Im Test: Fantasy-Soap für Dungeonwühler
Die endlose Labyrinthsaga
Habt ihr "Etrian Odyssey Untold: The Millenium Girl" schon durchgespielt? Falls nicht, solltet ihr das nachholen. Für Einsteiger in die taktische Rollenspielsaga mit dem charmanten Zeichnen von Labyrinthen ist das ein idealer Start auf dem 3DS. Denn das ist das gute Remake des ersten "Etrian Odyssey", das 2008 für Nintendo DS erschien und 2014 inkl. neuer Kampagne aufgewertet wurde - den ausführlichen Test dazu findet ihr hier. Dort wird auch das Kampf- und Klassensystem sowie die Kartographie näher erläutert. Trotzdem kam diese edle Umsetzung nicht an den offiziell letzten und besten Teil heran: Etrian Odyssey 4 - das konnte auf dem 3DS noch Gold erobern...
"Classic" oder "Story"
Die Kulisse wird von einem märchenhaften Comiclook geprägt, der zwar vor allem im Monsterdesign manchmal eher Pokémon- als Mittelalterflair verströmt. Das Ganze driftet aber nicht ins Alberne ab, das man in Sachen Menüdesign und Zeichnungen durchaus edle Töne trifft. Außerdem begegnen einem in späteren Levels weniger putzige, dafür umso imposantere Kreaturen, die auch in klassischer Fantasy westlicher Prägung auftauchen könnten.
Obwohl es viele Geheimwege und einige Situationen mit überbrückbaren Sackgassen gibt, vermisst man erneut mehr klassischere Rätsel und auch mehr Erkundungsreize. In Millenium Girl konnte man sich auch schon oben umschauen, hat das aber ebensowenig wie hier für Umgebungsrätsel ausgenutzt. Spätestens Etrian Odyssey 5 sollte auch innerhalb der Dungeon-Interaktion für frischen Wind sorgen. Aber der weht zumindest auf der menschlichen Ebene in der lebendigen Party...
Kampagne mit Story und Partyinteraktion
Flavio der Bogenschütze und die magiebegabte Arianne werden bald von Bertrand dem Paladin und der Kriegsmagierin Chloe ergänzt - und was hat es mit diesem seltsamen Wolf auf sich? Alles dreht sich um die Suche nach einem mysteriösen Tempel sowie die seltsamen Verwandlungen des namengebenden Helden. Ist er ein Dämon? Erst nach zwei bis drei Stunden geht es richtig los und es folgt trotz viel Hin und Her zwischen den Dungeons und der Stadt eine gelungene Erzählführung mit einigen Überraschungen.
Das Interessante am Aufstieg ist, dass man jede Klasse unterschiedlich entwickeln kann, indem man sie auf bestimmte Talente oder Waffen und Magierichtungen konzentriert. Nur, wenn der Schütze seine Beweglichkeit verbessert, öffnet sich
Falls man doch mal stirbt: Im Hospital werden verstorbene Helden wiederbelebt, ihr könnt im Gasthaus bis zur vollständigen Genesung ausruhen und speichern. Cool ist, dass es auch in diesen Situationen neue Kommentare und teilweise Sprachausgabe gibt. Hinzu kommt all der Komfort beim Zeichnen der Labyrinthe, den Atlus über die Jahre mit dynamischen Weglinien, Teleports zu Etagen etc. verfeinert hat. So markiert man flott all die geheimen Wege oder Ernteplätze, an denen man Materialien findet.
Zwar gibt es in den Gefechten zunächst sehr viel Kroppzeug, das man automatisch besiegt, die späteren Monster haben erneut einige fiese Fähigkeiten, die euch in Schlaf versetzen, bewusstlos machen, vergiften, blenden, verfluchen oder gar zu Stein verwandeln können. Und bald tauchen die bekannten wandernden Monster sowie Bosse auf. Manchen kann man geschickt folgen, andere haben einen so hohen Aggrolevel, dass sie einen verfolgen. Die besonderen Verwandlungen von Fafnir, die aktiven und passiven Fähigkeiten sowie der Machteinsatz der Gefährten spielen spätestens gegen diese eine entscheidende Rolle.
Grimoire Stones und Stadtentwicklung
Für frischen Wind gegenüber dem Original sorgen zudem einige Spielfunktionen, die Sammler und Planer ansprechen. Zum einen sind da die magischen Grimoire Stones (Zauberbuchsteine), die manche Feinde zufällig hinterlassen und die entweder eine eine aufrüstbare Spezialfähigkeit des Helden oder Monsters darstellen. So kann man die aktiven und passiven Talente nochmal ergänzen; außerdem kann man sie tauschen oder wiederverwerten; Streetpass wird übrigens ebenfalls unterstützt. Unterm Strich ist dieses Zufallsprinzip für Rollenspieler aber lange nicht so befriedigend wie etwa planbare duale Klassen.
Zum anderen kann man die Stadt High Lagaard entwickeln, indem man für jedes Viertel die optimalen Mahlzeiten anbietet - im Westen mögen sie vielleicht Fleisch, im Süden eher Obst. Man fühlt sich fast wie in einer kleinen Aufbausim, wenn man versucht die Geschmäcker effizient zu bedienen, über Werbeanzeigen Kunden anlockt und den Gewinn in die mehrstufige Entwicklung investiert, um z.B. Straßen zu verbessern - erreicht ein Viertel eine neue Stufe, wird das auch visualisiert. Trotzdem wirkt dieses kurzweilige Restaurant-Management wie ein Fremdkörper innerhalb der Saga.
Fazit
Auch wenn ich mich viel mehr über Etrian Odyssey 5 freuen würde, anstatt erneut in alten Kerkern zu stöbern: Etrian Odyssey 2 Untold: The Fafnir Knight ist kein schnell aus der Hüfte geschossenes, sondern ein vorbildliches Remake - Atlus bleibt seinem Qualitätsanspruch treu. Ihr bekommt nicht nur eine grafisch und akustisch deutlich aufgewertete Variante des DS-Originals, sondern sowohl frische Funktionen als auch Inhalte. Auch wenn mich weder die zufälligen Spezialfähigkeiten über Grimoire Stones noch die kurzweilige Stadtentwicklung über Nahrungsmittel restlos überzeugen, holt die Kampagne mit frischer Story und lebendiger Partyinteraktion mal wieder die Kohlen aus dem Feuer. Allerdings muss man als Europäer hier und da ein Kitschauge zudrücken und erlebt eher eine Fantasy-Soap als ein fantastisches Epos, außerdem erreicht der Dungeon-Crawler taktisch nicht ganz die Tiefe des sehr guten vierten Teils. Trotzdem werden vor allem Einsteiger in die Serie auf gutem Niveau unterhalten. Bei einem Veteranen wie mir macht sich allerdings so langsam Zeichenmüdigkeit breit...
Pro
Kontra
Wertung
3DS
Neue Kampagne inkl. Partyinteraktion, dazu neue Spielfunktionen: ein gutes Remake des zweiten DS-Abenteuers.
Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.