Super Smash Bros.26.09.2014, Jan Wöbbeking

Im Test:

Nintendo lädt zum Overkill auf dem kleinen 3DS-Schirm: Fünf Jahre nach dem Wii-Auftritt kloppen sich Mario und eine Schar von Videospielgrößen endlich wieder in aller Freundschaft aufs Fressbrett – inklusive wild blitzender Special-Moves und bizarrer Neuzugänge wie der Wii-Fit-Trainerin. Ist das Gemetzel auch auf dem Handheld ein Volltreffer?

Vorteil: Handheld

3DS-Besitzer sind wieder mal im Vorteil: Während Wii-U-Spieler noch bis Ende des Jahres warten müssen (ein Datum steht noch nicht fest), startet Super Smash Bros. (ab 42,99€ bei kaufen) auf dem 3DS schon am kommenden Donnerstag durch. Ähnlich wie in Mario Kart 8 kämpft ein Aufgebot aus Videospiel-Allstars um Ruhm und Ehre, hier geht es aber natürlich handfester zur Sache. Bis zu vier Spieler dürfen sich im Netz oder lokal ins Getümmel stürzen. Entweder ärgert man sein Gegenüber als Einzelkämpfer oder man stellt in Zweierteams die Freundschaft auf die Probe.

Um das Chaos perfekt zu machen, funkt auch noch die Umgebung dazwischen. Die Entwickler haben Unmengen herrlich alberner Ideen verwirklicht: Mal krachen Bauklötze und anderes Gerümpel von der Decke (auf die Schatten achten!) oder Hundewelpen versperren den Blick und schlecken die Kamera ab. Bei Neuzugang Pac-Man geht es sogar in einem stylischen Labyrinth zur Sache. In Kirbys alter GameBoy-Welt landet man plötzlich hinter den fetten grauen Bildschirm-Balken, weil die Welt ohne Erbarmen weiter scrollt.

Tödlicher Abgrund des Todes

Ein Blick auf Sonics Heimat-Arena.
Allzu weit sollte man sich nicht von der Bildschirm-Mitte entfernen. Sobald man die Arena-Grenzen verlässt, gilt man als aus dem Ring geschmissen und bekommt einen Minuspunkt. In punkto Spielmechanik kocht die Serie nämlich nach wie vor ihr ganz eigenes Süppchen: Man prügelt und ballert so lange auf den Gegner ein, bis seine Schadensanzeige sich ordentlich gefüllt hat. Je schwächer er wird, desto leichter lässt er sich aus dem Ring kloppen – am besten und befriedigendsten klappt das mit einem kraftvollen Smash-Angriff, der ihn hoch in die Luft katapultiert, woraufhin er idealerweise in den Abgrund segelt. Natürlich gibt es auch Griffe und zahlreiche andere Möglichkeiten, den Widersacher hinaus zu bugsieren. Wenn man sich besonders dumm anstellt, plumpst man auch ohne Feindeinwirkung ins Bodenlose. Dank Doppelsprung und einiger Spezialtechniken rettet man sich aber meist wieder über die Kante.

Die Steuerung wirkt zu Beginn wieder recht eigenwillig. Neulinge schliddern vermutlich erst einmal verwundert durch den Ring, weil die Figuren bei vollem Schiebepad-Ausschlag wie von der Tarantel gestochen lossprinten. Etwas seltsam wirkt auch die Überbelegung des A-Knopfes, mit dem man den Großteil der Attacken startet, Extras aufhebt, sie einsetzt und vieles mehr. Schade, dass Nintendo und Co-Entwickler Bandai Namco die Chance nicht genutzt haben, um die Eingaben sinnvoller auf die 3DS-Knöpfen zu verteilen. Andererseits verlangt man dem Spieler so ein wenig Feingefühl ab - in anderen Prügelspielen lassen sich die Attacken schließlich auch nicht einfach auf Knopfdruck abspulen.

Die Macht der Gewohnheit

Nach ein paar Minuten hat man die Bewegung ohnehin wieder intus und dann lernt man ihre Vorteile im blitzschnellen Kampf zu schätzen. Anders als in ernsthafteren Prüglern wie Killer Instinct kommt es nicht so sehr auf das virtuose Abspulen von Button-Kombinationen und Kombos an. Stattdessen sollte man in brenzligen Situationen blitzschnell die passende Antwort parat haben. Dieser Umstand und die überschaubare Zahl an Attacken macht das Spiel so spannend für Einsteiger: Wer die Grundlagen verinnerlicht, kann schon nach einigen Minuten halbwegs mithalten und zumindest manchmal einen Sieg einfahren. Dank der tollen Balance gibt es aber auch für alte Hasen genügend Möglichkeiten, ihr Können zu perfektionieren. Auf dem ersten 3DS-Modell leidet in hektischen Momenten manchmal die Übersicht – doch auch dieses Problem fällt nach ein paar Stunden kaum noch auf.

