Code Name: S.T.E.A.M.15.05.2015, Jörg Luibl
Code Name: S.T.E.A.M.

Im Test: Abraham Lincoln im Kampfroboter

Was hat Tom Sawyer mit Aliens zu schaffen? Hat der nicht mit Huckleberry Finn den Mississippi unsicher gemacht? Natürlich! Aber in Code Name S.T.E.A.M. kämpft er mit Dampf, Spaßkanone und Minen gegen sie. Aber nicht alleine, sondern im Team mit bis zu vier Helden. Ob die Rundentaktik von Intelligent Systems mit der Schützenhilfe amerikanischer Literaturikonen gut unterhalten kann, klärt der Test.

Abraham, schütze die Königin!

Das hat sich Henry sicher nicht träumen lassen: Als Sicherheitschef der amerikanischen Botschaft in London muss er plötzlich die Queen retten. Wieso? Nicht irische Attentäter oder deutsche Pickelhauben, sondern seltsame Bestien sind hinter ihr her. Und wer kann sie aufhalten? Abraham Lincoln! Der 16. Präsident der Vereinigten Staaten hat in weiser Voraussicht einen „Sicherheitstrupp zur Eliminierung außerirdischen Missfriedens“ aufgestellt – Code Name S.T.E.A.M.!

Bei voll aufgedrehtem 3D-SChalter bleibt die räumliche Tiefe stabil. Man taucht aber auch bei abgeschalteter Funktion ein in eine farbenfrohe viktorianische Steampunkwelt.
Die kunterbunte Steampunkwelt  überzeugt mit schicken Zeichnungen, statt schwerem Pathos herrscht leichter Superhelden-Charme. Die Präsentation punktet mit tollem Intro, viktorianischem Flair, Regie-Einblendungen und sogar Sprachausgabe. Aber das Drehbuch setzt teilweise etwas überdreht auf Witz und Coolness, die beide nicht zünden wollen. Außerdem wirken die Texttfalen im Spiel komplett überflüssig, zumal ihre Texturen schwammig aufblinken.

Man befehligt keine schnöden Uniformträger, sondern charismatische Figuren der amerikanischen Literatur - da war Intelligent Systems sehr kreativ: „Löwe“ ist ähnlich wie in „Der Zauberer von Oz“ tatsächlich ein Raubtier und kann Gegner mit seinem Gebrüll betäuben; „Lily“ ist wie schon in „Peter Pan“ eine helfende Indianerin und „Tom“ sorgt mit seiner „Spaßkanone“ für mehr als Streiche unter den Aliens. Der eigentliche Anführer Henry Fleming hat ein weniger bekanntes Vorbild: In „The Red Badge of Courage“ von Stephen Crane taucht er erstmals 1895 auf, in einer Geschichte über den Amerikanischen Bürgerkrieg.

Rundentaktik im Steampunkwelt

Bis zu zwölf Helden sind maximal verfügbar bzw. freischaltbar, aber nur vier darf man in einen Einsatz schicken – was in London inkl. Buckingham Palast beginnt, führt später u.a. über den Teich nach Boston. Wildes Ballern? Keine Chance. Nur wer gut im Team plant und koordiniert, kann gewinnen. Man bewegt die Soldaten zunächst abwechselnd aus Schultersicht wie in Valkyria Chronicles in Echtzeit, um dann einen Angriff oder eine Spezialaktion auszuführen - falls noch genug Dampf da ist, der bei jedem Schritt wie ein Aktionspunkt verbraucht wird. Cool übrigens:

Von oben hat man mehr Reichweite: John kann seinen Granatwerfer so effizienter einsetzen. Dafür hat er übrigens drei mögliche Distanzen, die man manuell einstellen kann.
Man kann auch in einem gewissen Radius „frei“ hin und her spazieren, um z.B. Münzen oder Heilpakte einzusacken. Der Dampf wird einem wieder gutgeschrieben, wenn man sich nach dem Aufsammeln rückwärts bewegt.

