Pokémon X & Y15.10.2013, Eike Cramer
Pokémon X & Y

Im Test:

Pokémon feiert in diesem Jahr sein 15-jähriges Jubiläum außerhalb Japans. Ende September 1998 erschienen Pokémon Rot und Blau von GameFreak in den USA und traten eine regelrechte Pokémania los. Dem Original folgten zahlreiche Teile und Spin-Offs auf vielen Nintendo-Plattformen. Generation sechs, X und Y, erscheinen als erste Ableger der Serie auf dem 3DS. Kann das Spielprinzip auch in der dritten Dimension überzeugen?   

15 Jahre Pokémanie

Die einen, vor allem etwas ältere Semester, schauten fassungslos und irritiert auf die anderen, meist  Kinder und Jugendliche, als diese in den späten Neunzigern ihre Bisasams, Abras und Pikachus hegten und pflegten. „Alberner Kinderkram“ war eine typische Reaktion derjenigen, die mit der Faszination der kleinen Monster und den Abenteuern von „Red“ und „Blue“ (im Spiel) und Ash Ketchum, Misty, Rocko und Team Rocket (im Anime) nichts anfangen konnten. Ich hingegen war verzaubert von der Magie der Kanto-Region, streifte durch Wälder und Höhlen,  fing seine 151 Bewohner, genoss die anspruchsvollen Rundenkämpfen und strebte danach, der beste Trainer der Welt zu werden. Dabei träumte ich vor allem von den Begegnungen mit legendären Pokémon, allen voran dem mächtigen Mewtu.

Jetzt bin ich 24 und die Pokémon haben wenig von jener Magie verloren. Ich kehre gerne in die monochrome Welt der ersten Editionen zurück. Währenddessen hat sich aber viel getan: die Zahl der Monster ist nach fünf weiteren Generationen unüberschaubar, die Weiterentwicklungen, Typen, Züchtungen und Attacken fordern ein Grundstudium in Pokékunde und bevor man vertrauten Monstergesichtern begegnete, dauerte es im letzten Ableger, Schwarz/Weiß, viel zu lange. Schafft die sechste Generation eine große Weiterentwicklung oder vielleicht sogar einen echten Neuanfang?

Die Magie des Augenblicks

Die Wahl des richtigen Startpokémons ist auch in X/Y ein magischer Moment.
Die Wahl des richtigen Startpokémons (hier im Bild: Fynx) ist auch in X &Y ein magischer Moment.
Wie immer beginnt alles damit, dass ich den Pokémon-Professor meines Dorfes besuche, um mir mein erstes Monster abzuholen, mit dem es auf die große Reise geht. Das Ziel: Den Pokédex der Region zu füllen und dabei der beste Trainer des Landes zu werden. Wie immer wähle ich eines von drei Starter-Pokémon aus, die den drei Elementen Feuer, Wasser und Pflanze angehören – für jeden Trainer seit der Entscheidung zwischen Schiggy, Glumanda und Bisasam ein absolut magischer Moment. Ich spreche danach kurz mit der Gruppe anderer Jungtrainer, die sich zusammen mit mir auf die Reise durch die Kalos-Region machen, und verlasse meine Heimat.

Unterwegs werde ich Bekanntschaft mit den acht Arenaleitern von Kalos, den Trainern der Pokéliga sowie dem fiesen Team Flare machen. Zudem gehe ich dem Geheimnis der Mega-Entwicklung auf den Grund, die Pokémon im Kampf eine vierte, mächtige Entwicklungsstufe ermöglicht. Die Geschichte ist einfach, die Charaktere wirken oft eindimensional und die Gespräche über Freundschaft, Wettkampf und Erwachsen sind bestenfalls als kindgerecht zu bezeichnen. Auch die (wichtige) Mega-Entwicklung wird zu schnell abgehandelt und bleibt blass. Es gibt sie eben und sie ist geheimnisvoll. Punkt. Hier wäre mehr drin gewesen, zumal das Thema zuvor ordentlich aufgebauscht wird. Dennoch versprüht die Handlung den typischen Pokémon-Charme einer heilen Welt. Die Umgebung ist voller freundlicher Charaktere, Team Flare ist zwar fies aber nicht über alle Maßen düster und die Freundschaft mit den Kreaturen steht an erster Stelle.

