FIFA 0831.08.2007, Jörg Luibl
FIFA 08

Vorschau:

Der Ball rollt mal wieder. Und als FIFA 08 (ab 6,95€ bei kaufen) in seinem Windschatten die Redaktion erreichte, entstand zunächst kaum mehr als ein müdes Gähnen. Warum? Seit Jahren beherrscht Pro Evolution Soccer mit seiner ausgezeichneten Qualität die Welt des virtuellen Fußballs. Seit Jahren versucht EA, sich an diese Faszination heran zu entwickeln. Seit Jahren scheitert man daran. Umso größer die Verwunderung, als wir nach zwei, drei Kicks richtig Spaß hatten…

EA + FIFA = Skepsis

Stil und Eleganz: Die neuen Trickfinessen machen das Spiel im Zweikampf attraktiver.
Sie haben die Lizenzen - von Ricken bis Ribéry, vom TUS Koblenz bis zum FC Chelsea. Sie haben die Fangesänge - von "Ruhrpott! Ruhrpott!" bis "Baaaaaaaayern!". All das ist verdammt reizvoll. Und sie haben die bessere Grafik, was die Details um und am Platz angeht. Dieses Jahr sieht der Rasen einfach klasse aus, und selbst das Dehnen des Trikotstoffs ist zu erkennen. Außerdem freut man sich über die Anzeige von Zeitspiel oder über die kleinen Kameraschwenks zum wütenden Torwart. Lediglich beim Publikum bleibt es bei den alten Klonfans im Tausenderpack. Aber was EA und FIFA bislang hauptsächlich abging, war schlicht und ergreifend die Magie auf dem Rasen. Dieses Gefühl, das Leder wirklich rollen, fliegen und satt im Kasten einschlagen zu lassen.

Und diesmal? Man kommt zwar nicht ran an das neue Pro Evolution Soccer 2008 (PES), das sich immer noch unberechenbarer, rasanter und wuchtiger spielt, aber es gibt deutliche Fortschritte. Dass der künstliche Wachslook der Spieler und der Wildwuchsrasen der peinlichen 360-Premiere der Vergangenheit angehören, ist selbstverständlich. Letztes Jahr hat man dann endlich Ball- und Körperphysik getrennt - das war bei PES seit Jahren Standard. Dieses Jahr serviert man dazu allerdings nicht nur ein ansehnlicheres, sondern taktisch und technisch interessanteres Fußballspiel. Taktisch deshalb, weil man sich jedes Tor erarbeiten und ein kluges Spiel aufziehen muss. Dabei profitiert man von der intelligenteren KI der Flügelspieler und Spitzen, die wirklich aktiv in die Lücken stoßen - da lohnt es sich, den Ball in den eigenen Reihen und die Augen offen zu halten.

Tricks mit Ronaldinho

Aus 20 Metern: Die Ballphysik wurde verbessert, aber es fehlt immer noch dieses magische Schwere.

Video: Spielerfähigkeiten & BewegungenTechnisch deshalb, weil es neue Dribbeleinlagen gibt. Haltet ihr den linken Bumper gedrückt, könnt ihr mit dem rechten Stick je nach Spieler einige Kabinettstückchen zeigen. Ronaldinho hat mit einigen anderen gleich individuelle Zaubereien und Körpertäuschungen samt finalem Tunnel auf dem Kasten, andere Spieler wählen aus einen Standardrepertoire. Trotzdem erkennt man den Charakter einzelner Profis jetzt deutlicher - etwa bei einem Regisseur wie Diego, sogar beim verspielten Verteidiger Atouba. Das Getänzel um und Gestreichel der Kugel kann sich sehen lassen. Schade ist nur, dass es dafür in unserer Fassung scheinbar keinen Trainingsmodus gibt.

Diese Finessen sind nämlich gerade im Strafraum etwas kompliziert einzuleiten: Hier muss man zusätzlich zum linken Bumper noch die rechte Schultertaste halten, ohne sich die Finger zu verknoten. Trotzdem machen sie das Spiel aber ansehnlicher. Man kann über Zirkusaktionen wie das beidbeinige Hüpfen mit dem Ball über das Bein des Gegners natürlich streiten, aber wenn es klappt, ist man der Held. Schade ist, dass man ohne diese Tricks relativ schlecht am Gegner vorbei zeihen kann - hier ist PES einfach auf den ersten Metern nach der Ballannahme dynamischer, man kann sich schneller drehen und präziser auch kleine Manöver ausführen. Manchmal fühlt sich FIFA 08 noch etwas träge an.

            

Mann zwischen Ball und Gegner

Ähnlich wie in PES spielt der Körpereinsatz eine große Rolle: Je nachdem, wer mit wem und wie schnell zusammen prallt,

Vorbei sind die Zeiten von Langrasen und Wachsgesichtern: FIFA 08 sieht natürlicher und besser aus als die Vorgänger.
springt der Ball anders weg, kippt oder fällt der Spieler auf andere Art und Weise. Dieses Jahr hat FIFA hier wirklich große Fortschritte gemacht. Die Animationen beim Abdrängen oder beim Press-Schlag erreichen zwar noch nicht die verblüffende Detailverliebtheit der japanischen Konkurrenz, aber sie sorgen sehr schnell für echtes Derbyfeeling. Verbesserungswürdig ist lediglich die Darstellung der Direktabnahmen: Wenn man einen Ball aus 30 Metern Volley nimmt, fehlt einfach das Krachen und die Wucht in der Bewegung. Manchmal fallen Tore wie aus dem Nichts.

