Titanen gegen den Zahn der Zeit
In den letzten zwölf Jahren ist viel in der Spielewelt passiert. Als Titan Quest erschien, war die Xbox 360 gerade mal ein paar Monate auf dem Markt und die PlayStation 3 nicht einmal erschienen. Und das Action-Rollenspiel (aka Hack&Slay oder auch "Kloppmist") zehrte immer noch vom
Diablo-2-Erfolg, an den auch
Dungeon Siege nicht heranreichen konnte.
Loki von Cyanide sollte erst 2007 erscheinen,
Silverfall oder
Sacred 2 ein weiteres Jahr später. Auch Titel wie
Torchlight waren zu diesem Zeitpunkt maximal in der Konzeptphase. Dementsprechend wurde damals die Veröffentlichung von Titan Quest herbeigesehnt. U.a. auch, weil sich hinter dem damaligen Entwickler-Team Iron Lore Entertainment mit Brian Sullivan einer der führenden Köpfe der Ensemble Studios (
Age of Empires) an einem Diablo-Rollenspiel versuchte.
Die Kulisse und vor allem die Steuerung wurden gut an aktuelle Konsolensysteme angepasst.
Und das seinerzeit recht erfolgreich: Iron Lore hatte im Gegensatz zu Diablo 2 mit seinen zufällig generierten Abschnitten die gesamte Welt von Hand gezeichnet. Nicht nur das: Man konnte die mit Fabelwesen wie Satyre, Minotauren, Harpyien, Medusen oder Zentauren bestückte Antike, die man mit einem einsamen Helden durchstreift, theoretisch in einem Rutsch ohne Nachladephasen durchqueren. Angesichts der durchaus schicken Kulisse, die man 2016 in der "Anniversary Edition" modernisierte und an hohe Auflösungen anpasste, war das damals eine nicht zu unterschätzende Errungenschaft. Zudem gab es eine umfangreiche Charakterentwicklung, bei der man mit zwei aus acht Spezialisierungen (eine weitere kam später mit dem Add-On Immortal Throne hinzu) mit zig aktiven oder passiven Fähigkeiten auswählte, um so seine präferierte Spielweise von Zauberern bis Nahkämpfern (auch in Mischform) für die Figur zu finden. Dass die gefundene oder erstandene Ausrüstung mitunter bestimmte Figurenstufen oder Eigenschaftswerte erforderte, heizte die Suche nach der perfekten Ausrüstung zusätzlich an. Und nicht zuletzt konnten mit der einfachen Steuerung und vor allem der im Nachhinein betrachtet etwas im Übermaß sowie gelegentlich unpassend ausgeschütteten Beute alle Jäger-und-Sammler-Instinkte befriedigt werden.
Immer noch unterhaltsam
Die umfangreiche Reise führt einen nicht nur durch halb Griechenland, sondern auch in den Orient oder nach Ägypten.
Der spielerische Kern wurde zwölf Jahre nach dem Original und gut zwei Jahre nach der Anniversary Edition am PC natürlich nicht angefasst. Von den ersten zaghaften Schritten mit einer nur leicht bewaffneten und fähigkeitslosen Figur bis hin zu Schlachten gegen dutzende Gegner und Halbgötter, bei denen der Bildschirm ggf. mit Zaubereffekten übersät wird, bietet Titan Quest klassisches Hack&Slay. Das bedeutet hinsichtlich des Kampfsystems im Wesentlichen ein „Klick&Weg“: Der anvisierte Gegner wird aufs Korn genommen, solange der entsprechende Knopf gehalten wird. Ist nach seinem Ableben ein weiterer im Umkreis geht es weiter, ohne dass man die Taste erneut betätigen muss. Bei Nahkämpfern bedeutet dies unter Umständen, dass man auch ohne Richtungsangaben auf dem linken Stick weitgehend automatisch zum nächsten Feind läuft und dann auf ihn einschlägt oder –sticht. Dieser Halbautomatismus ist zwar nicht mehr wirklich zeitgemäß, doch zusammen mit dem vor allem im ersten Akt auf „Normal“ sehr benutzerfreundlichen Schwierigkeitsgrad kommt man in einen angenehmen Flow: Man grast die Karte ab, erledigt die Feinde, öffnet Kisten und sammelt Beute. Zwar muss man bei einigen, in erster Linie großen oder ihrerseits magiebegabten Kontrahenten auch mal kurzzeitig die Flucht ergreifen oder einen Heiltrank einwerfen, der die schwindende Gesundheitsleiste schnell wieder auffüllt.