Der Zahn der Zeit
Als
Shenmue 1999 für Dreamcast erschien, war es revolutionär: Eine lebendige Spielwelt mit detailverliebter Kulisse und lebensechten Figuren, frische Spielelemente wie eingebundene Reaktionstests und eine aufregende Geschichte machten das Abenteuer von Ryo Hazuki zum Klassiker. Heute wirken dagegen weder die Technik noch die Spielmechaniken sonderlich frisch, sondern eher altbacken und stellenweise sogar unnötig kompliziert. Auch das Missionsdesign, bei dem man sich auf der Suche nach Hinweisen durchfragen oder lästige Bring-Aufgaben erfüllen muss, sorgt nicht länger für Jubelschreie, sondern erweist sich sogar oft als nervig. Nein, selbst als Fan des Originals muss man akzeptieren, dass Shenmue trotz seiner wegweisenden Errungenschaften nicht besonders gut gealtert ist. Ein Eindruck, der sich beim Blick auf die Neuauflage manifestiert.
Jobs, Minispiele und hartes Training
Aber Shenmue steht eben für diese Spielwelt, in der man auf seinem Weg zum Ziel schon mal einen Nebenjob antritt, bei dem man Geld verdient, das man anschließend in kleinen Minispielen oder zum Aufstocken des Equipments wieder ausgeben kann. Es ist eine Welt, in der man erst trainieren muss, bevor man sich in Kämpfen mit stärkeren Gegnern messen kann. Ein Abenteuer, bei dem Gespräche mit den richtigen Leuten und kleine Gefallen der Schlüssel sind, um voran zu kommen. Die gute Nachricht: Wer Shenmue für all die Dinge geliebt hat, die es damals gemacht hat, wird im dritten Teil eine kleine Zeitreise erleben, die ihn zurück in die Dreamcast-Ära versetzt. Shenmue 3 wird trotz leichter Anpassungen kein moderndes Spiel, aber das will es auch
Ryo muss wieder seine Kung-Fu-Künste zeigen und seine Kampffähigkeiten im Training verbessern.
gar nicht sein! Yu Suzuki will ganz offensichtlich das Spielgefühl von damals einfangen und das gelingt ihm erstaunlich gut – im positiven wie im negativen Sinne.
So muss man sich auf der Suche nach einem Narbengesicht wieder mühselig durchfragen. Hat man ihn gefunden, folgt nach einer anschließenden Kampf-Herausforderung schnell die Einsicht, dass man ihr noch nicht gewachsen ist. Was also tun? Richtig: Trainieren! Also fragt man die Dorfbewohner, wo sich die Martial-Arts-Halle befindet, in der man seine Fähigkeiten sowohl an Holz-Dummies mit kleinen Geschicklichkeitstests als auch in Sparring-Sessions aufpeppen kann. Fühlt man sich fit genug, darf man Mönche zum Kampf herausfordern und im Rang der Kampfschule aufsteigen. Bis man endlich bereit ist, dem Narbengesicht die Stirn bieten zu können, ist allerdings viel Training mit Grind-Tendenzen nötig. Ein Glück, dass man sich die Zeit zwischendurch wieder anderweitig vertreiben darf. Wie wäre es z.B. damit, einem Ladenbesitzer beim Holzhacken unter die Arme zu greifen und den hart erarbeiteten Lohn beim Peggle-Verschnitt Lucky Hit mit seiner arg fragwürdigen Kugelphysik wieder zu verprassen? Oder sich auf die Suche nach Kräutern zu begeben? Es gibt mehr als genug zu tun in der Welt vom neuen Shenmue! Ärgerlich dagegen, dass manche Dialoge die Illusion komplett zerstören. Spricht Ryo bei seiner Suche nach Ablenkung erneut mit den Dorfbewohnern, fragt er z.B. erneut nach dem Standort der Martial-Arts-Halle, obwohl er dort bereits mehrere Trainingseinheiten absolviert hat.
Technisch darf man ebenfalls nicht viel erwarten: Im Vergleich mit dem Remaster erkennt man zwar grafische Verbesserungen hinsichtlich Kulisse und den Charaktermodellen, aber den Wow-Effekt von damals wird Shenmue 3 sicher nicht auslösen. Dafür fehlt es den Schauplätzen bzw. den Texturen einfach an Details und manche Bewegungs- sowie vor allem die Gesichtsanimationen wirken zu steif. Zudem lässt die Bildrate vor allem bei Kameraschwenks noch zu wünschen übrig und darf bis zur Veröffentlichung gerne noch etwas höher ausfallen.