Ace Combat 6: Fires of Liberation30.11.2007, Paul Kautz
Ace Combat 6: Fires of Liberation

Im Test:

Kennt ihr die Szene aus Roland Emmerichs »Independence Day«, in der einige Dutzend Maschinen gleichzeitig ihre Raketen in Richtung des außerirdischen Trägers abfeuern? War schweinecool, nicht? Genau das passiert in Ace Combat 6, wenn ihr euren Kameraden den Angriffsbefehl gebt. Geil! So und nicht anders hat Arcade-Flugaction auszusehen!

Ich will nicht mit Engeln tanzen, verdammtnochmal!

Der Kalte Krieg war insofern ganz nützlich, dass er Gut und Böse klar und einfach überschaubar trennte; Schwarz/Weiß-Malerei half den Leuten, den Feind problemlos zu identifizieren. Das klappt auch in Ace Combat 6 ganz wunderbar, zumindest anfangs: Da ist die blonde Supermutti, die ihr lachendes Töchterchen in Richtung Schulbus herzt, wo die Kleine heftig winkt und »Go dance with an angel!« zum Abschied ruft. Herzallerliebst. In Gracemeria, im Lande

Die Story ist ebenso fantastisch inszeniert wie inhaltlich erschreckend belanglos.
Emmeria, ist die Harmonie groß, der »Goldene  König« lacht und wacht von seinem Thron aus über sein Volk, alle sind happy und singen Tudujahe. Nun... fast alle: Denn kurz darauf zischen die Angriffsflugzeuge der bösen Estevokianer über Supermuttis Haus - ein fieses Volk, nach einem verheerenden Meteoriteneinschlag von Generälen geleitet, das nichts Besseres zu tun hat, als den vom Meteor verschonten Nachbarn zu überfallen! Oh nein, der Schulbus von Töchterchen wurde getroffen! Und Supermuttis Mann ist auch noch Pilot, der gerade erbitterten Widerstand gegen die Ursupatoren leistet! Nein, sind jetzt etwa alle gleichzeitig tot? Oh Gott, es ist doch alles sinnlos...

Ja, besonders dieser kitschig-pathetische Matsch, der zwischen jeder Mission auf den Spieler niederplätschert, und der jedem GZSZ-Autoren zu peinlich wäre. Ärgerlicherweise sind die Zwischensequenzen derart wundervoll inszeniert, dass ich es dennoch nicht übers Herz bringe, sie sofort wegzuklicken, auch wenn ich mir sicher bin, dass mein IQ mit jeder Wiederholung von »Dance with an angel!«, und davon gibt es verdammt viele, locker um zehn Punkte gefallen ist. Ja, die Entwickler bemühen sich, den Krieg aus der Sicht von Einzelschicksalen beider Seiten zu zeigen, aber sie kriegen keinen Spannungsbogen, keine glaubwürdigen Figuren hin. Aber das haben sie in dieser Serie noch nie, von daher sei ihnen vergeben.

Flieger, grüß mir den Boden

Serienüblich spielt Ace Combat in einem fiktiven Szenario: Emmeria gegen Estevokia, huch wie originell - es braucht nicht viel Phantasie, vor allem nicht angesichts der im Spiel verwendeten Akzente, um Parallelen zur Echtwelt herzustellen. Verwunderlich vor allem die Entscheidung, weil ebenfalls serientypisch die meisten Flugzeuge offiziell lizenziert sind: Von der F-16 über den Tornado, die F/A-18 und A-10 bis hin zur F-22 warten