Das Coolste am Spiel sind natürlich wieder die vielen völlig übertriebenen Spezial-Attacken: Fox z.B. walzt plötzlich in einem futuristischen Panzer über die Plattformen und mein Liebling Pac-Man verwandelt sich nach dem Einsammeln eines Smash-Balls in eine gigantische mampfende Retro-Scheibe, welche sich frei schwebend und laut fiepsend durch die Gegner frisst. Die Auswahl der übrigen Neulinge wirkt ein wenig seltsam, im Kampf bieten die meisten aber eine angenehme Abwechslung. Bayonetta fehlt z.B., mit dabei sind dagegen die Wii-Fit-Trainerin, welche in wahrsten Sinne des Wortes durch die Arena turnt. Per „Sonnengruß“ lädt sie eine fette gelbe Energie-Kugel auf, welche sich auch aufsparen und später abfeuern lässt.

Gastauftritte von Sega, Namco & Co

Spielhallen-Opi Pac-Man teilt noch erstaunlich kräftig aus...
Richtig gut gefallen haben mir auch alte Bekannte wie Sonic. Er düst mit flotten Kugelattacken über die saftig grüne Wiese und kann dank seiner Agilität in der Luft lästigen Schlag-Kombos ausweichen, um dann pointiert zurückzuschlagen. Eine Übersicht über die üppige Kämpferriege von 51 Figuren gibt es hier – manche wie der sich ruckartig bewegende Game&Watch-Held Nicky müssen erst freigeschaltet werden. Nützlich sind außerdem die Pokémon-Helfer, welche sich per Pokéball herbeirufen lassen. Je nach Stufe und Art piesacken sie die Gegner unterschiedlich aufdringlich mit Sturzflügen und anderen Gemeinheiten. Sie sind übrigens die einzigen Objekte, welche mit 30 Bildern pro Sekunde berechnet werden, was in der Hektik aber nicht auffällt. Der Rest des Spiels schlägt sich technisch richtig gut: Mit seinen stets flüssigen 60 Bildern pro Sekunde und den kunterbunten animierten Arenen ist Super Smash Bros. eines der schönsten 3DS-Spiele - trotz des zwangsläufigen stilistischen Durcheinanders.

Nicht nur bei der Kämpferriege stimmt die Auswahl. Es gibt unheimlich viel geheime Extras, Meilensteine, Sammelkram und Trophäen zum Freischalten. Zu Beginn wird man fast vom üppigen Angebot erschlagen - unter anderem, weil man sich erst einmal durch die verschachtelten Menüs wühlen muss, um alles zu entdecken. Der Umfang von Super Smash Bros. übertrumpft Vorgänger und Konkurrenztitel bei weitem: Super Smash Bros. Brawl z.B. bot „nur“ 36 Figuren, Sonys Konkurrenzspiel PlayStation AllStars 24 Krieger.

Überwältigende Vielfalt

...und verlegt den Kampf auch mal ins heimische Labyrinth.
Auch bei den Modi hieß die Devise Klotzen statt Kleckern: Für Solo-Spieler gibt es einen klassischen Story-Modus mit frei wählbaren Abzweigungen auf der Reiseroute, die Smash-Abenteuer in scrollenden Levels, einen Trainings-Modus, Einzelkämpfe mit Unmengen von Einstellungsmöglichkeiten, einen Überlebensmodus mit Ruhepausen und taktisch einsetzbaren Heilgegenständen sowie diverse Minispiele wie Sandsack-Weitwurf oder das Zerbomben von Zielscheiben. Auch ein lustiges kleines Drängel-Spielchen aus der Draufsicht ist enthalten, bei dem man per Street-Pass die Scheiben anderer Spieler von der Plattform rammt. Auf alle Details einzugehen, würde den Artikel sprengen, daher beschränke ich mich auf die wichtigsten Modi.

