Infinite Undiscovery05.09.2008, Jens Bischoff
Infinite Undiscovery

Im Test:

Mit Infinite Undiscovery (ab 38,00€ bei kaufen) geben die Star Ocean - und Valkyrie Profile -Macher von tri-Ace ihr 360-Debüt. Gerade Fans der Star Ocean-Reihe dürften sich trotz des Fantasy-Settings schnell wohl fühlen, finden sich doch viele Elemente der populären SciFi-Saga auch in Infinite Undiscovery wieder. Welche das sind und was der Titel sonst noch zu bieten hat, verrät der Test!

Mond in Ketten

Das Szenario wirkt anfangs erfrischend unverbraucht: Ein mysteriöser Orden hat den Mond mit gigantischen Ketten an die Erde gebunden, um sich seiner magischen Kräfte zu bemächtigen. Allerdings brachten die Verankerungen auch jede Menge Unheil über die Bevölkerung.

Die Ketten, mit denen der Mond gefangen gehalten wird, haben viel Leid über die Welt gebracht.
Gefährliche Monster tauchten auf, Naturkatastrophen begannen zu wüten und das natürliche Gleichgewicht geriet aus den Fugen. Trotzdem dauerte es eine Weile, bis sich aktiver Widerstand bildete. An deren Spitze der große Befreier Sigmund, der es sich zum Ziel gesetzt hat, den Mond von seinen irdischen Ketten zu befreien.

Von alledem bekommt ihr jedoch nicht viel mit, denn ihr seid nicht Sigmund der Heilsbringer, sondern Capell, der Flötenspieler, der in einem finsteren Kerker sitzt und vermutlich dort verrotten würde, wäre da nicht diese unglaubliche Ähnlichkeit mit Siegmund. Dieser verdankt ihr es letztendlich sogar, dass euch eine seiner Gefolgsleute, die euch offensichtlich mit ihm zu verwechseln scheint, zur Flucht verhilft. Für Erklärungsversuche bleibt dabei keine Zeit und so fällt der Schwindel erst im Lager der Rebellen auf, die ganz unterschiedlicher Meinung über euch sind. Siegmund selbst spürt allerdings eine besondere Verbundenheit, die weit über euer äußeres Erscheinungsbild hinaus geht und so zieht ihr fortan gemeinsam durchs Land, um wie üblich die Welt zu retten.

Filmisches Vergnügen

Ab hier wird die Story leider etwas schablonenhaft und vorhersehbar. Doch keine Angst, Spannungen innerhalb der Gruppe, Vergangenheitsbewältigung und viele offene Fragen halten euch gekonnt bei Laune. Zudem stehen schwere Schicksalsschläge und überraschende Wendungen vor euch, die dank aufwändiger Inszenierung bleibende Eindrücke hinterlassen.

Die zahlreichen Sequenzen sorgen für Stimmung, wurden aber leider nicht alle vertont.
Tri-Ace erzählt hier nicht einfach eine weitere Heldengeschichte mit austauschbaren Protagonisten und Ereignissen, obwohl das anfangs durchaus den Anschein hat und die stetig wachsende Rebellentruppe mitunter fast schon unüberschaubare Ausmaße annimmt. Doch die wichtigsten Figuren werden in unzähligen Sequenzen gekonnt im Rampenlicht gehalten, glaubwürdig, lebendig und verletzlich.

Für manchen könnte der Filmanteil aber auch zu hoch sein, denn von den gut zwanzig Stunden Spielzeit, verbringt ihr sicherlich ein Drittel nur mit Zusehen und Zuhören. Manche Einspielungen dauern sogar so lange, dass sich währenddessen der Bildschirmschoner ein- oder euer Controller ausschaltet. Langeweile kam dabei aber nie auf, ganz im Gegenteil: Gerade gegen Ende habe ich mich oft dabei ertappt, nur noch im Laufschritt durch die Gegend zu hetzen, um zu erfahren, was als Nächstes passiert. Allerdings solltet ihr über solide Englischkenntnisse verfügen, da Infinite Undiscovery nicht einmal deutsche Untertitel bietet. Die englischen Synchronsprecher machen allerdings einen ausgezeichneten Job. Doch warum wurden nicht alle Sequenzen vertont? Dieses Manko sorgt nicht nur für unschöne Brüche in der ansonsten makellosen Präsentation, sondern versetzt auch der Atmosphäre immer wieder unnötige Dämpfer. Auch die oft alles andere als synchronen Lippenbewegungen zehren hin und wieder am positiven Gesamteindruck, wenn auch nicht so sehr.       

