Vom Survival-Abenteuer zum storylastigen Action-Adventure
Lange sah es so aus, als ob We Happy Few versuchen würde, sich als weitgehend klassisches Survivalspiel inkl. Ressourcen-Management mit Spielen wie
Ark,
Conan Exiles,
7 Days to Die usw. messen zu wollen. Zumindest war dies der Eindruck, den die ersten Preview- bzw. Early-Access-Versionen auf Xbox One und Steam hinterließen. Dass zusätzlich ein herrlich absurdes Bild eines alternativen England gezeichnet wurde, in dem sich die Bevölkerung hinter „fröhlichen“ Masken versteckte und sich mit der staatlich verabreichten Droge „Joy“ eine eigene Realität schuf, der man als Spieler entkommen musste, fachte die Neugier zusätzlich an. Doch egal ob von langer Hand geplant, ob es ursprünglich so konzipiert war oder ob erst mit dem Einstieg von Gearbox die Entscheidung gefällt wurde: Im momentanen Zustand ist We Happy Few ein mehr oder weniger klassisches Action-Adventure aus Ego-Sicht, das um Überlebenselemente wie Hunger und Durst sowie ein Erfahrungs- bzw. Figurenaufstiegs-System ergänzt wurde.
Das kreative Artdesign gehört zu den Höhepunkten von We Happy Few.
Ist das jetzt gut oder schlecht? Diese Frage hat mich lange beschäftigt. Dabei hat mich nur anfänglich gestört, dass der Sandbox-Modus, der sich wohl eher dem Überlebensaspekt widmen wird, erst nachgelagert veröffentlicht wird. Denn nachdem man in der nun veröffentlichten finalen Version den gleichen verstörenden Einstieg gespielt hat, der auch im Early Access und der seinerzeit veröffentlichten E3-Präsentation vorkam, findet man sich in einem alternativen England Mitte der 60er Jahre wieder und folgt einer interessant sowie mitunter verstörend konstruierten Geschichte. In der Rolle des Zeitungsartikel-Kontrolllesers und ggf. –Zensors Arthur Hastings wird man von seiner Vergangenheit eingeholt, während man nichts ahnend seinem Job nachgeht. Lange ist unklar, was es mit seinem Bruder Percy auf sich hat, der mit einem Zug nach Deutschland gebracht wird, als beide noch Kinder waren. Eigentlich hätte Arthur sich ebenfalls auf die Reise machen sollen, konnte sich aber mit einer Lüge zu seinem Alter aus der Angelegenheit winden. Deutschland? Kinder? Zugreise? Was zwangsläufig Assoziationen an Transporte in Konzentrationslager während der NS-Zeit weckt, wird hier durch die alternative Zeitlinie noch verwirrender, im Rahmen derer Deutschland einen Krieg gegen England gewonnen hat (ist es WW2?). Mit Hilfe von auffindbaren Dokumenten kann der Spieler zwar Licht ins mitunter bedrückende Dunkel bringen, doch vieles bleibt der Interpretation überlassen – was prinzipiell ein guter Gedanke ist, da sich Wellington Wells so seine eigentümliche Magie bewahrt.
Wo ist die Freude?
Auseinandersetzungen sollte man aus dem Weg gehen. Das Kampfsystem ist trotz interessanter (Selbstbau-)Waffen zu oberflächlich, um gegen mehrere Gegner effektiv eingesetzt werden zu können.
Dass zudem im Rahmen des sehr gelungenen Artdesigns, das sich irgendwo zwischen BioShock, Dishonored, dem Shooter-Klassiker No One Lives Forever von Monolith und Austin Powers einsortiert, der staatlich regulierte Drogenkonsum der an freien Spendern verfügbaren „Joy“-Pillen propagiert und als spielerisches Element eingefügt wird, macht die aus festen Versatzstücken zufällig generierte Welt hochinteressant. Doch unter dem Strich kann We Happy Few leider nicht halten, was Story und Artdesign versprechen. Dabei ist die erste Hälfte des ersten von drei Akten noch interessant und bietet viel situative Spannung, während man die Welt und die spielmechanischen Konzepte kennenlernt. Mit einem im Vergleich zu den Alpha-Versionen deutlich zurück gestuften Überlebensaspekt, konzentriert man sich auf die weitgehend lineare Geschichte, die einen durch die offenen Areale mit ihren abbaubaren Ressourcen führt. Mechanisch setzt man dabei auf einen Mix aus nicht beeinflussbaren Gesprächssequenzen, Gebietserforschung, mitunter durchaus interessanten Umgebungsrätseln, Schleichen und Kampf – alles Zutaten, die im Action-Adventure durchaus geläufig sind. Und sie werden hier auch ordentlich zusammengefügt. Doch während die Geschichte von Anfang bis Ende faszinieren kann und mit den Protagonisten der Akte 2 und 3 auch neue Facetten hinzugewinnt, nutzen sich die mechanischen Elemente zunehmend ab.