Im Zentrum stehen die Smash-Abenteuer: Zunächst kämpft man sich im Alleingang durch scrollende Labyrinthe aus unterschiedlichen Spielwelten, die von allerlei herumwuselnden kleinen und fetten Gegnern bevölkert werden. Hat man genügend davon aus dem Weg geprügelt, päppelt man seinen Charakter mit allerlei „Verstärkern“ auf, welche Statuswerte wie Schlag- und Sprungkraft, Geschwindigkeit oder Abwehr aufmotzen. Auch einige „Zusatz-Items“ lassen sich ausrüsten, darunter z.B. ein Laserschwert, ein fetter Energiestrahl oder Heiltränke. Zum Schluss kommt es dann zum klassischen Showdown in der Arena – entweder gegen drei starke KI-Gegner oder gegen verbundene Freunde. Einige der Modi lassen sich schließlich kooperativ bestreiten. Im Hintergrund erklingen derweil geliebte Soundtrack-Klassiker der Spiel-Universen, welche sich allesamt im Sound-Menü abspielen lassen.

Leidlich unterhaltsames Abenteuer

Mich haben die Smash-Abenteuer nur bedingt unterhalten. Das Aufmotzen und die zahlreichen Gegner sorgen zwar für Abwechslung, doch die hektische, auf Arenen zugeschnittene Handhabung will einfach nicht so recht zum seitlich scrollenden Prügelspiel passen.

Deutlich mehr Spaß machen die klassischen Modi. Vor allem die Reise über die Karte mit frei wählbaren Abzweigungen und Duellen gegen stärker werdende Widersacher hat mich motiviert – vor allem, weil ich hier vor dem Match wagemutig den Schwierigkeitsgrad aufdrehen und mehr Bares einsetzen kann. Die Münzen lassen sich später z.B. in fehlende Trophäen investieren.

Brutalo-Mii Marke Eigenbau

Im Smash-Abenteuer werden die Kämpfer vorm Finale mit "Verstärkern" aufgepäppelt.
Cool ist auch das Erstellen von Mii-Kriegern: Je nach Klasse (Boxer, Schwertkämpfer, Schütze) lassen sich auf einfache, aber gelungene Weise Schwerpunkte setzen. Als Fan von Jump-n-Shoots habe ich mir z.B. einen langsamen aber mächtigen Jan mit MegaMan-Arm gebastelt. Mit seinen Granaten und schweren Schusssalven holzt er vor allem in den Smash-Abenteuern effektiv durch die Gegner. Die Standard-Charaktere wie Mario, Bowser & Co. lassen sich ebenfalls feintunen, allerdings dürfen die aufgemotzen Krieger nur in manchen Modi und im Online-Spiel mit Freunden antreten. Bei den zentralen Internet-Modi gegen Fremde müssen sie leider draußen bleiben.

Der Online-Part hat mich am längsten an den 3DS gefesselt: Die für den Spieler unsichtbare Könnens-Stufe scheint in der Spieler-Vermittlung gut zu funktionieren. Der Großteil meiner bisherigen Kämpfe verlief richtig spannend. Die Vierer-Matches im lockeren „Geplänkel“ (auf Wunsch auch in Zweierteams) sorgen für unbeschwertes Gemetzel – hier kann man sich einfach austoben, um die Figuren kennenzulernen.

Hart oder zart?

Vorsicht, Bauklotz: Auf dem Screen des ersten 3DS leidet mitunter die Übersicht.
Ernster wird es in der Variante „Hart auf hart“, in der neben den Siegen auch die Niederlagen in die Statistik einfließt. Um Zufallsfaktoren zu eliminieren, kämpft man hier ausschließlich in flachen Arenen. Vor allem Duelle rocken: Wenn man sich behutsam vorantastet, um den Gegner dann blitzschnell zu überrumpeln, sorgt das für herrliche Schadenfreude. Vor allem, wenn man selbst schon an der Kante hängt, den Gegner dann mit einem Kick überrascht oder ihn mit einem Griff aus seiner Deckung reißt und in den Abgrund schleudert - so dass er trotz Special-Hüpfer gerade so die rettende Plattform verpasst und mit einem lauten Knall verliert. Göttlich!

Begrenzte Optionen

Schade, dass in den beiden öffentlichen Online-Varianten so wenige Optionen zur Wahl stehen – die Arena wird z.B. per Zufallsprinzip ausgewählt. Wer mehr Rahmenbedingungen vorgeben möchte, muss auf das Spiel gegen Freunde ausweichen, dort wimmelt es nur so vor Optionen. Ein starker Dämpfer für die Motivation ist auch das Fehlen von Bestenlisten oder spannender Herausforderungen gegen Freunde. Es gibt zwar ein sichtbares Fähigkeits-Level - die so genannte Smash-Fertigkeit - diese Zahl zeigt allerdings nur an, vor wie vielen anderen Spielern man weltweit in diversen Modi liegt.