Im Gegensatz zu XCOM geht es zwar verspielter und arcadiger zur Sache, aber man muss seine Gruppe clever durch das Gelände führen. Man kann nicht nur Deckung hinter Kisten finden, sondern aus erhöhter Stellung auch weiter blicken. So lassen sich Schätze sowie Feinde viel eher identifizieren und Letztere natürlich besser unter Beschuss nehmen. Da es keine Vogelperspektive und keine Draufsicht der kompletten Karte auf Knopfdruck gibt, ist das aktive Erkunden der zweiten Etage sehr wichtig. Da ist eine Treppe? Dann sollte man sie nutzen!

Wir brauchen mehr Dampf!

Dabei  kann das Bewegen oder Feuern unterschiedlich teuer sein. Während Henry z.B. nur drei Dampf für seinen Gewehrschuss benötigt, sind es bei Johns Granatwerfer schon vier  – der sorgt aber auch für einen fetten Bereichsschaden in drei Reichweiten. Lediglich die einmal aktivierbaren Spezialfähigkeiten der Helden kosten keinen Dampf. Ist dieser aufgebraucht, muss man zur nächsten Figur wechseln oder die Runde beenden.

Danach wartet man die Aktionen der Aliens ab, was jetzt deutlich flotter vonstatten geht als noch in der Demo: Nintendo hat die Ladezeiten der KI auf dem 3DS um die Hälfte und auf dem N3DS sogar auf ein Drittel gekürzt - sehr gut! Allerdings gibt es weiterhin nervige Aspekte: Vor allem das Anvisieren der fliegenden „Nessler“ mutiert manchmal zur Geduldsprobe, weil das Ziel einfach nicht markiert wird. Hier muss man wirklich millimetergenau das Fadenkreuz auf diese sehr kleinen Viecher ausrichten und Glück haben, dass man endlich feuern darf – hier hätte man mehr Toleranz bei der Abfrage oder einfach ein Durchwechseln der Feinde per Steuerkreuz anbieten müssen. Gibt es sonst Unterschiede zwischen 3DS und N3DS? Auf Letzterem wackeln die explosiven Gefechte selbst in voll aufgedrehtem 3D bei einer Änderung des Blickwinkels nicht - das Bild bleibt also mit räumlicher Tiefe stabil. Aber letztlich kann man das Abenteuer ohne Abstriche auch komplett ohne 3D spielen.

Heiler, Mutmacher und Wache-Konter

Die Agenten unterscheiden sich hinsichtlich der Lebenspunkte, der Dampfaktionen sowie der Bewaffnung – neben der permanent gesetzten Hauptwaffe gibt es auch eine wechselbare Sekundärwaffe. Bei der Wahl der Truppe sollte man einen guten Kompromiss aus Schlagkraft und Heilung finden; ganz Eilige können auch mit dem empfohlenen Team antreten. Alle Helden haben eine mächtige Spezialaktion, die sie einmal pro Einsatz ausführen: Lilys „Sanfte Brise“ heilt z.B. alle Umstehenden, der „Hammerschlag“ von John sorgt hingegen für Kollateralschaden. Hinzu kommt eine Fähigkeit, die passiv wirkt. Als „Trotzkopf“ überlebt Lily z.B. einen tödlichen Treffer, wenn sie nur noch ein Viertel an Leben hat, während John „Rempeln“ kann und sowohl Kisten zerstört oder Löwe „Mut“ macht und die Verteidigung aller stärkt.

Code Name: S.T.E.A.M. (ab 9,84€ bei kaufen) wird sämtliche amiibo-Figuren aus Fire Emblem unterstützen: Marth, Ike, Daraen und Lucina sind mit eigenen Fähigkeiten spielbar.
Schön ist, dass auch die vertikale Erkundung über die Fähigkeiten abgedeckt wird: Nur Löwe kann sich über Distanz oder auch in die Höhe katapultieren, um Zäune zu überwinden oder auf Plattformen zu landen; auch Tom kann auf einige Hindernisse springen. Da das Leveldesign teilweise angenehm verschachtelt und über mehrere Etagen aufgebaut ist, lohnt sich der Einsatz dieser Sprünge, zumal man von oben besser zielen und treffen kann.