Licht und Schatten

Kritik muss sich auch die grafische Gestaltung gefallen lassen: Während die Story-Charaktere mit liebevollen Details und Animationen glänzen, scheinen die übrigen Figuren eher einem LastGen-Klon-Tool entsprungen. Auch die Kulissen sorgen mancherorts für Staunen, andernorts für Kopfschütteln. Einige Modelle und Texturen haben nicht einmal PS2-Niveau! Irgendwie hat man immer wieder das Gefühl, dass hier zwei Teams mit unterschiedlichen Entwicklungsumgebungen am Werk waren. Auch das Leveldesign setzt sich aus zwei völlig konträren Ansätzen zusammen: Auf der einen Seite gibt es unglaublich weitläufige Areale, in denen man sich ohne die praktische Automap auch nach deren Erkundung noch verlaufen würde, auf der anderen aber auch völlig monotone 08/15-Labyrinthe im Baukastenformat.

Die Story-Charaktere wirken sehr detailliert, andernorts lässt die Grafik aber zu wünschen übrig.
Manchmal sind letztere wenigstens clever verschachtelt oder mit auflockernden Rätseleinlagen gespickt. Viele sind aber einfach nur unglaublich öde und einfallslos. Gerade die letzen Spielabschnitte wirken komplett unnötig und aufgesetzt, als ob man das Spiel mit möglichst wenig Aufwand krampfhaft in die Länge ziehen wollte.

Dabei wäre das doch gar nicht nötig gewesen. Zwar gibt es abseits der Haupthandlung nur wenig zu entdecken, aber dafür sorgen ähnlich wie bei Eternal Sonata verschiedene Schwierigkeitsgrade mit zusätzlichen Ereignissen für einen gewissen Wiederspielwert. Auch mit dem umfangreichen Crafting-System kann man sich weit über die Hauptaufgaben hinaus beschäftigen. Habt ihr die nötigen Zutaten bzw. Materialien, schmiedet ihr neue Waffen und Rüstungen, braut alchemistische Tränke, kocht verschiedene Leckereien oder schreibt Bücher und Musikstücke. Letztere könnt ihr sogar auf euerer Flöte zum Besten geben. Mit manchen verdient ihr euch ein kleines Zubrot, andere haben bestimmte Auswirklungen auf Verbündete und Gegner und mit einer der ersten Melodien könnt ihr verborgene Passagen, Gegner oder Schatztruhen zum Vorschein bringen.

Erkundung und mehr

Darüber hinaus gibt es mehr oder weniger gelungen eingeflochtene Geschicklichkeitspassagen, die für spielerische Abwechslung sorgen: Mal seid ihr vor einem übermächtigen Gegner auf der Flucht, mal müsst ihr jemanden eskortieren, ein andermal nehmt ihr aktiv an einer Belagerung teil, helft böse Kristalle zu zerstören, weicht den Attacken eines Feuer speienden Drachens aus oder schleicht möglichst unauffällig durch die Dunkelheit. Zudem bekommt ihr es hin und wieder mit Naturgewalten wie Tsunamis, Sandstürmen oder Gerölllawinen zu tun. Und auch sonst hält die Spielumgebung lästige Überraschungen wie lähmende Spinnennetze, verwirrende Pilze, als Schatztruhen getarnte Monster oder explosive Pulverfässer bereit. 