Die meisten Maschinen sind offiziell lizenziert, das Game an sich spielt dagegen in einem fiktiven Szenario.
einige Maschinen auf euch, die auch über unseren Köpfen gelegentlich ihre Runden drehen. Aber Ace Combat wäre nicht Ace Combat, wenn die Designer sich nicht auch austoben dürften - und so bekommt ihr es über kurz oder lang nicht nur mit dem gemeingefährlichen Jäger CFA-44 Nosferatu, sondern auch mit gigantischen fliegenden Festungen zu tun, die, wie es Festungen nun mal so an sich haben, haarsträubend bewaffnet sind! Anfang steht eine einsame F-16C in eurem Hangar, der sich erst nach und nach füllt - mit dem Geld, das ihr für gemeisterte Missionen bekommt, könnt ihr euch neue Flieger und Waffen kaufen. Alle Maschinen unterscheiden sich hinsichtlich Angriffs-Schwerpunkt (Luft-Luft oder Luft-Boden), Geschwindigkeit oder Manövrierfähigkeit, so dass es nicht schaden kann, eine Mission mal mit einem anderen Flugzeug zu versuchen, falls man mal mit einem gar kein Land sieht. Das dürfte auf dem niedrigsten der drei Schwierigkeitsgrade kaum passieren, in dem selbst ein Bodencrash kaum Schaden anrichtet - man muss sich schon anstrengen, um abgeschossen zu werden. Die zweite Stufe ist genau richtig, hier beginnt ihr mit einigen gemütlichen Einstiegsmissionen, ab dem zweiten Drittel klettert der Anspruch der Missionen von Level zu Level angenehm an.            

Serienkenner wissen es schon lange, sicherheitshalber wird es trotzdem erwähnt: Erwartet keine Simulation! Zwar ist das Gamepad voll belegt, auf Wunsch (und erhöhte Bargeldbestände im Portemonnaie vorausgesetzt) könnt ihr Ace Combat 6 auch mit einem speziellen Flightstick spielen. Ändert aber nichts daran, dass das Flugmodell auf Arcade getrimmt wurde und ihr hunderte Raketen mit euch herumschleppt - während ihr Bomber und Ölplattformen erledigt, rumpelnde Panzerbataillone schreddert, Flugabwehrgeschütze zerstört, erwähnte 

Na, DAS ist doch mal ein Gegner! Eine derartige fliegende Festung schluckt mehr Raketen als die Invasoren in »Independence Day«.
fliegende Festungen in schweißtreibender Kleinarbeit aus der Luft holt oder unbemannte Explosivdrohnen mit einem Raketensegen eindeckt. Das Missionsdesign ist auf der einen Seite dezent konservativ (Fliege da hin, mach alles kaputt, dann geht's weiter), auf der anderen aber clever: In den meisten Aufträgen gibt es zwischen drei und fünf geographisch klar getrennte Aufgabenblöcke, die in beliebiger Reihenfolge angegangen werden können. Steht euch also z.B. der Sinn nach etwas Luftkampf, bevor ihr Kanonenbooten den Nutzen des Meeresboden demonstriert, dann fliegt ihr zu dem entsprechenden Krisenherd und ballert drauflos - dadurch wird die entsprechende Aufgabe aktiviert. Die Missionen sind ziemlich lang, ein kompletter Auftrag dauert schon mal eine knappe Stunde. Oft genug leider auch länger, denn es gibt nur selten Checkpunkte, was gelegentlich die eine oder andere Wiederholung einer raketengefüllten Viertelstunde bedeutet - besonders ärgerlich kurz vor dem Ende einer Mission.

Mein Gott, es ist voller Sterne!

Was haben wir bisher abgehakt, das Serienfreunde erwarten durften? Kitsch-Story, einfaches Flugmodell, massig Maschinen - check. Und was fehlt? Natürlich die geile Grafik: Jeder Ace Combat-Teil sorgte unabhängig von der Plattform für  Stielaugen und ungläubig baumelnde Kinnladen, der sechste dürfte in dieser Disziplin erfolgreicher sein als je zuvor! Und dabei geht es in erster Linie nicht mal um die Qualität der Flugzeuge und der Bodendarstellung, auch wenn beide über jeden Zweifel erhaben sind. Vielmehr schaffen es die Designer, ein vollendetes Schlachtfeld-Gefühl auf den Fernseher zu zaubern, das es so noch nicht gegeben hat: Kondensstreifen und Rauchfahnen der abgeschossenen Raketen verwandeln das große Blau in ein gigantisches Schachbrett, in dem Dutzende Maschinen wie ein Fliegenscharm umherzischen, das von brachialen Explosionen und einer fetten Surroundsound-Hölle erschüttert wird. Und das Beeindruckendste dabei: Selbst wenn der Himmel brennt, das Chaos komplett ist und die

