Vampire Rain01.07.2007, Mathias Oertel
Vampire Rain

Im Test:

Resident Evil 5 ist noch nicht einmal ein Hoffnungsschimmer am Horizont. Und das Survival Horror-Feld auf der 360 ist nicht beackert - abgesehen von ein paar Titeln, die hierzulande offiziell nicht im Handel erschienen sind. Insofern sollte es ein düsteres Abenteuer wie Vampire Rain (ab 19,95€ bei kaufen) leicht haben: Immerhin stehen Reißzähne, Dunkelheit und Schleichen im Vordergrund!

Dracula Cell

Artoon zeichnet eine düstere Zukunft: Vampire, die so genannten Nightwalker, haben es sich auf der Erde gemütlich gemacht. Wenn sich die Spitzzähne weiter in dieser Geschwindigkeit ausbreiten, werden sie in wenigen Monaten die Anzahl der überlebenden Bevölkerung überschreiten. Die vampirische Apokalypse steht bevor. Nur eine eigens gegründete

"Wenn ich groß bin, gehe ich zu Third Echelon." Leider schafft es Vampire Rain weder technisch noch inhaltlich, Sam Fisher auch nur ansatzweise das Wasser zu reichen...
Spezialeinheit der amerikanischen Regierung tritt den Blutsaugern entgegen - quasi das Third Echelon der Vampirbekämpfung. Und ihr als Sam "Van Helsing" Fisher-Verschnitt seid der Hauptjäger.

Jäger oder Gejagter?

Das Konzept, Stealth-Action à la Splinter Cell mit Survival Horror oder zumindest spannenden Auseinandersetzungen mit Vampiren zu kombinieren, geht auf dem Papier vollkommen auf und macht neugierig. Doch schon in den ersten als Tutorials verkleideten Abschnitten weicht die Neugier dem Entsetzen: Teils gewollt, da auch hier schon früh über sparsame Akustik und wohl platzierte Schockmomente Adrenalinschübe durch den Körper gejagt werden. Doch viel häufiger sind Frustmomente und Konzeptschwächen schuld am Schrecken.

Das Design eurer Figur mit seinem schwarzen Tarnanzug erinnert deutlich an Sam Fisher. Das geht sogar so weit, dass ich manchmal das Gefühl hatte, die Grafikabteilung von Artoon hat klammheimlich bei Ubisoft Montreal um die Genehmigung für die Nutzung einiger Animationsroutinen gebeten - allerdings auf Splinter Cell 1-Niveau. Auch die Steuerung und die Bewegungsmöglichkeiten (Klettern, in Deckung gehen etc.) sind für Sam Fisher-Veteranen keine Unbekannten.

Die Zwischensequenzen entwickeln dank der trashigen Dialoge C-Movie-Charme.
Aber wenn man sich schon so stark am Archetyp westlicher Stealth-Action orientiert und dabei sogar noch mehr Wert auf das Nicht-Entdeckt-Werden legt, wieso schleppt man immer noch längst für tot gehaltene Altlasten mit sich rum? Unsichtbare Levelgrenzen und vor allem ein rigoroses Trial-and-Error-System sind ein Fragment dunkler Spielevergangenheit und haben auf einer Konsole der Neuzeit nichts zu suchen.

Es gibt einen einzigen richtigen Lösungsweg und selbst wenn das Abschnittdesign suggeriert, dass man durch Ausprobieren verschiedener Taktiken ans Ziel kommt, führen alle Wege außer einem zum sicheren Tod. Denn die Nightwalker nehmen, sobald sie euch entdeckt haben, ihre unbarmherzige Jagd auf, die in 99,9% der Fälle im Ableben der Hauptfigur mündet. Wenn man das erste Mal nach einem Versuch, die Viecher voll Blei zu pumpen, sieht, wie der Nightwalker innerhalb von zwei Sekunden von der gegenüberliegenden Straßenseite auf das gut 15 Meter hohe Hausdach springt, von dem ihr geschossen habt, kommt Spannung auf. Auch der aussichtslos scheinende Kampf gegen die nahende Apokalypse wird dadurch gut vermittelt.

Doch diese Spannung lässt leider deutlich nach, wenn man feststellt, dass es nur einen, meist von gutem Timing abhängigen Weg gibt, der euch unbeschadet durch den Abschnitt an euer Ziel bringt.

     

Der Horror-Puzzler

Hat man sich jedoch an diese Mechanik gewöhnt, entfaltet Vampire Rain einen gewissen morbiden Reiz - der nur schwer nachzuvollziehen ist. Aber nachdem ich das Bild eines vampiristischen Splinter Cells aus meinem Hinterkopf verbannt hatte, was angesichts der ständig wiederkehrenden Steuerungsparallelen nicht immer leicht fiel, konnte ich mich auf die Anforderungen konzentrieren, die die Nightwalker-Jagd an mich stellt. 

Ich habe mir Zeit genommen, die Gegner zu beobachten, ihre Wege zu studieren, mich im Schatten gehalten, um dann im richtigen Moment die nächste Deckung zu suchen oder das nächste Dach zu erklimmen.

Eines durchaus interessante Abweichung der aus Staelth-Spielen bekannten Infrarotsicht: Die "Necrovision", mit der ihr die Nightwalker identifizieren könnt!
Und plötzlich kam ich mir vor, als ob ich einen dreidimensionalen Puzzler spiele. Eine Art Menschlich-vs.-Unmenschliches Marble Madness, bei dem meine Figur durch widrige Levelstrukturen ans Ziel gelenkt werden muss.

