Dungeonerkundung und Suchspiele
Ein Königreich droht im Chaos zu versinken, der Thron wird korrumpiert, eine Invasion naht und man führt zunächst in Robin-Hood-Manier die Gefährten um den Helden Alm an, bevor man die Story aus der Perspektive von Celica und ihren eher magisch begabten Freunden erlebt - in diesem Wechsel erkundet man auch die Weltkarte aus zwei Richtungen. Technisch erinnert alles an das hervorragend inszenierte
Fire Emblem Fates und zunächst wirkt alles sehr vertraut...
Die Erkundung eines Tempels läuft in Egosicht ab. Hier findet Alm ein Heiligtum, an dem man die Klasse wechseln kann.
...aber huch, was ist das denn? Als ich den Tempel mit Alm betrete, wechselt die Perspektive in die Egosicht und ich erkunde das Gewölbe in Echtzeit. Dabei bewege ich stellvertretend für die Gruppe nur ihn, kann gehen, sprinten, an Statuen interagieren sowie Kisten mit Schwertkombos zerdeppern. Zwar sind darin manchmal Gegenstände verborgen, aber Vorsicht: Das Geräusch lockt die umher streunenden Monster an. Ich kann ihnen bis zu einem gewissen Grad ausweichen, sogar über den Spurt fliehen, aber wenn sie zu nahe sind, schwenkt die Kamera wieder in die klassischen Rundengefechte aus der Draufsicht und man taktiert mit allen Gefährten.
Noch etwas ist neu an diesem Remake: In den Dungeons oder Siedlungen sowie Burgen werden manche Orte als statische Szenen aufgebaut, in denen meist mehrere Nichtspielercharaktere warten, die man in kurze Gespräche verwickeln
In den Tempeln kann man Kisten zerdeppern und Schatztruhen öffnen, während man in Echtzeit den Monstern ausweicht. Bei Kontakt wird in die klassische Kartensicht mit allen Gefährten gewechselt.
kann - und das zum ersten Mal in komplett englischer Sprachausgabe. Außerdem darf man die Umgebung genauer untersuchen, indem man die Kameralinse frei auf sichtbare Objekte bewegt und zoomt. So kann man z.B. auch in einer Kaserne oder auf einem Dorfplatz noch Nahrungsmittel oder Waffen finden. Das sind die beiden größten Neuerungen an diesem
Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia.
Halbgare Neuerungen, seltsame Streichungen
Leider verlieren beide Elemente sehr schnell an Reiz, weil sie viel zu oberflächlich sind. Das Erlebnis in den Dungeons wirkt trotz souveräner technischer Inszenierung wie ein Fremdkörper, zumal sich die Erkundung auf primtive Elemente wie das Zerstören von Kisten oder Umgebungselementen sowie die simple Suche nach dem Heiligtum oder Brunnen zur Steigerung eines Charakterwertes beschränken. Rätsel, Überraschungen oder packende Gewölbespannung? Weitgehend Fehlanzeige. Letztlich dienen sie neben dem bekannten Klassenwechsel ab einer bestimmten Stufe vor allem einem Zweck: Seine Gefährten in den im Vergleich zur Oberfläche meist einfacheren Kämpfen so viel Erfahrung sammeln lassen, dass sie aufsteigen. Und das Absuchen der Orte vor, nach oder während der Dialoge? Sorry, aber das erreicht nicht mal Wimmelbildansprüche...
Auch Zombies stehen auf dem rundentaktischen Programm.
Zwar muss man Intelligent Systems zugute halten, dass sie für frische Impulse sorgen wollten, die ja durchaus dem Vorbild geschuldet sind: Auch das Original hatte rückblickend das größte Rollenspielflair innerhalb dieser Reihe. Wieso, weshalb und warum Intelligent Systems und Nintendo dieses Remake in dieser Art produziert haben, erfahrt ihr in
unserem Interview. Und es gibt durchaus einige blumige Charaktere, zumal die Hintergrundgeschichte mit dem Perspektivwechsel zumindest insoweit interessant ist, dass man mehrere Facetten kennenlernt. Aber sie haben nicht nur etwas Halbgares hinzugefügt, sondern im Vergleich zum wesentlich komplexeren und auch erzählerisch besseren
Fire Emblem Fates auf wichtige spielerische Elemente verzichtet, so dass ich als Fan der Reihe nur den Kopf schütteln kann, weil sich alles zusammen wie ein Rückschritt anfühlt.