Die Kombo-lastigen Kämpfe wirken stylisch und rasant, manchmal aber auch sehr chaotisch.
Erleidet ihr negative Zustandsveränderungen, werden diese sogar überzeugend dargestellt: Seid ihr verwirrt, wird die Steuerung invertiert, seid ihr taub, wird die Lautstärke gesenkt, seid ihr gelähmt, ist nicht einmal mehr das Hauptmenü aufrufbar. Auch einige Rätsel sind durchaus clever gemacht und nur mit dem Einsatz bestimmter Fähigkeiten zu meistern.

Die meiste Zeit seid ihr aber für gewöhnlich mit Erkundungen und Kämpfen beschäftigt. Wer viel Wert auf bestmögliche Ausrüstung legt, wird viel Zeit mit den Kämpfen verbringen. Dazu gezwungen werdet ihr jedoch nur selten, da sich die Gegner frei in der Spielwelt umher bewegen und die Auseinandersetzungen ähnlich wie bei Final Fantasy XII an Ort und Stelle in Echtzeit stattfinden. Gegner können durch Hinterhalte überrascht werden, sich untereinander verbünden, aber auch gegenseitig bekämpfen, was sich natürlich zum eigenen Vorteil nutzen lässt. Wer will, kann seine Waffen auch wegstecken und zum nächsten Ziel sprinten. Feinde können euch zwar verfolgen und auch auf der Flucht Schaden zufügen, lassen sich aber meist leicht abschütteln oder weiträumig umgehen.      

Rasantes Chaos

Stellt ihr euch einem Angriff, erlebt ihr effektgeladene Kombo-Action à la Tales oder Star Ocean . Capall steuert ihr dabei jedes Mal direkt, während ihr euren bis zu drei Begleitern kollektive Verhaltensmuster wie "Angriffe auf einen Gegner konzentrieren", "Ausschwärmen" oder "MP sparen" verpassen könnt - individuelle oder komplexere KI-Schemas gibt es leider nicht. Während eure Gefolgsleute völlig eigenständig agieren, könnt ihr per Knopfdruck leichte oder schwere Angriffe ausführen, zur Flöte greifen, versuchen zu kontern oder das vorzeitige Heilen von Verwundeten veranlassen.

Partymitglieder spezielle Aktionen ausführen zu lassen, ist genauso interessant wie hektisch.
Darüber hinaus lassen sich jedem Partymitglied zwei spezielle Aktionen zuteilen, die ihr jederzeit initiieren könnt, um Kombos erfolgreich zu verketten, Überraschungsangriffe zu starten oder besondere Manöver wie das Manipulieren von Gegnern, Umgebungsobjekten oder Hindernissen durchzuführen.

Dadurch ergeben sich einige interessante Möglichkeiten, die während der Kämpfe aber nur schwer durchführbar sind, da sich diese meist viel zu hektisch und chaotisch gestalten. Auch der Einsatz von Gegenständen über das jederzeit aufrufbare Hauptmenü ist extrem nervenaufreibend, da das Spielgeschehen währenddessen nicht pausiert wird. Meistens endet ein Versuch, seine Kameraden durch entsprechende Items wiederzubeleben, mit dem eigenen Tod, da ihr während der Navigation durch Menüs und Inventar völlig wehrlos seid. Auch die Übersicht geht trotz manueller Kameraführung hin und wieder flöten, da sie oft einfach zu nah am Geschehen ist oder von der Spielumgebung behindert wird. Die automatische Zielfunktion lässt euch zwar auch im ärgsten Getümmel nicht im Stich, eine vernünftige Kombo-Planung ist dabei aber nur schwer möglich.

Spielfluss mit Hemmungen

Nichtsdestotrotz metzelt ihr euch angenehm flott und unkompliziert durch Wüsten, Wälder, Sümpfe und Höhlen. Manchmal sogar mit bis zu zwei Partys im Schlepptau, die ihr zwar persönlich zusammensetzen, aber nicht dirigieren könnt. Insgesamt stehen euch während eures Abenteuers 18 einsatzbereite Akteure zur Verfügung, die allerdings nicht immer beliebig gewechselt werden können. Dafür sammeln aber auch Gefolgsleute auf der Ersatzbank fleißig Erfahrungspunkte, so dass ihr nicht ständig Durchwechseln müsst, um eine ausgeglichene Truppe zu haben. 