Foto oder Screenshot? Die Grafik von Ace Combat 6 ist einfach umwerfend!
ganze Welt kollabiert, die jederzeit flüssigen 60 fps tun's nicht! Auch wenn man weit entfernt vom Epizentrum ist, wird um jeden Millimeter Luftraum gekämpft, man fühlt sich immer als Teil einer großen Schlacht - und wenn man nicht genug davon bekommen kann, dann ist man für die stilvollen Replays dankbar, die man auch speichern kann.

Natürlich kann man mäkeln, dass der Boden beim Tiefflug zu Matsch verschwimmt oder dass Häuser und Panzer eher grobklotzig daherkommen - aber die bekommt man normalerweise nur aus der Höhe oder lediglich für einen Sekundenbruchteil aus der Nähe zu sehen, so dass das nicht die geringste Rolle spielt. Und natürlich wird's immer wieder mal unübersichtlich: Pfeile weise in alle Richtungen, potenzielle Ziele sind gleich dutzendfach markiert, das HUD zeigt alle möglichen Infos an, pausenloses Geschnatter dringt aus dem Funkgerät - aber anders will man es bei einem derartigen Spiel gar nicht haben, und im Zweifelsfall ist es immer noch übersichtlicher als das in dieser Hinsicht vergleichbare Project Sylpheed. Ace Combat 6 ist eines der wenigen Spiele, dem Screenshots, unabhängig davon, wie hübsch sie auch sind, einfach nicht gerecht werden - deswegen verweisen wir euch treusorgend auf unsere Trailer-Sammlung. In denen seht ihr allerdings nicht, wie erschreckend kurz die Ladezeiten sind.    

Du fliegst nicht allein

Dem Arcade-Credo folgend ist Ace Combat 6 im Wesentlichen ein Fire-and-Forget-Spiel - eine Spezialwaffe nimmt gleich vier Gegner gleichzeitig ins Visier, woraufhin ihr nur noch abdrücken müsst und das Problem bei Standard-Widersachern normalerweise erledigt ist. Kniffliger wird's da schon im Dogfight mit Ass-Gegnern, denen ihr immer wieder die Flügel stutzen

Im Mehrspielermodus dürft ihr auch kooperativ auf Gegnerjagd gehen.
müsst - kein Problem, das MG ist unbegrenzt munitioniert. Und obwohl man Ähnliches auch über eure sonstige Bewaffnung sagen könnte, gehen auch 200 Raketen irgendwann zur Neige. Dann bleibt euch nur, euch kurz vom Kampfgeschehen zu verabschieden und zurück zur Basis zu fliegen: Überquert ihr einen bestimmten Bereich, werdet ihr automatisch zum sicheren Hafen geleitet, auf dem ihr selbständig landen könnt - falls ihr das nicht wollt, könnt ihr das einfache Manöver auch der Automatik überlassen. Einen Knopfdruck später sind alle Schäden repariert, alle Waffenkammern aufgefüllt und ihr vernehmt erneut den Ruf der Action. Euer Wingman auch: Dieser treue Geselle, dem ihr zu Beginn jeder Mission Flugzeug und Bewaffnung auf den Leib schneidern müsst, ist stets an eurer Seite, bietet euch wahlweise Angriffsunterstützung oder Deckung. Habt ihr genug Gegner erledigt, könnt ihr gar über alle befreundeten Einheiten in der Nähe verfügen und dieser Truppe einen Zielbereich zuweisen.

