Fantasy Life02.10.2014, Jan Wöbbeking

Im Test: Fantasievolle Berufsberatung...

Level 5 wagt sich auf das Terrain sozialer Lebenssimulationen wie Animal Crossing. In Fantasy Life (ab 39,90€ bei kaufen) dreht sich alles um die Berufswahl in der idyllischen vorindustriellen Fantasiewelt. Ähnlich wie in Rune Factory wird das Prinzip aber massiv mit Rollenspiel-Elementen wie Quests und Kämpfen gekreuzt. Geht die Mischung auf?

Beruf oder Berufung?

Was für eine Frage: Natürlich werde ich Alchemist! Was gibt es Cooleres, als mit magisch angehauchten Chemikalien zu panschen und Bomben für den Monsterkampf zu basteln? Beim Start von Fantasy-Life stehen jede Menge Berufe zur Wahl: In einem Dutzend Professionen schnetzelt man sich als Söldner oder Paladin durch Monsterhorden, erlernt die hohe Handwerkskunst des Schreinerns, Schneiderns oder Schmiedens, schwingt im Restaurant den Kochlöffel, besorgt als Jäger oder Angler die passenden Zutaten oder versucht sich am Rohstoff-Schürfen oder der Magie. Wer möchte, kann später auch ein neues „Leben“ (so werden hier Berufs-Laufbahnen genannt) einschlagen und die im vorigen Job erlernten Kenntnisse weiter nutzen. Manchmal entdeckt ein Passant sogar Hinweise auf ein verborgenes Talent meiner Figur. Schlummert in mir das Zeug zu einem effektiven Holzfäller?

Ein Blick aufs Gefecht...
Meine Passion gilt aber zunächst der Alchemie – also mache ich mich zuerst einmal auf in das Labor neben der königlichen Bibliothek und besuche meinen ebenso überheblichen wie tollpatschigen Meister Flamel. Er verursacht pausenlos kleine Explosionen und wird dafür von seinem Papageien-Assistenten Pipetti ausgelacht. Das Charakter-Design von Bewohnern und Monstern ist Level 5 (und Co-Entwickler Brownie Brown bzw. 1-UP Studio) erwartungsgemäß gut gelungen: Die liebenswerten, langnasigen Passanten und fantastischen Monster machen es richtig spannend, die Welt zu entdecken. In der östlichen Grasebene treiben z.B. Rotwölfe, wild gewordene Karotten-Tiere, maskierte Banditen, ein fetter Drache und viele andere knuffig designte Biester ihr Unwesen. Dialoge beschränken sich zwar meist auf Smalltalk in Textform, doch immer wieder streuen die Passanten auf gelungene Weise alberne Wortspiele in die Gespräche ein. Auf eine Vertonung der Dialoge muss man aber leider verzichten.

Tollpatschige Vorbilder und dubiose Händler

Jede Profession besitzt praktisch seine eigene Gilde, bei der die Kniffe des Berufs erlernt werden. In meinem Fall stelle ich mich an Kessel und Fläschchen und beweise mein Können in einem Minispiel. Im korrekten Rhythmus muss ich aufs Knöpfen drücken, hämmern oder per Steuerkreuz den Arbeitsplatz wechseln. Nicht besonders anspruchsvoll, aber zumindest zu Beginn immer wieder eine nette Abwechslung zum Erkunden, Sammeln und Kämpfen.

...und das Schmieden.
Bei entsprechendem Glück und Können ist die Qualität des Gebräus derart gut, dass gleich mehrere Heiltränke oder magische Energy-Drinks abfallen. Mit mehr Übung und Erfahrung steigere ich langsam aber sicher mein Fähigkeiten-Level, um mehr Einheiten gleichzeitig zu produzieren oder sogar eine automatisierte Produktion für ein bestimmtes Rezept zu starten. Auch magische Amulette lassen sich fertigen. Wenn ich bestimmte Herausforderungen bestehe, um danach mit stolzgeschwellter Brust bei meinem Meister anzutanzen, bringt mir das Sterne fürs Level ein. Zutaten finde ich entweder in den üppigen Naturlandschaften rund um die königliche Stadt oder beim geheimnisvoll verhüllten dubiosen Händler.

Belohnung vom Flattermann

Auch die zahlreichen Passanten und mein Schmetterlings-Sidekick Flatterling haben massenhaft Quests für mich parat: Gefälligkeiten für meine Mitmenschen bringen mir im Wesentlichen Bares ein, das sich für mannigfaltige Werkzeuge, Kleidung sowie mehr oder weniger nützlichen Krimskrams ausgeben lässt. Ein Bauer etwa will, dass ich die Image-schädigende Karottier-Plage um sechs Tiere dezimiere. Ein Wächter südlich des Schlosses benötigt dringend einen alchemistischen Energy-Drink, um nicht einzunicken. Mein ständig flatternder Gefährte kümmert sich dagegen eher um mein seelisches Wohlbefinden. Er spornt mich mit seinen Quests dazu an, auf Abenteuerreise in benachbarte Orte oder auf Shopping-Tour zu gehen sowie Menschen oder Sehenswürdigkeiten kennenzulernen. All das, was auch im realen Alltag die Lebensfreude beflügelt, wird hier mit „Wonne“ belohnt.

Der dubiose Kapuzerich hat nützliche Dinge im Angebot.
Erreiche ich ein bestimmtes Zufriedenheits-Level, belohnt mich Flatterling mit einer größeren Tasche, einem Haustier, dem Zugang zum Pferde-Verleih (für schnelleres Reisen) oder anderen schönen Dingen. Wer aus den Randgebieten schnell nach Hause will, kann sich übrigens auch per Knopfdruck ins Schlafkämmerchen beamen. Speichern kann man auch an den großzügig verteilten Portalen in der Welt.