Altbekannte Monsterjagd

Am der grundlegenden Kampfmechanik hat sich wenig verändert. Vorne im Bild: Fynx, der aktuelle Feuerstarter.
An der grundlegenden Kampfmechanik hat sich im Vergleich zu den Vorgängern wenig verändert.
Spielerisch hat sich im Vergleich zu den Vorgängern recht wenig verändert. Mit einem Team aus bis zu sechs Monster-Gefährten bestreite ich Kämpfe mit den Trainern die in den Gebieten verstreut sind, während ich durch hohes Gras laufe um auf neue Pokémon zu treffen, die ich durch den Einsatz von Pokébällen meiner Sammlung hinzufügen kann. Pokéball ist dabei nicht gleich Pokéball: es gibt unzählige Varianten für alle Lebenslagen, vom variablen Hyperball bis zum Finsterball für den Höhleneinsatz. Habe ich ein Pokémon gefangen, wird es in den Lagerungsboxen abgelegt, die ich auf dem Touchscreen komfortabel managen kann. Ziel der Kämpfe ist es, meine Gefährten höhere Level erreichen zu lassen, damit sie neue Attacken lernen, sich entwickeln und schlagkräftiger werden.

Wie immer ist es dabei wichtig, die richtige Teamzusammenstellung zu wählen und eine gute Balance zwischen den Elementtypen zu wahren. Es gilt Attacken in der richtigen Reihenfolge zu nutzen und geschickte Wechsel zu vollziehen. Will ich ein Pokémon schnell entwickeln, setze ich es auf Kampfplatz eins und wechsle es kurz nach Kampfbeginn gegen ein schlagkräftigeres aus. Mein Feind setzt hauptsächlich Feuer ein? Eine kalte Dusche aus der Aquaknarre meines Sodamak wird es schon abkühlen! Das alles ist altbekannt. Nur dass ich nun auch Gruppen aus bis zu fünf wilden Pokémon begegnen kann die sich auch untereinander angreifen, ist neu. Dennoch funktioniert der Ablauf nach wie vor prächtig: die Mischung aus Kampf, Leveln und Sammeln motiviert in hohem Maße und der „Nur-noch-das eine-Level- Effekt“ setzt besonders dann ein, wenn man kurz vor einer Entwicklung steht.

Bekannte Gesichter, neue Elemente

Diesmal ist es Team Flare, das den Frieden in der freundlichen Pokémon-Welt stört. An die Prägnanz eines Team Rocket kommen die rotgewandeten Fieslinge aber nicht heran.
Diesmal ist es Team Flare, das den Frieden in der freundlichen Pokémon-Welt stört. An die Prägnanz eines Team Rocket kommen die rotgewandeten Fieslinge aber nicht heran.
Es ist spürbar, dass sich Game Freak zum fünfzehnten Geburtstag der Serie nicht nur an Fans der neueren Generation wendet, sondern auch unzählige Reminiszenzen der ersten Editionen in X und Y versteckt hat. So trifft man bereits zu Beginn wieder auf vertraute Gesichter wie Taubsi oder Hornliu. Sogar Pikachu trifft man in der ersten Waldpassage und wer damals wie ich Stunden im Vertania-Wald verbracht hat, um sich bereits zu Beginn des Spiels das bekannte Elektromonster zu sichern, dürfte bei diesen Begegnungen schmunzeln.

Auch das frühe Auftauchen der Starter aus Rot/Blau lässt Kennerherzen höher schlagen, zumal mir erneut die Wahl zwischen den alten Bekannten gelassen wird. Die Möglichkeit erneut mit Bisasam in den Kampf zu ziehen, hat mich begeistert, zumal es in meinem Team hervorragend mit Fynx des Gegentyps Feuer harmoniert. Neben vielen neuen Pokémon (die neue Gesamtzahl liegt nun jenseits der 720) gibt es zudem einen neuen Kampftyp: Fee ist eine Art Gegenpol zum Typ Drache und entschärft den etwas übermächtigen Typ.. Viele der neuen Monster sind dadurch kleinere, knuffig-sphärische Wesen wie das auf einer Blume reitende Flabébé, die hervorragend in den riesigen Pool aus bereits existierenden Monstern passen. Apropros Drache: Dank der Megaentwicklung in Ausgabe X kann jetzt übrigens auch Glurak jenen Typ erlangen.

Blühende Landschaften und finstere Höhlen

Nie war die Welt der Pokémon schöner als bei X/Y.
Nie war die Pokémon-Welt schöner als in X/Y. In manchen Momenten schwenkt die Kamera auf Schulterhöhe.
Die Reise durch Kalos führt mich durch abwechslungsreiche Landschaften, von Wäldern über karge Felslandschaften, entlang der Küste, durch Sümpfe und in finstere, Zubat-verseuchte Höhlen. Nie war eine Reise durch die Welt der Pokémon schöner. Wind streicht durch das Gras in lichtdurchfluteten Wäldern, es prasselt der Regen in das Wasser der Sümpfe, und Sturm peitscht über Hochebenen: Erstmals wirkt die Kulisse der Serie zeitgemäß. Schönes Detail: Wettereffekte werden auch auf dem Kampf-Interface auf dem unteren Bildschirm sichtbar. Auch die Perspektive macht sich die vollständig dreidimensionale Kulisse zunutze und so wird für manche Panoramen und die Straßenschluchten von Illumina City in die Schulteransicht gewechselt.