Taktisch sehr nützlich ist, dass man über den „Wache-Konter“ defensiv erkunden sowie absichern kann: Wenn man sich ein paar Wölkchen spart, schießt der Soldat auf Wache automatisch, sobald sich ein Feind in sein Sichtfeld begibt. Diese Schussreaktion kennt man vom "Feldposten" aus XCOM und sie lässt sich hier noch effizienter einsetzen. Die Treffer aus dem Hinterhalt sind meist wesentlich stärker als die normalen Schüsse und man kann Feinde gezielt in Fallen locken. Auch die Aliens können mit ihren Schusslinien absichern: Wer sich in so ein Feld begibt, wird sofort empfindlichen Schaden hinnehmen müssen. Ärgerlich ist allerdings, dass die Feinde in ihrem Zug teilweise schlecht vorrücken und dass man alle Gebiete sehr simpel über das Erreichen der grünen Zielfelder abschließen kann, obwohl noch genug Feinde da sind. Darüber freut man sich letztlich nur, weil neue Feinde teilweise aus dem Nichts auftauchen.

Die komplette Säuberung der Gebiete will auch aufgrund dieser willkürlichen Respawns gut koordiniert sein. Vor allem, wenn man wirklich alles an Boni abstauben will, muss man auf der Hut sein und die Speichersäulen optimal ausnutzen, denn sie verleihen quasi Zusatzaktionen. Hat man genug Geldmünzen gesammelt, kann man sie dort einsetzen: Wer speichern und die Wölkchen eines Soldaten aufladen will, zahlt nur zehn; wer speichern, alle Wölkchen aufladen und vielleicht sogar Tote wiederbeleben will, zahlt hundert Gold oder mehr. Aber Vorsicht, denn diese Säulen sind nur einmal aktivierbar - und wenn der ganze Trupp am Boden liegt, ist das Spiel vorbei.

Vom Reißer bis zum Weltenfresser

Als Anführer eines von Abraham Lincoln zusammen gestellten Elitetrupps gilt es Außerirdische abzuwehren – in Japan trägt das Spiel übrigens den Untertitel "Lincoln vs. Aliens".
Es gibt über ein Dutzend außerirdischer Biester, angefangen beim „Reißer“ über „Karbunkel“ bis hin zum „Geißelnährer“. Zwar wirkt das Artdesign dieser Aliens etwas austauschbar und man vermisst mehr Vielfalt an Typen, aber sie haben spezielle Stärken wie z.B. das Verursachen von Bewusstlosigkeit, miese Säurebomben, Eisgeschosse oder gar Heilung.  Besonders wichtig für die Koordination der Alien-KI und gleichzeitig nervig für das eigene Team ist der „Augenstrunk“, der als schwebender Scout die nächsten Ziele markiert. Warum nervig? Weil man ihn lediglich per Beschuss verschieben, aber nicht vernichten kann. Neben diesen kleineren tauchen aber auch riesige Viecher auf, die für Bosskampf-Flair sorgen: Da hat man es am Ende der englischen Kampagne z.B. mit den Tentakeln des „Weltenfressers“ zu tun, die gerne nach der Queen greifen würden.

Sehr schön ist, dass einige blinde Aliens nur auf Geräusche reagieren: Und weil man sich über den sanften Einsatz des Analogsticks auch leise bewegen kann, lassen sich einige Konfrontationen gezielt vermeiden oder Positionen im Rücken einnehmen. Da gibt es dann vielleicht wunde Punkte, die meist lila leuchten – dort kann mit einem oder deutlich weniger Schuss fatalen Schaden anrichten. Aber auch Abraham Lincoln hat eine XXL-Waffe: A.B.E. Das ist ein riesiger Roboter, der von Lincoln gesteuert wird. Die anderen Helden können sich allerdings auch mal in einen Panzer setzen.

