Dragon Quest 7: Fragmente der Vergangenheit16.09.2016, Jens Bischoff

Im Test: RPG-Klassiker auf doppelter Zeitreise

16 Jahre nach seinem PlayStation-Debüt in Japan erscheint Dragon Quest 7 jetzt erstmals auch in Europa und zwar als Remake für Nintendos 3DS. Wie gut das einstmals auf der ehrwürdigen PlayStation veröffentlichte Rollenspiel gealtert ist, klären wir im Test.

Die Rettung einer vergessenen Welt

Vom verschlafenen Fischerdorf Buttsbüttel bis ins Königsschloss von Estard sind die Leute fest davon überzeugt, dass es außer ihrer Insel keine weiteren auf der Welt gibt. Der Ozean um sie herum scheint endlos zu sein und noch nie hat ein Seefahrer fernab der Heimat Land entdeckt. Der Sohn des bekanntesten Fischers des beschaulichen Eilands will das aber nicht glauben und beschließt zusammen mit Bürgermeistertochter Maribel und Königssohn Gismar insgeheim ein altes Schiffswrack wieder seetauglich zu machen und selbst auf Entdeckungsreise zu gehen.

Doch als sie eines Tages auf ihrer Heimatinsel in die Ruinen eines alten Tempels hinabsteigen, wird aus ihrer geplanten Schiffsreise plötzlich eine Reise durch Raum und Zeit. Durch das Zusammensetzen zerbrochener Steintafeln gelangen sie nämlich an Orte, die es früher tatsächlich einmal gegeben hat und die jetzt wie vom Meer verschluckt scheinen.

Für das 3DS-Remake wurde die Darstellung komplett auf 3D umgestellt und auf einen Bildschirm reduziert.
Klar, dass die drei sich aufmachen, mehr über diese Orte und ihre Bewohner herauszufinden und nach einer Möglichkeit suchen, sie zurückzubringen. Und so beginnt ein wahrhaft episches Unterfangen...

Vertrautes Umfeld

Dragon Quest 7: Fragmente der Vergangenheit (ab 39,99€ bei kaufen) folgt dem Aufbau der für den DS erschienenen Dragon-Quest-Remakes Die Chronik der Erkorenen (Dragon Quest 4), Die Hand der Himmelsbraut (Dragon Quest 5) und Wandler zwischen den Welten (Dragon Quest 6). Die 3DS-Neuauflage setzt allerdings komplett auf 3D-Grafik und nutzt den Touchscreen nur noch für Karten und Menüs statt beide Bildschirme für die Darstellung der Kulissen einzuspannen. Vorzüge haben beide Varianten, wobei der zusätzliche Tiefeneffekt gerade bei den generell hübschen Kampfanimationen teils durchaus sehenswert genutzt wird.

In punkto Handhabung werden sich DS-Veteranen sofort heimisch fühlen, da sich Spielmechanik und Menüführung kaum verändert haben. Das größte Novum dürfte wohl die Abkehr von den Zufallskämpfen darstellen, was den Spielverlauf aus heutiger Sicht angenehm aufwertet, auch wenn man nicht jedem Gegner so einfach ausweichen kann. Vor allem in engen Gängen und Labyrinthen oder beim plötzlichen Entstehen von Gegnern in unmittelbarer Nähe gehören unfreiwillige Kampfunterbrechungen immer noch zum Alltag, sofern man keine Kämpfe reduzierenden Zauber oder Objekte einsetzt. Exzessives Level-Grinding wie noch im vierten Teil gehört aber zum Glück nicht mehr zum Pflichtprogramm.

Zug um Zug

Die Auseinandersetzungen selbst laufen auch dieses Mal wie gewohnt  rundenbasiert ab. Kommt es zum Feindkontakt, befiehlt man jedem seiner bis zu vier Gruppenmitlieder mit der ausgerüsteten Waffe anzugreifen, Zauber, Fähigkeiten oder Gegenstände einzusetzen, sich zu verteidigen oder einen Fluchtversuch zu unternehmen. Objekte können allerdings nur verwendet werden, wenn sie sich im knapp bemessenen Marschgepäck des jeweiligen Akteurs befinden. Zudem lassen sich erneut nur Feindgruppen, aber keine einzelnen Gegner daraus anvisieren, was das Dezimieren der Widersacher oft unnötig in die Länge zieht.