Außerdem fehlt eine Begrenzung der Gegner auf Region oder Kontinent; statt Voice-Chat werden nur einfache Textnachrichten angeboten. Für ein Handheld-Spiel gehen die Online-Möglichkeiten trotzdem in Ordnung – schließlich sollte man die begrenzte Spielerzahl nicht durch zu viele Wahlmöglichkeiten zerstreuen. Für die Wii-U-Version sollte Nintendo aber deutlich nachlegen.

Die Kämpferriege fällt äußerst üppig aus.

Sauberer Netzcode?

Technisch liefen meine Matches bislang meist erfreulich flüssig. Gelegentlich kam es aber auch zu deutlich spürbaren Lags und Geschwindigkeitseinbrüchen. Da momentan fast nur Japaner und US-Amerikaner online sind, könnte das aber auch an der Entfernung gelegen haben. Allzu weit kann ich mich in diesem Punkt also noch nicht aus dem Fenster lehnen. Ich hoffe darauf, dass man nach dem Europa-Start hauptsächlich lokale Gegner vermittelt bekommt. Wer seine Glanzleistungen verewigen will, kann übrigens Videos oder Screenshots aufzeichnen. Wer sich im Internet die Matches anderer Spieler live anschaut, kann sogar auf den Ausgang wetten, um zusätzliche Gewinne einzustreichen.

Fazit

Was für ein Monstrum! In punkto Umfang steckt Super Smash Bros. beinahe die gesamte Prügel-Konkurrenz in die Tasche. Stolze 51 Nintendo- und Videospiel-Stars warten darauf, dass man ihre aberwitzigen Attacken in zahlreichen Modi erforscht und perfektioniert. Ein richtig spannender Einzelspieler-Part fehlt zwar und im Online-Spiel gegen Fremde hätte ich mir mehr Optionen gewünscht. Davon abgesehen bietet das Spiel aber ein unheimlich motivierendes Gesamtpaket für ein herrlich albernes, variantenreiches Gemetzel. Vor allem online hat die Sucht bei mir schnell zugeschlagen. Auch die klassischen Modi, Unmengen an Sammelkram und die Experimente mit einem Mii-Krieger machen Laune. Wer nicht bis zum Wii-U-Start gegen Ende des Jahres warten will, bekommt schon auf dem 3DS ein herrliches Prügelfest!

Pro

blitzschnelles variantenreiches Gemetzel
lustig-chaotische On- und Offline-Kämpfe für bis zu vier Spieler
leichter Einstieg - schwer zu meistern
zahlreiche durchgeknallte Special-Moves
51 Charaktere aus der Nintendo- und Videospiel-Welt
riesige Zahl an Modi, Schauplätzen, Herausforderungen, Trophäen und mehr
ideenreiche, teils brenzlige Arena-Verwandlungen während des Kampfes
saubere Technik mit flüssigen 60 Bildern pro Sekunde
erstellbare Mii-Kämpfer und Feintuning für Standard-Charaktere
Unmengen herrlich verrückter Extras und Pokémon-Helfer
tolle Balance - trotz großen Umfangs und verrückter Ideen
meist sehr flüssige Online-Matches
lustige Bonus-Minispiele, manche mit Street-Pass-Unterstützung
Videos und Screenshots eigener und anderer Online-Kämpfe ansehen
viele Optionen beim Spiel mit Online-Freunden
unsichtbare Könnens-Einstufung sorgt für ausgeglichene Internet-Matches
beschwingte umfangreiche Musikuntermalung aus den Spieluniversen
Soundtrack-Player für sämtliche Musikstücke
knuffige Sound-Effekte
jede Menge Konfigurationsmöglichkeiten für HUD-Elemente, Comic-Konturen & Co.
personalisierte Kämpfer lassen sich später auf Wii U übertragen

Kontra

leichte Übersichtsprobleme (vor allem auf kleinem 3DS)
keine Online-Ranglisten
kaum Optionen in Internet-Kämpfen gegen Fremde
kein spannend ausgearbeiteter Story
oder Karriere-Modus
seitlich scrollender Abenteuer-Modus nur mäßig unterhaltsam
teils seltsame Auswahl neuer Kämpfer (Animal Crossing statt Bayonetta)
A-Knopf und Stick sind mit zu vielen Bewegungen und Attacken belegt
wirr verschachtelte Menüs
"getunte" Kämpfer nur in manchen Modi einsetzbar
kein Online-Chat (nur simple Textnachrichten)
gelegentliche Lags und Slowdowns bei Matches gegen Japaner oder Amerikaner

Wertung

3DS

Herrlich durchgeknalltes Comic-Gemetzel mit riesigem Umfang und adrenalingeladenen Mehrspieler-Kämpfen.

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