Hört sich interessant an, doch für ein Action-Spiel ist das letztlich viel zu wenig. Und  Vampire Rain muss sich ja auch nicht mit Hexic & Co. messen, sondern mit bereits veröffentlichten sowie kommenden Schleichern und Untotenjagden. Und in jeder dieser Kategorien spielen die Nightwalker nur eine untergeordnete Rolle. Auch wenn (viel zu spät) Waffen freigeschaltet werden, die es euch ermöglichen, die untoten Gegner äußerst genugtuend ihrer letzten Ruhe zuzuführen. Auch wenn die Bosskämpfe spannend inszeniert werden.

Sparflamme?

Über trashige englische Sprachausgabe und eine Geschichte, die in ihren besten Momenten nicht über B-Film-Niveau hinauskommt, mag man geteilter Meinung sein. Für mich strahlen die Zwischensequenzen einen gewissen Charme aus, der mich positiv an die gute alte Zeit mit Filmen aus den Troma-Studios erinnert hat. Bei der Kulisse hingegen habe ich immer das Gefühl gehabt, dass Artoon nach den eher misslungenen Jump&Run-Versuchen mit dem Kater Blinx die Planung für ein "etwas anderes" Stealth-Abenteuer auf der Xbox begonnen hat. Dann wurde die Xbox eingestampft und das Projekt wanderte auf die 360.

Anders lassen sich die teilweise gravierenden Unterschiede im optischen Bereich nicht erklären. Die Hauptfigur und größtenteils auch die Team-Mitläufer, die euch ab und an begleiten, wurden mit ansehnlichen, wenngleich leicht veraltet scheinenden Texturen versehen. Die meisten NPCs hätten in dieser Form und mit diesen immer wieder merkwürdig anmutenden Animationen auch problemlos auf der Xbox oder der PS2 erscheinen können - und selbst dort keinen Jubel

Wenn ihr die Nightwalker aus dieser Perspektive seht, habt ihr im Normalfall nur noch weniger als zwei Sekunden zu leben... 
ausgelöst. Gleiches gilt für einen Großteil der Umgebungstapeten, die auf Entfernung ansehnlich scheinen, aus nächster Nähe jedoch grob aufpixeln.

Gelungen und als Stilmittel hervorragend eingesetzt ist der Regen, der nicht nur die depressive Stimmung erstklassig vermittelt, sondern auch dafür sorgt, dass an den edlen Kampfanzügen die Tropfen herunter rinnen. Als krasser Gegensatz dazu ist das Wasser in der Tutorial-Kanalisation eher eine Farce. Fällt man dank der zu einer ungenauen Überempfindlichkeit neigenden Kollisionsabfrage hinein, bekommt man eine kleine Welle präsentiert, die nicht etwa wie in Spielen eines Dark Alliance-Kalibers so lange weiterläuft, bis sie am Ufer oder einer Begrenzung endet. Nein: Hier hört sie einfach nach ca. 2,5 bis 3 Metern auf und poppt weg! Da kommt richtig Stimmung auf! Oder auch nicht!

Leblose Mehrspieler-Gefechte

Der Mehrspieler-Modus schafft es auch nicht, die stetig abfallende Motivation wieder nach oben zu hieven. Standardmodi in vampirischen Abweichungen (Capture the Flame), bei denen die in der Kampagne extrem uneffektiven Waffen wieder interessant werden, dürften nicht ausreichen, um langfristig bei der Stange zu halten. Da ist es auch nur ein schwacher Trost, dass die Karten für die Mehrvampir-Spiele wesentlich interessanter designt wurden als die drögen Gebiete, durch die ihr euch in der Kampagne trial-and-errorn müsst. 

Fazit

Hassliebe. Mit diesem Wort lässt sich mein Verhältnis zu Vampire Rain am besten beschreiben. Der Ansatz, Stealth-Action mit Horror zu verbinden, ist löblich, neu und prinzipiell gut umgesetzt. Immer wieder kommt –hauptsächlich durch die spartanische Akustik- Spannung auf. Doch die wird bedingt durch Designmängel immer wieder ungewollt und vor allem viel zu schnell aufgelöst. Eine steile Lernkurve, ein unnachgiebiges Trial-and-Error-Prinzip, das keinerlei Freiheiten zulässt, eine zweifelhafte Kollisionsabfrage: Durch diese und zahlreiche andere Schwächen, die eher an frühe Vertreter der letzten Konsolengeneration erinnern, werde ich immer wieder aus dem Spiel herausgerissen. Da auch die Kulisse einen teilweise schmerzhaften Spagat zwischen alter und neuer Grafikgeneration hinlegt und nie wirklich überzeugt, werde ich auch in dieser Hinsicht nicht das Gefühl los, dass die Blutsauger-Jagd auf einer alten Konsole besser aufgehoben wäre. Vampire Rain scheitert daran, zwei Genres auf aktuellem Niveau zu verschmelzen.

Pro

mitunter stimmig-spartanische Akustik+ düstere, depressive Atmosphäre
gute Steuerung

Kontra

pures Trial-and-Error-System
stark schwankende Qualität der Kulisse
viele kleine Design-Schwächen
übersensible Kollisionsabfrage
unsichtbare Levelgrenzen
Kamera gelegentlich mit Macken
technische Unzulänglichkeiten

Wertung

360

Konzeptionell interessante und in Ansätzen stimmungsvolle, aber letztlich bisslose Vampir-Schleicherei.

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