Es sind diese enorm befriedigenden Momente, die einem das Gefühl geben, dass Ace Combat 6 etwas ganz Besonderes ist: Wenn man etwa einen Gegner minutenlang verfolgt, eine Rakete nach der anderen sinnlos an ihm vergeudet und ihn schließlich doch genau auf zwölf Uhr hat. Oder wenn man komplett ohne Waffen und 96% Schaden, mit röhrendem Nachbrenner und vier ballerwütigen Feinden im Nacken dem schmetternden Cruise Missile-Beschuss ausweicht, während man Meter für Meter der rettenden Heimatbasis entgegenschlingert.  Manche Mission ist auch einfach nur doof, wenn ihr etwa durch enge Tunnel fliegen müsst, um im Innern

Nichts für Schussel: Dutzende Anzeigen bevölkern den Fernseher, die Übersicht geht gelegentlich flöten.
derselben Kommunikationsterminals zu zerschießen (Hey, wozu gibt es Helikopter?), aber die sind dankbarerweise in der deutlichen Unterzahl. Und im Zweifelsfall könnt ihr ganz auf die KI pfeifen, und euer Glück im Mehrspielermodus suchen: Ob Jeder gegen Jeden oder Team gegen Team, bis zu 16 Spieler dürfen via Xbox Live die Raketen sprechen lassen. Sehr cool ist auch die »Siege Battle«-Variante, in der zwei Teams regelmäßig die Rollen von Angreifer und Verteidiger mehrere Zielpunkte einnehmen und rundenweise wechseln. Sehr gern gesehen auch der Koop-Modus, in dem bis zu vier Tom Cruise-Kenner ausgewählte Missionen der Kampagne gemeinsam durchstehen.   

Fazit

Schon seit vielen, vielen Jahren wünsche ich mir einen würdigen Nachfolger des in Würde verschimmelnden Origin-Meisterwerks Strike Commander. Und preiset die Japaner, Ace Combat 6 kommt dieser Hoffnung so nahe wie kein anderes Spiel! Okay, das Ganze hat mit Simulation so viel zu tun wie mit Wasserballet, für die schmalztriefende Story gehören die Designer ein paar Mal gekielholt (allerdings nicht zu oft, immerhin ist sie herzzerreißend schön in Szene gesetzt), und wenn man wahnsinnig gerne in Erbsen rechnet, dann kann man dem Spiel auch vorhalten, dass es seit einigen Teilen eigentlich nix Neues macht. Aber was es macht, macht es perfekt: Die Grafik ist eine Augenweide, noch nie sah ich derartige Action an einem virtuellen Himmel! Die geschmeidige Steuerung erlaubt es Anfängern wie Stick-Künstlern, sich wie ein Zähne fletschender Teufelskerl zu fühlen, der Umfang ist ordentlich, das dynamische Missionsdesign eine willkommene Herausforderung. Und der Mehrspielermodus rockt! Also was ist, Himmelhunde - wollt ihr ewig leben? Düst zum Softwaredealer eures Vertrauens und kauft euch diesen rasanten Spaß!

Pro

wunderschön inszenierte Story...
in jeder Hinsicht hinreißende Grafik
geschmeidige Steuerung
ordentlicher Umfang
einfaches Arcade-Spielprinzip mit Simulations-Touch
schönes Fluggefühl
dynamisches Missionsdesign
guter Mehrspielermodus
beeindruckendes Schlachtfeld-Gefühl
genau richtig ansteigender Schwierigkeitsgrad
bombastische Soundkulisse
viel freizuspielen

Kontra

...die aber unglaublich öde und kitschig ist
etwas unübersichtlich
wenige Checkpunkte innerhalb der Missionen

Wertung

360

Grafik zum Niederknien, geschmeidige Steuerung, heiße Luftkampfaction - Ace Combat 6 ist ein Überflieger!

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