Tomb Raider (1996)10.01.2013, Benjamin Schmädig
Tomb Raider (1996)

Special:

An den uralten Mauern zeugen Hieroglyphen und aufwändige Malerei von antikem Glanz. Hundert, zweihundert Meter erstrecken sich die flachen Stufen eines langen Aufstiegs. An ihrem fernen Ende betrete ich ein enges Zimmer, ziehe mich durch ein winziges Loch nach oben und stehe plötzlich in einer riesigen Halle. Ich sehe mich um, erklimme ein breites steinernes Gebilde – und dann bemerke ich, dass ich mitten auf dem Kopf einer gigantischen Sphinx stehe!

Tomb Raiders of the Lost Ark

Es ist einer der größten Momente meiner Spiele-Vita. Es war der Moment, in dem ich die Mystik der verklärten Indiana Jones-Archäologie am eigenen Leib erfahren durfte.

Und es ist ein Denkmal für die Faszination Tomb Raider. Denn dieser kurze Augenblick der Erkenntnis war ein beeindruckendes "Ah-haaa!", das ich mir durch die Neugier auf meine

Die Zisterne: Einer der eindrucksvollsten Schauplätze der gesamten Serie.
Die Zisterne: Einer der eindrucksvollsten Schauplätze der gesamten Serie.
Umgebung selbst erarbeitet habe. Ich bin über tiefschwarze Abgründe gesprungen, habe mich an steilen Felsen entlang gehangelt, Pyramiden erkundet und Atlantis entdeckt. Ich bin durch vorzeitliche Höhlen geklettert, durch verwunschene Paläste gewandelt und in den überspülten Gemäuern einer uralten Zisterne geschwommen.

Attraktionen

Das Besondere aber war:  Ich war mutterseelenallein! Das komplette Abenteuer drehte sich um das Erforschen und das Entschlüsseln von Rätseln. Nur etwa eine Handvoll Gegner (buchstäblich – im gesamten Spiel!) musste ich besiegen; kaum mehr als eine kurze Ablenkung. Es ging um das Meistern des Weges, nicht um das Durchkämpfen zum Ausgang. In Tomb Raider waren die Tombs die eigentliche Attraktion, also die Grabstätten und Keller, nicht die Action davor. Viele Kulissen musste man sehr genau anschauen, um die richtigen Vorsprünge auszumachen. Manche Plattform war nur zu erreichen, falls man den Absprungpunkt für einen waghalsigen Sprung überhaupt finden konnte.

3DFX - die neue PC-Power

Tomb Raider war eins der ersten Spiele, das 3D-Beschleunigerkarten unterstützte: Ein Update sorgte nicht nur für schärfere Texturen, sondern behob auch perspektische Texturfehler sowie viele der ärgerlichen Clippingfehler.

Trotzdem lag immer Spannung in der Luft, weil mich aus jeder Ecke ein Wolf oder eine Mumie anspringen konnte. Die Biester schlichen sich ja völlig lautlos an! Ein Soundtrack nur aus Geräuschen – ein kaltes Pfeifen oder verschwörerisches Quietschen – machte die mysteriöse Umgebung beinahe greifbar, anstatt ein musikalisches Kunstbild drüber zustülpen.

Tomb Raider stand für die abgeschiedene Ruhe an geheimnisvollen Schauplätzen. Und diese Atmosphäre strahlt noch heute eine einzigartige majestätische Größe aus.

Dumb Raider?

Freilich ist es ein Nonsens, dass mich Wölfe, Fledermäuse oder Ratten angegriffen haben, die vor einem Menschen eher geflohen wären. Selbstverständlich wirkt es unglaublich dämlich, dass ich in antiken Geheimverstecken Erste-Hilfe-Pakete oder Munition für

Süß: Mit dem richtigen Tastendruck zieht sich die Dame nicht nur an einem Vorsprung hinauf, sie tut es über einen Handstand. Ins Wasser platscht sie mit einem wunderschönen Kopfsprung.
Süß: Mit dem richtigen Tastendruck zieht sich die Dame nicht nur an einem Vorsprung hinauf, sie tut es über einen Handstand. Ins Wasser platscht sie mit einem eleganten Kopfsprung.
moderne Automatikwaffen finde. Auch das Verschieben von Würfeln ist vor allem aus heutiger Sicht… zumindest altmodisch.

Apropos: Als ich erst vor einigen Wochen wieder nach Peru, Griechenland und Ägypten gereist bin, fielen mir auch die berüchtigten Clippingfehler auf, die damals in aller Munde waren. Tatsächlich sind zahlreiche Türen oder andere Objekte deutlich sichtbar, obwohl sie sich weit hinter einer festen Mauer befinden.

Starring: Lara Croft

Und dennoch: Trotz seiner technischen und inhaltlichen Schwächen ist das erste Tomb Raider ein bis heute einmaliges Abenteuerspiel. Es braucht keine filmische Kamerafahrt. Es weiß um den Reiz des in die Tiefe fallenden Blicks, wenn Lara meterweit über einen Abgrund springt und sich an der anderen Seite gerade so festhalten kann. Es atmet sich nicht mit bleigeschwängerter Luft in einen Rausch, weil es das Prickeln beim einsamen Erklimmen verlassener Ruinen liebt.

Und es hat Lara Croft. Eine aristokratische Lady, die als Freizeit-Archäologin das Abenteuer sucht. Selbstverständlich wusste sie schon damals um ihre überzeichneten

Grafische Fehlersuche - im ersten Tomb Raider leider ein Kinderspiel.
Grafische Fehlersuche - im ersten Tomb Raider leider ein Kinderspiel.
sexuellen Reize, während sie in Filmszenen als übermäßig taffe Draufgängerin auftrat. Eine feine Charakterstudie war Tomb Raider nicht. Es zeigte aber eine Frau, die sich nicht über ihren Busen definieren musste, bevor sie Heldin sein durfte – man werfe einen Blick auf das Coverbild ihres zweiten Spiels.

Lebwohl

Als Tomb Raider 2 schließlich angekündigt wurde, lümmelte die Brünette noch auf einem extremen Breitbildplakat. Sie stützte sich lächelnd auf den Ellbogen und sagte: "Ehrlich, ich hab‘ die ganze Zeit an dich gedacht." Eine charmante Anspielung, wirklich!

In meiner Erinnerung war es das letzte Mal, dass Lara Croft so spielerisch mit ihren körperlichen Reizen umging. Danach wurde sie zur Sex-Ikone. Und ihre Spiele mehr Action als Adventure.

 
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