Die Kämpfe werden ebenfalls zum ersten Mal ansprechend und in der dritten Dimension inszeniert. Die Monster sind im Cellshading-Stil entworfen und sehen für Serienverhältnisse fantastisch aus. Zudem wurden ihnen spezifische Animationen verliehen, die sie erstmals „wirklich“ zum Leben erwecken und diese Aufgabe nicht der Fantasie des Spielers überlassen, der bislang weitestgehend auf Pixelbrei-Sprites blicken musste. Auch die Effekte der Attacken und Fähigkeiten wurden entsprechend überarbeitet und wirken teils beeindruckend. Pokémon X/Y ist äußerst ansehnlich und kann durchaus mit bisherigen 3DS-Grafikhighlights wie Super Mario 3D Land mithalten, allerdings sorgt diese Pracht gerade mit eingeschaltetem 3D-Effekt manchmal für starke Einbrüche in der Bildrate.

Supertraining und Pokégotchi

Zwar ist PokéMonAmi knuffig anzusehen, die Minispiele sind aber unspektakulär und generisch.
Zwar ist PokéMonAmi knuffig anzusehen, die Minispiele sind aber unspektakulär und generisch.
Neu ist auch das Supertraining. Hier können die Pokémon in allerlei Minispielen in ihren Grund-Statuswerten fortgebildet werden.  Zudem lassen sich Boxsäcke freischalten, an denen die Monster trainieren, während man auf dem oberen Bildschirm durch die Lande streift. Auf diese Weise lassen sich die Statuswerte einzelner Pokémon gezielt erhöhen, was den einen oder anderen Vorteil im Kampf ermöglicht. Leider wirken die Minispiele, in denen oft ein Ball in ein Netz geschossen werden muss, generisch, repetitiv und aufgesetzt. Das ließ den Spaß am Supertraining meiner Lieblinge schnell schwinden.

Auch PokéMonAmi, eine Art Pokémon-Tamagotchi, in dem die kleinen Racker gepäppelt, gekrault und in Minispielen bespaßt werden können, ist eher überflüssig, auch wenn der Effekt der Fütterung mit Süßgebäck durchaus sinnvoll ist. Die Spiele erhöhen nämlich den Zuneigungsfaktor der Taschenmonster, der einige Entwicklungen bedingt. Trotzdem sind die meisten Minispiele eher belanglos, weshalb ich den Modus schnell links liegen ließ.

Raser-Spaß, Shoppingrausch und störende Altlasten

Auch die Arenen profitieren von der 3D-Umgebung, wie z.B. Die spinnennetzähliche Arena von Nouvaria City.
Auch die Arenen profitieren von der 3D-Umgebung, wie z.B. die spinnennetzähliche Arena von Nouvaria City.
Ebenfalls neu ist auch die Form der Fortbewegung. Neben Surfer und Fliegen oder dem Fahrrad erhalte ich bereits recht früh im Spiel Inline-Skates. Hiermit lassen sich größere Distanzen bereits zu Beginn schnell überbrücken, was eine flinkere Bewegung zwischen den Pokécentern und Grinding-Gebieten ermöglicht. Außerdem gelangt man auf diese Weise deutlich fixer zur Poké-Pension, zur Beerenfarm oder zum Kampfschloss, in dem man sich durch Kämpfe einen Adelsrang erspielen kann. Erstmals kann auch die Spielfigur neu eingekleidet werden: In Boutiquen und Pokécentern stehen viele neue Kleidungsstücke bereit, mit denen sich die Spielfigur individualisieren lässt, dies ist zwar eher Spielerei als wichtige Neuerung, lockert aber den Spielverlauf ungemein auf.

Ärgerlich ist hingegen, dass nach wie vor einige Altlasten mit sich herumgeschleppt werden. Während ich gerade noch verschmerzen kann, dass die Zufallsbegegnungen zufällig bleiben und die wilden Pokémon nicht auf der Oberwelt-Karte angezeigt werden, wundere ich mich, warum ich mich nicht dafür entscheiden kann, dass mir ein Begleiter außerhalb seines Pokéballs folgt. Gerne hätte ich mein Bisasam, ähnlich wie Ash sein Pikachu, außerhalb seines Balles aufgezogen. Zudem könnten einige Mechaniken wie z.B. die Entwicklung die ausschließlich Kämpfen stattfindet, eine Frischzellenkur verdient gehabt. Schön ist hingegen, dass neuerdings auch öfter auf Pokémon geritten werden kann, die man in der Landschaft antrifft. Besonders witzig wirken diese Einlagen auf dem schafähnlichen Mähikel.