Eure Truppe wächst und wächst - insgesamt könnt ihr auf knapp zwanzig Akteure zugreifen.
Für knapp zwanzig Leute immer die aktuellste Ausrüstung zu besitzen, ist hingegen eine andere und auf Dauer ungemein kosten- sowie zeitintensive Sache, die den Spielfluss immer wieder ins Stottern bringt.

Stottern tut übrigens auch gelegentlich die Spiel-Engine, was sich anhand von Slowdowns und Tonaussetzern bemerkbar macht. Auf den Spielverlauf hat das zwar keine nennenswerten Auswirkungen, unerfreulich ist es aber dennoch. Schön hingegen die riesige zusammenhängende Darstellung der Spielwelt, die bis auf Stadtbesuche komplett ohne Ladepausen auskommt. Damit verbunden sind allerdings auch viele lange Märsche, da es keine Weltkarte mit direkten Ortssprüngen gibt. Doch wenigstens sind die einzelnen Schauplätze durchdacht angeordnet und miteinander verknüpft, so dass man überall recht schnell hingelangen kann, wenn man sich nicht in unnötige Kämpfe verwickeln lässt. Geduld braucht ihr hingegen beim Sichern eures Spielstandes an einem der teils etwas unausgewogen platzierten Speicherkristalle. Was zu Spielbeginn kaum Zeit in Anspruch nimmt, dauert später ähnlich wie bei Lost Odyssey immer länger, wenn ihr alle Speicherbänke nutzt. Das Wechseln der beiden DVDs ist hingegen kein Thema. Ungefähr nach der Hälfte eures Abenteuers tauscht ihr die Datenträger während des Spiels einmal aus und habt bis zum Abspann eure Ruhe. Nur beim Laden älterer Spielstände fallen gegebenenfalls nochmalige Wechsel an.     

Fazit

Auf der einen Seite ist Infinite Undiscovery ein rasant und prächtig inszeniertes Action-Rollenspiel in bester Tales - bzw. Star Ocean -Manier. Auf der anderen Seite wirkt es aber auch oft chaotisch, unausgereift und künstlich in die Länge gezogen. Dabei ist die Spielzeit mit gut zwanzig Stunden für ein Rollenspiel eher knapp bemessen. Man kann zwar auch abseits der Haupthandlung einiges entdecken, aber aufwändige Sidequests oder weitläufige Bonusareale sucht man vergeblich. So verbringt ihr die meiste freie Zeit mit dem Anhäufen von Geld und Items, die ihr für Party-Ausstattung und Crafting-Ambitionen benötigt. Trotzdem halte ich Infinite Undiscovery für ein gutes Spiel. Vor allem die aufwändig präsentierte Story mit all ihren persönlichen Spannungen, tragischen Rückschlägen und überraschenden Wendungen ist es wert, bis zum Ende verfolgt zu werden. Auch die flotten Echtzeitkämpfe machen trotz gewisser Hektik und Handicaps jede Menge Laune, während gelegentliche Rätsel und Sonderaufgaben den Spielverlauf mal mehr, mal weniger erfolgreich auflockern. Schade nur, dass man komplett auf eine Lokalisierung verzichtet und nicht alle Sequenzen vertont hat. Genrefans, die das nicht stört, sollten sich den Titel aber trotz aller Kritik nicht entgehen lassen. Gerade Story-Liebhaber kommen definitiv auf ihre Kosten!

Pro

üppige Charakterriege
aufwändig inszenierte Story
flottes Echtzeit-Kampfsystem
große zusammenhängende Spielwelt
auflockernde Sonder- & Nebenaufgaben

Kontra

relativ kurze Spielzeit
durchwachsenes Leveldesign
teils sehr chaotisch & unübersichtlich

Wertung

360

Üppig inszeniertes, aber recht kurzes und teils chaotisches Action-RPG der Star Ocean-Macher.

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