Später kann man aber auch wieder auf Waffen mit unterschiedlichen Flächenwirkungen zurückgreifen, die es einem erlauben, ganze Gruppen oder alle Gegner auf einmal zu attackieren. Wer will, kann seinen Gefährten auch wieder bestimmte Verhaltensmuster zuteilen und sie automatisch kämpfen lassen, was die Auseinandersetzungen natürlich entsprechend beschleunigt. Doch auch sonst gehen die aus heutiger Sicht recht statischen Kämpfe in der Regel angenehm flott vonstatten.

Die Auseinandersetzungen laufen nach wie vor in klassischer Rundenmanier ab - Zufallskämpfe gibt es aber keine mehr.
Nur bei den angenehm auf Trab haltenden Bossen ist etwas mehr Stehvermögen und Planung gefragt - vor allem hinsichtlich Ausrüstung oder Charakterklassen.

Freie Berufswahl

Sind anfangs noch alle Gruppenmitglieder einfache Abenteurer, können sie sich später wie im sechsten Teil verschiedenen Professionen zuwenden und damit verbundene Zauber und Fertigkeiten erlernen. Diese gehen auch nach einer späteren Umschulung nicht verloren, so dass man sein Repertoire stetig erweitert. Wer vorgegebene Berufskombinationen meistert, erhält sogar Zugang zu immer weiteren, fortgeschritteneren Klassen. Insgesamt darf man sich an über 50 Professionen versuchen, die unter anderem sogar das Verwandeln in Monster erlauben. Zudem hat die Berufswahl maßgeblichen Einfluss auf die aktuellen Charakterwerte.

Dazu zählen neben klassischen Attributen wie Stärke, Ausdauer oder Weisheit auch exotischere Merkmale wie der Kleidungsstil, mit dem man manche Widersacher so sehr beeindrucken kann, dass sie einen gar nicht erst angreifen. Nach Gründung einer persönlichen Zuflucht inklusive Monsterpark lassen sich Gegner sogar zähmen und auf Beutestreifzüge schicken. Auch in Menschenkörpern gefangene Ex-Monster lassen sich aufspüren und als tatkräftige Einwohner für den Ausbau der Zuflucht gewinnen, über die man auch selbst anhand spezieller Tafeln neue Abenteuer erleben und sie per StreetPass mit anderen Spielern teilen kann. Kooperative Zusammenschlüsse sind allerdings nicht möglich.

Zwei Welten

So oder so gibt es viel zu entdecken und auszuprobieren - inklusive lohnenswerter Sammel- und Rätselaufgaben oder Kasinobesuche. Gelöste Probleme in der Vergangenheit eröffnen zudem neue Wege und Möglichkeiten in der Gegenwart. Doch auch wenn es immer wieder interessant ist, zu sehen, welche Auswirkungen das eigene Handeln mit sich bringt, gehen damit leider auch viele Wiederholungen und Wiederverwertungen einher, denen man schnell überdrüssig werden kann.

Durch das Zusammenfügen alter Steinscherben gelangt man auf frühere Nachbarinseln.
Auch die Dramaturgie bleibt vorwiegend blass, da trotz übergreifender Zusammenhänge eher viele kleine statt einer großen Geschichte im Mittelpunkt stehen.

Hinzu kommt, dass die Inszenierung trotz toller musikalischer Begleitung für heutige Verhältnisse äußerst schlicht daher kommt. So werden fast alle Ereignisse in nur spärlich animierter Spielgrafik serviert. Sprachausgabe gibt es überhaupt keine und der selbst benennbare Protagonist bleibt das ganze Spiel über gänzlich stumm. Lobenswert ist jedoch die deutsche Übersetzung mit ihren individuellen Sprachstilen sowie regionalen Dialekten und Akzenten, die der Welt zusätzliche Vielfalt verleihen. Auch sonst entdeckt man trotz schlichter Präsentation immer wieder liebevolle Details wie von Hausdecken abgehaltene Teleportationsversuche, bewohnte Brunnenschächte oder mitgeschleifte Särge gefallener Gefährten.

