden verschiedenfarbiger Kamods in Waffen bietet hingegen deutlich mehr Möglichkeiten und motiviert ungemein. Je nach Farbe des Steckplatzes lassen sich unterschiedliche Verbesserungen einfügen und jederzeit wieder entfernen. Es ist Platz für Statusverbesserungen, diverse Immunitäten und allerlei Spezialeinbauten. Manche Einbauplätze sind farblich strikt vorgegeben, andere sind frei verwendbar und wieder andere bieten durch Mischfarben eine gewisse Flexibilität.         

Freiheit und Restriktion

Neben den Waffen an sich kann man auch dem Erlernen von waffenbasierten Fertigkeiten seinen Stempel aufdrücken. Die Möglichkeiten sind hier zwar nicht ganz so vielschichtig, aber wie man die jeweiligen Skilltrees entblättern und auf welche Kampfstile man sich primär konzentrieren möchte, bleibt einem komplett freigestellt.

Jeder Charakter beherrscht zwei verschiedene Kampfstile, die an entsprechende Waffen gekoppelt sind.
Strikt vorgegeben ist hingegen das Nutzen team- und waffenabhängiger Koop-Attacken, die man nicht wie in einem charakterlastigen Rollenspiel wie Suikoden durch Experimentieren herausfinden muss, sondern an entsprechenden Stellen im Spiel vorgesagt bekommt und auch erst dann einsetzen kann.

Ähnliche künstliche Barrieren gibt es auch beim Erkunden der leider recht überschaubaren Spielwelt. Trotz zahlreicher Nebenquests, ist das Besuchen der einzelnen Schauplätze meist stark sanktioniert. Immer wieder rennt man in imaginäre Wände mit Botschaften wie "Hier kann ich jetzt nicht hin!", "Wir sollten umkehren!" oder "Dafür haben wir jetzt keine Zeit!". Später weichen die Restriktionen zwar spürbar auf und man kann sich sogar direkt zu einer Reihe von Speicherpunkten teleportieren lassen, aber viele der künstlichen Grenzen sind einfach nicht nachvollziehbar. Neben künstlichen Grenzen gibt es auch einige künstliche Streckungen, die einen immer wieder dieselben Orte bereisen und Gegner bezwingen lassen. Es kommt sogar vor, dass man sich durch einen längeren Abschnitt kämpft am Ende aufgrund der Story wieder nach Hause geschickt wird und dann den ganzen Weg nochmals bewältigen muss. So etwas muss nun wirklich nicht sein, vor allem da Magna Carta 2 auch ohne lästige Wiederholungen genug Umfang geboten hätte.

Von praktisch bis unnütz

Immerhin weiß man dank praktischer Kartenfunktion jederzeit wo man als nächstes hin muss und wo sich der nächste Speicherpunkt befindet. Letztere sind leider nicht immer optimal platziert. Dass man manchmal nicht vor, sondern erst nach einem Bosskampf den Spielstand sichern kann, ist jedenfalls nicht besonders hilfreich, auch wenn der allgemeine Schwierigkeitsgrad eher harmlos ist. Wer trotzdem Probleme hat, geht halt eine Weile aufleveln oder lädt sich für fünf Euro ein bereits erhältliches Bonuspack herunter, das neben ein paar Filmchen auch zusätzliche Waffen beinhaltet, mit denen man sich weitestgehend mühelos durchmetzeln kann, auch wenn das dem Spiel gerade zu Beginn jeden Reiz nimmt.

Hin und wieder gilt es auch diverse Minispiele zu bestreiten. Die meisten davon sind aber recht dürftig und belanglos. Durch kurze Geschicklichkeitseinlagen Pflanzen zu pflücken oder Minen zu entschärfen lasse ich mir ja noch gefallen, kleine Rätseleinlagen wie das farbliche Zuordnen von Weihrauchfläschchen zur Geisterbeschwörung waren sogar ganz nett, 

Die meisten Gegner sind eher harmloser Natur, lediglich die mitunter taktisch angehauchten Bosskämpfe sorgen für etwas Spannung - vor allem, wenn man zuvor nicht speichern durfte oder mit Statusbeeinträchtigungen zu kämpfen hat.
aber spätestens beim grenzdebile Verarzten verwundeter Soldaten auf Knopfdruck, die in Reih und Glied in sich zusammensacken, habe ich mich gefragt, wer sich diesen Humbug ausgedacht hat...

Wenig reizvoll präsentiert sich leider auch die grafische Umsetzung via Unreal-Engine. Die Texturen wirken blass und verwaschen, ständig werden irgendwelche Umgebungsobjekte nachgezeichnet, die Bildrate bekommt immer wieder Schluckauf und die meisten Effekte sind einfach nur arm. Die Darstellung von Laubbäumen und -büschen erinnert sogar an frühe 3D-Spiele als diese noch aus mitdrehenden 2D-Tapeten bestanden - peinlich... Leider werden auch die Story-Sequenzen größtenteils sehr altbacken serviert. Verschwommene Standbilder vor denen portraitierte Figurenbildchen Kasperltheater spielen, wirken jedenfalls nicht unbedingt zeitgemäß. Die Soundkulisse geht größtenteils in Ordnung setzt aber nur wenige Akzente. Auch die englische Sprachausgabe hinterlässt kaum bleibende Eindrücke. Lediglich Jutos Monologe sorgen hin und wieder für kleine Atmosphäreschübe.     

Fazit

Ein tobender Bürgerkrieg, eine entthronte Prinzessin, eine illustre Widerstandsgruppe, ein Held mit Gedächtnisschwund - die koreanischen Entwickler lassen wahrlich kein Klischee aus. Trotzdem erzählt Magna Carta 2 eine interessante, wenn auch sehr pathetische und erst spät in die Gänge kommende Geschichte. Die Inszenierung könnte zwar packender, die Figuren kantiger sein, aber insgesamt wird man ordentlich unterhalten. Die an Ort und Stelle in Echtzeit ablaufenden Kämpfe haben ein paar interessante Facetten, Waffen können individuell aufgerüstet werden und dank praktischer Kartenfunktion weiß man immer, wo es lang geht. Die Spielwelt ist aber leider recht überschaubar, eure Teamkameraden sind nicht gerade die Hellsten und die technische Umsetzung wirkt reichlich angestaubt. Auch die eingeflochtenen Minispiele unterhalten mehr schlecht als recht, das Crafting-System ist kaum der Rede wert und die Verteilung der Speicherpunkte alles andere als optimal. Dafür punktet Magna Carta 2 mit zahlreichen Nebenquests, spannenden Bosskämpfen und individuellen Aktionsmöglichkeiten. Auch der Umfang kann sich sehen lassen. Mit Genreschwergewichten wie Lost Odyssey oder Tales of Vesperia kann man zwar nicht mithalten, aber ausgehungerte Liebhaber fernöstlicher Rollenspiele werden ansprechend verköstigt.

Pro

sichtbare Gegner
zahlreiche Nebenquests
waffenabhängige Kampfstile
individuell aufrüstbare Waffen
interessantes Echtzeit-Kampfsystem

Kontra

bescheidene KI
schwache Grafik
mäßige Präsentation
überschaubare Spielwelt

Wertung

360

Solide Rollenspielkost mit interessantem Kampfsystem, das leider unter nervigen KI-Aussetzern und Wiederholungen leidet.

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