Das liegt auch daran, dass der Ball noch immer zu leicht wirkt. Dafür hoppelt und verspringt er jetzt wesentlich öfter, so dass endlich eine unberechenbare Note ins Spiel kommt. Wunderbar sieht das Ganze bei Flankenwechseln, Kurzpässen oder Weitschüssen aus. Hier kann man endlich beobachten, wie sich das Leder gefährlich senkt und spektakulär im Kasten versinkt. Schön ist auch, dass die Ermüdung deutlich spürbar ist: Wer andauernd mit Doppeldeckung und Sprinttaste hantiert, wird sehen, wie die Energieleiste sinkt und selbst Laufwunder wie Olic nur noch müde herumtorkeln - hier ist kluge Dosierung gefragt.

Karriere als Profi

Bei den Standards hat sich nicht viel getan; leider haben wir die Meteranzeige vermisst. Dafür gibt es eine aktive Teilnahme des Goalies:

Video: Torwart selbst steuernWer wissen will, wie man sich als Profi auf dem Platz fühlt, darf sich auf die neue Karriere "Be a Pro" freuen. Hier übernehmt ihr die Rolle eines Fußballers und müsst auf eurer Position glänzen. Die Kamera wechselt in eine nähere Perspektive, so dass ihr wirklich das Gefühl habt, mittendrin zu sein. Icons zeigen euch nach dem Anpfiff an, was ihr tun solltet: Es gibt Richtungsanzeigen für die Laufwege, Sprintaufforderungen und ihr könnt selber aktiv den Ball fordern. Aber Vorsicht: Für Fehlpässe, Ballverluste oder sinnlose Rufe gibt es Minuspunkte. Erst, wenn ihr erfolgreich passt oder gar Tore schießt, steigt das Konto. Nach jedem Spiel bekommt ihr dann eine Abrechnung zwischen 1 und 100, eine Bewertung sowie Bonuspunkte zum Freischalten von Goodies.

Wir sind natürlich gespannt auf den Online-Modus, den wir noch nicht testen konnten: Hier sollen immerhin zehn Mann antreten können - auch inklusive der oben beschriebenen Bewertung je nach Spielweise. Fünf Freunde in dem einen Team, fünf in dem anderen. Dieses Feature soll nur auf Xbox 360 und PS3 sechs bis acht Wochen nach dem Verkaufsstart am 27. September zum Download angeboten werden. Irgendwann will EA auch elf gegen elf Spieler online anbieten. Dieses Jahr wird es auch wieder interaktive Ligen und Ranglisten geben.

Wichtig ist aber auch, dass die Fassung noch überarbeitet wird. Gerade die Defensiv-KI zeigt einige böse Aussetzer: Plötzlich gibt es einen Schuss Richtung Tor, der Ball prallt an den Verteidigern ab und sie laufen alle (!) aus dem 16er, ohne daran zu denken, dass man da erstens keine Abseitsfalle aufziehen und zweitens ein Stürmer einnetzen kann - was er auch tat. Außerdem sollte kein KI-Spieler einfach mit dem Ball ins eigene Tor laufen. Und der Torwart sollte den Ball beim Abwerfen nicht in den nächsten Gegnerfuß rollen. Hoffentlich wird das in der finalen Version noch genau so ausgemerzt wie die plötzlichen schwarzen Bildschirme nach dem Spielerwechsel.     

Ausblick

Es ist verdammt lange her, dass sich zwei, drei Redakteure bei uns so gerne mit etwas anderem als Pro Evolution Soccer die Bude eingeschossen haben. Electronic Arts serviert auf der Xbox 360 ein -wie immer- sehr ansehnliches Fußballspiel, das aber endlich im Bereich Laufverhalten, Körpereinsatz und Spielaufbau lobenswerte Fortschritte gemacht hat. Die neuen Dribblings sehen klasse aus, die Fangesänge sorgen für Gänsehaut und auch die Karriere als Solist in einem Team kann motivieren. Letztes Jahr hat PES 6 auf der Xbox 360 86% eingeheimst, FIFA 07 nur 78%. Dieses Jahr riecht es nach deutlichem Zuwachs. Allerdings reicht es trotz der Euphorie der ersten Spiele noch nicht für grenzenlosen Jubel: Die Stadien enttäuschen mal wieder mit Klonpublikum, es gibt einige grobe Aussetzer im defensiven Stellungsspiel, manche Tore fallen fast ohne akustisches Feedback und die Ballphysik lässt noch immer diese magische Schwere vermissen, mit der uns Konami verzaubert. Egal: Wir haben jetzt schon so viel Spaß wie seit langem nicht mehr und sind gespannt, ob die finale Fassung noch zulegen kann. Außerdem fehlen noch Erfahrungen mit der PS2- und PC-Version. Diese Vorschau schrammte jedenfalls nur knapp an einem sehr guten Ersteindruck vorbei.


Ersteindruck: gut

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