Entscheidungen fürs Leben

Zu Beginn bremsen die altmodisch ins Kästchen tickernden Dialoge und die etwas sperrige Menüführung ein wenig den Spielfluss, doch dann entfaltet sich eine schöne Mischung aus den dominierenden Rollenspiel-Elementen und idyllischer Lebens-Simulation. Auch einen Tag-Nacht-Zyklus gibt es hier, es wird aber bei weitem nicht so hektisch wie in manch einem Harvest-Moon, weil ich weniger auf Dinge wie Ausdauer und Schlafbedürfnis achten muss. Auch mein Hund erweist sich als pflegeleicht, ich muss ihn nicht einmal füttern. Vor allem die zahlreichen Möglichkeiten in der großen Welt machen das Abenteuer Leben interessant: Ich persönlich entscheide, welchen Beruf ich wähle, ob ich angeln oder Kräuter sammeln gehe, umziehe, meine Wohnung mit neuen Möbeln ausstatte oder mich lieber in Kämpfe stürze.

Es gibt jede Menge urige Orte wie diese Grotte zu entdecken.
Je nach Schwerpunkt lassen sich nach und nach auch einige Charakter-Attribute aufwerten sowie bessere Waffen und Ausrüstung besorgen bzw. schmieden. Ich befinde mich weder so sehr in der Tretmühle aus täglichen Pflichten wie in Harvest Moon, noch plätschert das Leben so ruhig vor sich hin wie in Animal Crossing. Auch die idyllische aber beschwingte Musik von Nobuo Uematsu unterstreicht das Spielgefühl gut. Auf Dauer werden die Minispiele trotzdem etwas monoton und auch die simpel gestrickten Echtzeit-Kämpfe gegen die niedlichen, aber nicht besonders clever agierenden Monster sind nur mäßig spannend. Sie wuseln sogar in noch kleineren Radien herum als in Destiny, so dass man sie auch hier leicht an den Rand locken und überlisten kann. Das Repertoire beschränkt sich auf einfach auszuführende Schläge, Pfeilschüsse oder Attacken. Auch der zu rudimentär geratene Charakter-Editor erinnert an Bungies Shooter-MMO: Viele Frisuren und Accessoires kann ich im Spiel nicht einmal erkennen, weil sie von meiner Arbeitskluft verdeckt werden – in diesem Punkt sorgen aber immerhin die Klamottenläden für Abhilfe.

Gruppendynamik

Leider haben die Entwickler bei aller Freiheit ein wenig die Rahmenhandlung aus den Augen verloren, die zu gemächlich vor sich hin plätschert. Nur ab und zu erfahre ich mehr über einen abgestürzten Himmelskörper, eine immer wieder auf dem Dach herumspukende Unbekannte  und die Sagen der Welt.

Hex, hex!
Etwas seltsam wirkt der Umstand, dass ich sämtliche Nachbarn ohne Konsequenzen vor ihren Augen ausrauben kann – allerdings lassen sich nur ein paar ausgewählte Objekte stibitzen. Zeitweise bin ich auch in der Gruppe unterwegs und werde im Kampf z.B. von einem Jungen unterstützt, dem ich kurz zuvor aus der Klemme geholfen habe. Wer möchte, kann auch kooperativ mit bis zu zwei realen Freunden in die Schlacht ziehen – per lokaler oder Online-Verbindung. Im Internet funktioniert das aber leider nur mit Spielern aus der Freundesliste, Fremde werden nicht vermittelt. Im kooperativen Spiel können mittels entsprechender Truhe auch Gegenstände getauscht werden.

Fazit

Während die Harvest-Moon-Serie mit dem Spin-off Hometown Story einen neuen Tiefpunkt erreicht hat, beweist Level 5, wie es besser geht: Mit Fantasy Life liefern die Schöpfer von Professor Layton und dem bezaubernden Dragon Quest: Die Reise des verwunschenen Königs einen routinierten Mix aus Rollenspiel und idyllischer Lebens-Simulation ab. Die Wahl aus einer ganzen Reihe von Berufen schafft erfreulich viel Variation und auch abseits der Arbeits-Minispielchen bietet das Spiel viele Möglichkeiten für die Selbstverwirklichung in der vorindustriellen Bilderbuchwelt – von persönlichen Freizeitwünschen über kämpferische Abenteuer bis hin zur Ehe und dem Erwerb von Einrichtung und größerer Anwesen. Auf Dauer arten die Quests zwar etwas zu sehr in monotone Fleißarbeit aus und die Rahmenhandlung plätschert zu ruhig vor sich hin - im Gegenzug hat mich die mystische Welt mit ihrer Liebe zum Detail aber sofort zu Entdeckungstouren angespornt.

Pro

unterhaltsamer Mix von Action-Rollenspiel und Karrieren-Abenteuer
großer Umfang und weitläufige Welt
viele persönliche Wahlmöglichkeiten und Variationen
putzig designte Monster und Menschen
fröhliche Melodien zum Mitpfeifen
Koop-Spiel lokal oder online möglich

Kontra

Story plätschert zu leise im Hintergrund vor sich hin
Quest
und Job-Alltag auf Dauer etwas zu monoton
sperrig-veraltete Menü
und Nutzerführung erfordert zu viel Knöpfchendrücken
Dialoge nur in Textform
Online-Koop nur mit Freunden

Wertung

3DS

Eine idyllische Welt und viel Entscheidungsfreiheit machen den Mix aus Rollenspiel und Lebens-Sim sehr entspannend - trotz nicht allzu spannender Kämpfe und Minispiele.

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