Der Zahn der Zeit

Weniger erfreulich ist diese Detailverliebtheit hingegen beim Speichern des Spielstands, was prinzipiell nur in örtlichen Kirchen möglich ist, die für eine großzügige Spende auch Flüche aufheben und tote Kameraden wiederbeleben. Zwar kann man an vielen Orten auch eine manuelle Schnellspeicherung vornehmen, hat dafür aber nur einen Platz zur Verfügung und muss das Spiel anschließend direkt beenden.

Bei einem Kasinobesuch stehen Poker, Memory und einarmige Banditen bereit.
Trotzdem besser als am Ende eines Dungeons draufzugehen, ein Teil seines leider mal wieder nicht auf die Bank gebrachten Geldes zu verlieren und den ganzen Weg nochmals auf sich nehmen zu müssen, auch wenn die meisten Verliese ohne die vielen Kämpfe eigentlich recht kurz und kompakt sind.

Weniger schön sind auch die massiven Pop-Ups von Bäumen und anderen Umgebungsobjekten, wenn man zu Fuß auf der zwar dreh-, aber leider nicht zoom- oder kippbaren 3D-Landkarte unterwegs ist. Bei Reisen zu Wasser oder in der Luft fällt dieses Manko aber zum Glück weg. Nervige Ruckler und Spielunterbrechungen bei Gruppenveränderungen oder speziellen Item-Funden muss man hingegen überall ertragen. Auch Menüführung und Kartenfunktion hätten ruhig etwas zeitgemäßer ausfallen können, während besonders zu Beginn des Abenteuers auch noch Charakteraufstellungen und persönliche Inventarlisten ständig zurückgesetzt werden. Doch auch das geht letztendlich irgendwann vorüber, während der Spaß am Erkunden der rätselhaften Inselwelt bleibt.

Fazit

Mit "Fragmente der Vergangenheit" kommen heimische Rollenspieler erstmals in den Genuss einer eingedeutschten Fassung von Dragon Quest 7, die obendrein vorbildlich gelungen ist. Der für den 3DS neu aufgelegte PlayStation-Klassiker folgt dabei ganz der Tradition der vorherigen DS-Remakes von Dragon Quest 4 bis 6, so dass sich Kenner trotz komplett auf 3D umgestellter Darstellung sofort heimisch fühlen. Inszenierung, Technik und Handhabung mögen zwar in vielerlei Hinsicht nicht mehr ganz zeitgemäß sein, der Kern mit all seinen charmanten Facetten, Ideen und Details ist aber nach wie vor vorhanden und weiß Genrefans auch heute noch gut zu unterhalten. Im Gegensatz zu den bisherigen DS-Neuauflagen gehören sogar die leidlichen Zufallskämpfe endlich der Vergangenheit an, während das Experimentieren mit über 50 Charakterklassen und dem Verfolgen clever verzahnter Nebenaufgaben nach wie vor ungemein motivieren können. Wer japanische Rollenspiele alter Schule mag und das 16 Jahre alte Original noch nicht kennt bzw. sich wieder einmal in Erinnerung rufen möchte, sollte sich diese Zeitreise trotz offenkundiger Alterserscheinungen nicht entgehen lassen.

Pro

klassisches Rollenspielabenteuer
motivierende Nebenaufgaben
flexible Charakterentwicklung
liebevolle Präsentation
gewaltiger Umfang
gute Lokalisierung

Kontra

mäßige Inszenierung
unspektakuläre Story
durchwachsene Technik
antiquiertes Speicher
& Inventarsystem

Wertung

3DS

Routiniertes 3DS-Remake eines sichtlich gealterten, aber auch heute noch gut unterhaltenden Rollenspielklassikers.

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