Ich will der Allerbeste sein!

Auch die Effekte während der Kämpfe können sich sehen lassen.
Auch die Effekte während der Kämpfe können sich sehen lassen.
Eines der Ziele im Einzelspielermodus ist erneut, die Nummer eins der Pokémon-Liga zu werden. Dazu müssen zunächst die acht Arenaleiter überwunden werden, deren Kampfumgebungen erneut sehr abwechslungsreich und interessant gestaltet sind. Da ist z.B. die Insektenarena in Form eines Spinnennetzes oder die Arena von Romantia City, in der man sich nur mit Teleportern von Raum zu Raum bewegen kann. Auch die Kämpfe gegen die Trainer der Arenen sowie deren Leiter sind fordernd und abwechslungsreich.

Insgesamt gesehen ist der Schwierigkeitsgrad im Einzelspieler abseits der Arenen aber nach wie vor zu niedrig. Viele der Trainerkämpfe lassen sich mit einfachen Mitteln lösen und man merkt schnell, wenn man seine Hauptkämpfer noch etwas in Zufallsbegegnungen trainieren lassen sollte. Anders sieht es da im komfortabel zu bedienenden Mehrspielermodus aus:  Wer hier auf die falsche Kombination aus Pokémon setzt hat verloren, bevor er auch nur „Gotta catch ‘em all“ denken kann. Hier zählt nur Vorbereitung, Taktik, der richtige Einsatz von Items und die richtige Reihenfolge.  Mit dem Player Search System kann man außerdem auch die Pokémon tauschen, die es traditionell nur einer der beiden Versionen gibt (alle anderen natürlich auch). Dies klappt, eine stabile W-Lan Verbindung vorausgesetzt, störungsfrei und vergleichsweise zügig.

Fazit

Pokemon X/Y ist ein würdiges Geschenk zum fünfzehnten Geburtstag der Serie. Als Fan der ersten beiden Ausgaben bin ich entzückt, wie viele klassische Pokémon und Verneigungen vor der ersten Edition es in das neue Gewand der sechsten Generation geschafft haben. Alleine die Tatsache, dass ich mit einem Starter aus Rot/Blau in den Kampf ziehen kann, hat mir eine nostalgische Rückkehr ins Jahr 1999 (das Erscheinungsjahr in Europa) beschert. Die Cellshading-Kulisse ist hübsch und die rundenbasierten Kämpfe wirken, obwohl sie im Kern unverändert geblieben sind, dynamisch wie nie. Leider geht die Schönheit mit leichten Bildraten-Problemen  im 3D-Modus einher. Der Umfang ist enorm: mit mehr als 720 Monstern, zig Varianten der Entwicklung, Züchtung, Attacken, Items und Beeren ist X/Y ein wahres Monster. Während die Kämpfe leider oft etwas einfach sind, entfaltet sich gerade in den Arenen, der Liga und im Mehrspielermodus die wahre Komplexität der rundenbasierten Auseinandersetzungen. X /Y ist für mich das rundeste Pokémon-Abenteuer seit langem. Auch wenn Team Flare nicht die Prägnanz von Team Rocket erreicht: selten hat ein so modernes Spiel solch nostalgische Erinnerungen an meine Kindheit geweckt und mich nächtelang wachgehalten. Jetzt aber genug, ich muss nur noch kurz mit meinem Sharfax ….   

Pro

tolle Cellshading-Kulisse mit vielen Details
äußerst umfangreich
gute Mischung aus neuen und alten Monstern
Starter aus Rot/Blau im Spielverlauf wählbar
abwechslungsreiche Umgebungen und Arenen
Megaentwicklung ist im Kampf effektiv und spektakulär
Inlineskates als neue Forbewegungsart
individualisierbare Kleidung
ordentlicher Online-Modus
Gruppenbegegnungen und Luftkämpfe als neue Kampfarten

Kontra

Die Geschichte ist sehr flach
Die Megaentwicklung bleibt zu sehr im Hintergrund
die Trainer-Kämpfe sind außerhalb der Arenen zu einfach
Supertraining und PokéMonAmi können nicht überzeugen
kein Pokémon kann dem Spieler außerhalb seines Balls folgen
keine echten Neuerungen in der Kampfmechanik

Wertung

3DS

Schön, rund, umfangreich: Pokémon X/Y ist ein tolles Geschenk zum fünfzehnten Geburtstag der Serie.

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