Kastriertes Inventar und Heiratsverbot
Fangen wir mit den Kleinigkeiten an: Es gibt z.B. keine Entwicklung einer Basis, sondern in beiden Perspektiven nur das streng lineare Ablaufen einer Karte mit vorgegebenen Punkten. Es gibt auch kein individuelles Inventarmanagement: Anstatt dass ich einem Charakter bis zu fünf Steine, Heilmittel oder Waffen zuteilen kann, gibt es jetzt lediglich einen (!) verteilbaren Gegenstand - ein Stück Brot oder eine Spezialwaffe sind hier gleichberechtigt und ich muss mich für eines entscheiden - hallo? Wähle ich das Brot, weil es heilt, schlägt der Held mit seiner ewig gleichen Standardwaffe zu. Wähle ich die Spezialwaffe, gewinnt der Held immerhin in mehreren Stufen Erfahrung mit ihr und schaltet so spezielle Effekte wie etwa die "Fülle" mit dem Golddolch frei, so dass er z.B. in Höhe seines Schadens heilt. Unterm Strich ist das allerdings ein fauler Kompromiss, denn erst beides zusammen, also Auswahl und Spezialisierung über Gebrauch, würde für echtes Rollenspielflair sorgen.
Neben Alm führt man auch die Gruppe von Celica an.
Jetzt das große Manko, das dieses Fire Emblem für mich regelrecht degradiert: Man kann zwar noch mit einigen Gefährten sprechen, um Beziehungen aufzubauen - allerdings nicht mit allen, nicht in Ruhe in einem Hauptquartier, sondern mitten auf dem Schlachtfeld, wo dann meist kitschige Nichtigkeiten im Angesicht des Feindes ausgetauscht werden. Da baut die Story etwas Drama auf und dann wird rumgeturtelt? Heiraten und Kinder kriegen ist übrigens nicht möglich, aber das ist für die Wertung egal.
Keine duale Partnertaktik
Wesentlich fataler ist, dass nahezu alle wichtigen kampftaktischen Konsequenzen fehlen! Es gibt lediglich Statistikboni, wenn befreundete Charaktere nebeneinander stehen, aber man kann Partner nicht mehr kombinieren, damit sie auf einem Feld kämpfen, so dass z.B. die Haupteinheit angreift und die Nebeneinheit verteidigt. Damit entfällt nicht nur der Reiz des dynamischen Wechsels sowie der Spezialangriffe, sondern auch der taktische Vorteil einer langfristigen Entwicklung.
Keine Bange, denn der Kern der Rundengefechte ist ja derselbe wie man ihn von Fire Emble kennt - man bewegt seine Einheiten in einem Gelände, kann lila Reichweitenzonen einblenden, muss seine Züge clever planen, auch mal Tore öffnen, Schiffe entern und die Gruppe teilen. Aber hinsichtlich der Gruppen- und Geländetaktik gibt es keinerlei Fortschritte, sondern lediglich zaghafte Modifikationen, wie etwa die bessere Verteidigung der Bogenschützen.
Die Frage der Schwierigkeit
Die Animationen sowie die Zwischensequenzen sind klasse.
Immerhin sorgt die Kulisse mit ihrem hübschen Karten sowie immer noch klasse Kampfanimationen für Stimmung, außerdem ist der Anspruch auch in dieser kastrierten Variante noch da. Selbst in den ersten Gefechten kann man Lehrgeld zahlen, wenn man nicht clever taktiert. Vor allem, wenn man nicht den normalen, sondern schweren Schwierigkeitsgrad wählt. In beiden hat man übrigens noch die Unterwahl des Spielmodus, ob man als "Anfänger" oder "Klassisch" spielt - in Ersterem stehen Gefallene nach einer Schlacht wieder auf, in Letzterem sind sie für immer verloren. Vorsicht auch bei der Wahl der Klasse, denn wer keine Bogenschützen oder vor allem mächtige Magier ausbildet, wird sich unheimlich schwer in den Gefechten tun. Übrigens gab es in Fire Emblem Fates jeweils drei Schwierigkeitsgrade und Spielmodi.
Noch ein abschließendes Wort zur Veröffentlichungspolitik: Die war schon bei Fire Emblem Fates mit den verschiedenen Editionen eher verwirrend als förderlich und erreicht angesichts dieses Spiels, das man angesichts der technischen Gleichheit fast schon selbst als eigenständige Erweiterung zu Fire Emblem Fates zu einem fairen Preis hätte veröffentlichen können, abstruse Ausmaße. Fünf Downloadpakete sollen bis Juni schrittweise veröffentlicht werden, wobei alle zusammen im Season Pass satte 44,99 Euro kosten. Hallo? Ich bin ein Fan dieser Reihe, aber ich will angesichts des deutlichen Qualitätsverlustes nichts davon spielen. Sorry Nintendo, aber hier wird die Marke bis ins Extrem ausgeschlachtet, was dem Image nur schadet.