Rüstkammer und Konferenzraum

Der riesige Dampfzeppelin „Lady Liberty“ dient als Basis, wo ihr euch u.a. Biographien der Helden sowie Monsterbeschreibungen ansehen könnt. Noch wichtiger: Im Konferenzraum geht es um Sekundärwaffen und Boiler. Da gibt es eine stetig wachsende Auswahl an konventionellen Armbrüsten und Gewehren sowie exotischere Wummen. Vom „Erste-Hilfe-Colt“, der bei Beschuss heilt bis zur „Bananenbüchse“, die glitschiges Obst verteilt. Wer sein Gold dort investiert, kann schließlich unter 21 Schießeisen wählen, wobei das teuerste satte 70.000 kostet – da muss man ganz schön sparen.

Für die Boiler braucht man allerdings die Zahnräder, von denen jeweils drei in einem Abschnitt versteckt sind. Da gibt es zehn Typen wie z.B. „Raketentornister“ oder „Sanitätertornister“, die sich u.a. auf die Gesundheit oder Angriffskraft der Träger auswirken. Last but not least: Ihr könnt Streetpass aktivieren, um Highscores zu vergleichen und Bonusmedaillen zu bekommen, falls ihr es in die wöchentliche Top 4 schafft. Man kann auch gegen einen Kumpel im Multiplayer lokal oder online antreten.

Fazit

Code Name S.T.E.A.M. inszeniert gute Rundentaktik in einer schicken Steampunkwelt. Es macht Spaß, die Fähigkeiten und Spezialaktionen der vier Helden zu koordinieren, Konter vorzubereiten und die Aliens auf teilweise mehreren Etagen zu bekämpfen. Aber so kreativ die Japaner bei der Integration der Figuren aus der amerikanischen Literatur waren, wollen Humor und Coolness unter "Tom", "Löwe" und "Lily" trotz überraschender Sprachausgabe und toller Präsentation nicht zünden. Zudem ist die KI nicht immer wachsam genug, so dass man die Gebiete trotz vieler Feinde recht simpel mit einem Zug in die grünen Zielfelder abschließen kann. Es ist allerdings lobenswert, dass Nintendo die nervigen Ladezeiten auf dem 3DS um die Hälfte und auf dem N3DS sogar auf ein Drittel gekürzt hat. Übrig geblieben sind trotz Update noch nervige Tücken beim Anvisieren kleiner Feinde. Aber taktischer Anspruch sowie Abwechslung sorgen stets für Unterhaltung in einer epischen Kampagne, die euch an die zwanzig Stunden beschäftigen wird. Zwar erreicht Intelligent Systems nicht die Sogwirkung eines Valkyrja Chronicles oder Advance Wars, aber für eine neue Marke ist das eine gelungene Premiere.

Pro

kunterbunte Steampunkwelt
tolle Präsentation mit Sprachausgabe
aus bis zu zwölf Charakteren wählen
literarische Helden als Vorlage für Figuren
Verzicht auf Karte forciert Erkundung
viele Fähigkeiten und Spezialaktionen
Höhe taktisch relevant, planbare Konter
Aliens mit interessanten Stärken und Teamplay
einige coole Bosskampf-Situationen
Hindernisse beseitigen, Panzer fahren etc.
Leveldesign über mehrere Etagen
angenehm abwechslunsgreiche Rundentaktik
Boiler, Waffen & Co freischalten
Wartezeiten auf KI lassen sich fix vorspulen
sehr faire Speicherpunkte

Kontra

austauschbares Artdesign der Aliens
etwas simple Zielerreichung im grünen Bereich
Aliens reagieren nicht clever genug auf Konter
nervig unpräzises Anvisieren kleiner Feinde
Feinde respawnen plötzlich aus dem Nichts
Witz und Coolness wollen nicht immer zünden
schwammige und überflüsse Texttafeln

Wertung

N3DS

Code Name S.T.E.A.M. inszeniert gute Rundentaktik in einer schicken Steampunkwelt.

3DS

Code Name S.T.E.A.M. inszeniert gute Rundentaktik in einer schicken Steampunkwelt.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.